Strafbares Handspiel zu definieren, sodass jede Situation auf dem Platz eindeutig und fair ausgelegt werden kann, ist eine Aufgabe, an der Fußball-Regelmacher seit Jahren verzweifeln. Dass die Regel letztendlich auch noch für die Allgemeinheit verständlich sein soll, erschwert die Aufgabe zusätzlich.
Immer wieder versucht die Schiedsrichter-Führungsriege die Definition der Handspielregel anzupassen. Das führt immer wieder zu Verwirrungen.
"Schutzhand" und "angeschossen" – Begriffe, mit denen Handspiel-Streitigkeiten auf dem Schulhof beigelegt werden – sind im Profifußball mittlerweile belanglos. Stattdessen werden inzwischen Begriffe wie "aktive Bewegung zum Ball", "Vergrößerung der Körperfläche" und "natürliche Armbewegung" verwendet.
In der Praxis ist die Auslegung in diesen Fällen aber selten eindeutig. Die Bürde zu entscheiden, was fair ist, obliegt dann dem Schiedsrichter.
So erging es am Dienstagabend beim Champions League-Gruppenspiel zwischen Bayern München und Inter Mailand auch dem slowakischen Referee Ivan Kružliak: Bei einem Distanzschuss von Nicolò Barella in der achten Minute hatte Bayerns Sadio Mané im eigenen Strafraum schützend die Hände vors Gesicht gerissen und den Ball so ins Toraus abgefälscht. Kružliak entschied zunächst auf Eckstoß, wurde dann aber vom VAR in die Review-Area zitiert.
Nach mehreren Minuten entschied er sich, seine ursprüngliche Entscheidung nicht zu revidieren. Dies begründete er für alle sichtbar mit einer Geste (beide Hände vors Gesicht), die man früher als "Schutzhand" bezeichnet hätte. Aber dieser Begriff ist ja heutzutage tabu.
Stattdessen hatten die Regelmacher vom IFAB (International Football Association Board) im Frühjahr in einer Fragewunde erklärt: Die Bewegung der Hände vors Gesicht sei ein Reflex, also eine "natürliche Handbewegung" bei der "die Körperfläche nicht vergrößert werde", und daher nicht strafbar. Demnach wäre Kružliaks Entscheidung vollkommen richtig gewesen.
Anders sah das offensichtlich Ex-Bundesliga-Schiri Wolfgang Stark: "Die Szene ist eindeutig strafbar", urteilt er bei Amazon Prime kompromisslos. Im Vergleich zum IFAB legt Stark nämlich weniger Wert auf die Natürlichkeit der Armbewegung und dafür mehr auf die Bewegungsrichtung des Arms: "Beide Hände gehen ganz klar in die Flugbahn. Das war eine Abwehr in Torwart-Manier, es spricht alles für ein strafbares Handspiel", erklärt der zweimalige Schiedsrichter des Jahres.
Auch Bayerns ehemaliger Sportdirektor Matthias Sammer hätte wohl Elfmeter gegeben, wollte sich jedoch nicht über den ausbleibenden Pfiff echauffieren. "[Mané] muss ihn doch sicher halten und nicht so wegboxen", scherzt er stattdessen über die Torwart-Qualitäten des Bayern-Stürmers.
Nach dem Spiel nahm sich auch der senegalesische Superstar Zeit, die Szene zu kommentieren. "Das ist kein Elfmeter. Der Ball hätte mich sonst im Gesicht getroffen", rezitiert er die Regelauslegung des IFAB. "Wenn ich die Hände nicht hoch nehme, muss ich ins Krankenhaus."