Es gibt Momente, da sehen Fußballer einfach dumm aus. Wenn ein Stürmer frei vorm Tor am Ball vorbeitritt oder ein Torwart unbedrängt einem Gegner den Ball vor die Füße wirft, dann ist das für neutrale Fans oft unterhaltsam, für die eigenen Supporter dagegen ein echter Loyalitätstest.
So stellte Offensiv-Allrounder Kai Havertz am Sonntag die Zuneigung der Chelsea-Fans auf die Probe, als ihm im FA Cup gegen Manchester City ein grober Patzer unterlief: Beim Stand von 0:1 stand er bei einer Hereingabe mit einigem Abstand im eigenen Strafraum im Rücken des Gegenspielers. Als ihm sein Fehler im Stellungsspiel auffiel, sprang er rücksichtslos mit dem Arm voraus in den Luftzweikampf, um die Situation zu retten – und boxte dem Gegner unfreiwillig den Ball vor der Nase weg.
Schiedsrichter Robert Jones ahndete das Handspiel zunächst nicht, erst ein Blick auf die Video-Bilder überzeugte ihn: Der Deutsche hatte in Torwart-Manier den Ball weggefaustet. Den fälligen Elfmeter verwandelte Argentiniens WM-Held Julián Álvarez souverän, am Ende gewann City deutlich mit 4:0.
Chelsea-Trainer Graham Potter war "not amused", Videoaufnahmen zeigen seine Reaktion auf das Handspiel: Die Aufnahmen ermöglichen den Verdacht, dass er sich mit den Worten "Fuck me" auf der Bank fassungslos abgewendet hat. Zur Halbzeit nahm er Havertz dann auch vom Feld.
Im Nachhinein erntete der Nationalspieler von den Fans reichlich Häme für seine Aktion. Unter anderem auf Twitter spotten sie über den 23-Jährigen: "Potter muss Havertz im nächsten Spiel ganz weit außen einsetzen. Am besten außerhalb des Stadions", schimpft ein Zyniker unter den Chelsea-Fans.
Andere "Blues"-Supporter verarbeiteten ihren Frust über den geschenkten Elfmeter mit Humor: Ein Nutzer vergleicht Havertz Einsteigen mit der Pose der Freiheitsstatue. Ein anderer fragt sich, ob Havertz die Sportart verwechselt und vielleicht Volleyball gespielt hat.
Viele Chelsea-Fans scheinen hin- und hergerissen, ob Havertz und die anderen Europapokal-Helden von 2021 ihren Legenden-Status schon wieder verspielt haben oder, ob der Hauptschuldige der aktuellen Misere nicht ein anderer sei.
Zwar fordern manche Fans, dass der einst für 80 Millionen Euro von Bayer Leverkusen verpflichtete Nationalspieler bei nächster Gelegenheit verkauft werde, eindeutiger fällt die Fan-Meinung jedoch zu Trainer Graham Potter aus.
Potter war erst im September Chelsea-Coach geworden, nachdem die Londoner unter Thomas Tuchel aus den Europapokalplätzen gerutscht waren und der neue Eigentümer Todd Boehly mit einem frischen Coach neu anfangen wollte. Seitdem hat Chelsea jedoch nur vier von elf Premier League-Spielen gewonnen.
Mittlerweile trendet auf Twitter der Hashtag #PotterOut, unter dem Fans den Rausschmiss des Trainers fordern. "Sportsbible" weist darauf hin, dass es diesen Tag schon seit Potters erstem Chelsea-Spiel gibt. Offenbar weinen viele Fans noch dem entlassenen Thomas Tuchel nach.
Beim Gastspiel in Manchester forderten sie lautstark die Rückkehr ihres Erfolgstrainers, auch dem neuen Eigentümer-Konsortium wurden hämische Gesänge gewidmet. Chelsea-Trainer Potter kann den Missmut zwar nachvollziehen, wie er sagt, allerdings dürften auch ihn die "Thomas Tuchel"-Rufe getroffen haben.