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Fußball-Kolumne

Bundesliga: Politiker-Konferenz zu Gewalt in Stadien macht Fanforscher wütend

firo : 14.09.2024, Fussball, Fußball, 1. Liga, 1.Bundesliga, Saison 2024/2025, Holstein Kiel - FCB FC Bayern München 1:6 Pyro , Feuerwerk , Fans , Fankurve , bengalische Feuer , Pyrotechnik , Bengalo  ...
Pyrotechnik in den Stadien der Bundesliga ist weiterhin ein großes Streitthema. Bild: picture alliance / Sebastian El-Saqqa
Fußball-Kolumne

Gewalt im Bundesliga-Stadion: Ein Problem wird größer gemacht als es ist

In seiner Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
17.10.2024, 19:57
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Wenn die Innenminister der Länder am Freitag in München über einen neuen Umgang mit Fußballfans diskutieren, kann man eigentlich nicht viel erwarten.

Im Vorfeld hatten sich bereits einige Innenpolitiker einen Namen als Hardliner machen wollen. Joachim Herrmann (CSU) brachte personalisierte Tickets, gerichtliche Schnellverfahren in den Stadien, Stadionverbote sowie Geisterspiele und andere Kollektivstrafen ins Spiel. Sein Bremer Amtskollege Ulrich Mäurer (SPD) setzte noch einen drauf und forderte direkte Eingriffe in den Wettbewerb und die Tabelle. Vereine, deren Fans sich Fehlverhalten leisten, sollen seiner Meinung nach mit Punktabzug bestraft werden.

Fans haben keine Lobby, dafür aber ein Image, an dem sich so manches Vorurteil anheften lässt. Aus diesem Grund werden Fußballfans in der Innenpolitik oftmals voreilig als Bösewichte stigmatisiert, gegen die man von Staatsseite mit "harter Hand" vorgehen müsse. Auch, um die innere Sicherheit zu gewährleisten.

Die Faktenlage ist jedoch eine andere. Es gibt ganz offensichtlich Herausforderungen im Feld der inneren Sicherheit, aber Fußballfans sind zweifelsohne nicht das Problem.

Fanforscher Harald Lange.
Fanforscher und watson-Kolumnist Harald LangeBild: Uni Würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 55-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"

Bundesliga: Gewalt-Prävention findet längst in den Kurven statt

So haben wir beispielsweise im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft beobachten müssen, wie seitens der Polizei und Politik Ängste vor einreisenden Hooligans aus ganz Europa geschürt wurden. In den eilig eingerichteten Grenzkontrollen waren 22.000 Beamte beteiligt und es konnten 8300 illegale Einreiseversuche festgestellt werden. Ein Gewaltproblem des Fußballs wurde damit nicht bestätigt, denn es wurden lediglich 100 Hooligans herausgefischt.

Gleichwohl hat Innenministerin Nancy Faeser die Grenzkontrollen beibehalten. Seit dem 16. September werden keine Fußballfans, sondern Schleuser und illegale Migranten gesucht.

Grenzkontrolle im Anreiseverkehr zum ersten Spiel der Niederlande. Seit den Fr�hen Morgenstunden des 15. Juni kontrolliert die Bundespolizeidirektion Bad Bentheim am Grenz�bergang Bunderneuland den An ...
Während der EM wurden in Deutschland verstärkt Grenzkontrollen durchgeführt: das gilt weiterhin.Bild: imago images / diebildwerft

Die hier angeführten relativierenden Argumente sollen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Fußball immer wieder mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zu tun hat. So tragisch das ist, die Geschichte des Spiels hat in den zurückliegenden 100 Jahren immer wieder Gewalt sichtbar werden lassen.

Gleichzeitig aber auch Gegenbewegungen geschaffen. Die Vereine haben Fanprojekte eingerichtet und betreiben mit der Hilfe des DFB, der DFL und der Kommunen wertvolle Jugendsozialarbeit. Die Fankultur hat sich in den zurückliegenden 20 Jahren deutlich gewandelt. Gewaltprävention wird längst aus der Kurve heraus betrieben. Wenn es Fans gelingt, aufeinander zu achten und der Gewalt keine Chance zu geben, haben wir das wirkungsvollste Instrument zur Wahrung der Sicherheit in den Stadien.

Bundesliga-Stadion ist sicherer als ein Oktoberfest-Besuch

Und unsere Stadien sind sicherer denn je! Das belegen auch die aktuellen Zahlen der offiziellen Polizeistatistik (ZIS). In der Saison 2022/23 besuchten 22,8 Millionen Menschen Bundesligaspiele. Im Vergleich zur Saison 2018/19 ein Plus von 3,8 Prozent. An diesem Wert orientiert sich auch der Anstieg der Zahlen zu den eingeleiteten Ermittlungsverfahren (+ 4,31 Prozent) und der Zahl der Verletzten (+ 4,35 Prozent).

Die Daten zeigen, dass aktuell kein Grund zur Sorge besteht. Zum Vergleich: Nach dem diesjährigen Oktoberfest in München sprach man von einer friedlichen Wiesn. Es wurden 6,7 Millionen Besucher gezählt und es kam zu 1764 Polizeieinsätzen und 706 angezeigte Straftaten.

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Es lohnt sich morgen auf der Innenministerkonferenz genau hinzuschauen und faktenbasiert nachzufragen, wie die zu erwartenden Beschlüsse von der Politik verargumentiert werden. Dazu ergeben sich einige rechtliche Fragen.

Werden Fans kriminalisiert und kollektiv in ein dunkles Abseits gestellt? Sind härtere Strafen und Eingriffe in unsere Freiheitsrechte angemessen? Oder gäbe es Alternativen? Ist Pyrotechnik ein Verbrechen? Wie steht es um ein Pilotprojekt zum legalen und sicheren Abbrennen von Pyrotechnik?

Und auch organisatorisch gibt es bei der Innenministerkonferenz so einige Mängel, die einen fassungslos und fragend zurücklassen.

Weshalb wurden die Fans und deren Organisationen nicht zu dieser Innenministerkonferenz eingeladen? Wieso fehlen auch Vertreter der Fanprojekte und Präventionsexperten? Wie befrieden wir das aufgeschaukelte Verhältnis zwischen Fans und der Polizei? Gibt es eine selbstkritische Aufarbeitung der polizeilichen Einsatzstrategien in Fußballstadien? Wird an eine neutrale und politisch unabhängige Aufarbeitung der Konflikte zwischen Fans und Polizei gedacht? Weshalb nicht?

Fakt ist, der Fußball hat in den zurückliegenden Jahren in Sachen Sicherheit und Gewaltprävention einen guten Job gemacht. Wir sind auf einem vielversprechenden Weg, müssen aber mit den Fans gemeinsam und nicht gegen sie arbeiten. Wir haben eine überaus kritische Fankultur. In den Kurven wird seit vielen Jahren erfolgreich, originell und friedlich gegen viele Auswüchse der Kommerzialisierung protestiert.

Sollten die Innenminister morgen zu weltfremden Beschlüssen und Sanktionen gegen Fans kommen, prognostiziere ich einen Herbst des Fanprotests. Mein Tipp: Holt die Fans ins Boot und arbeitet gemeinsam an den Strukturen eines Fußballs, den wir alle wollen.

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Am Ende wurde es dann doch noch einmal ungewollt spannend. "Heute haben wir es nach dem 2:1, wo wir schon wieder zurückgekommen sind, wieder ein wenig schleifen lassen", sagte Thomas Müller nach dem 4:2-Heimsieg gegen den FC Heidenheim.

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