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Pyrotechnik in der Bundesliga: Absurder Vorstoß von Bremens Innensenator Mäurer

21.09.2024, Bremen: Fu�ball: Bundesliga, Werder Bremen - Bayern M�nchen, 4. Spieltag, wohninvest Weserstadion. Werder-Fans z�nden Pyrotechnik. Foto: Sina Schuldt/dpa - WICHTIGER HINWEIS: Gem�� den Vor ...
Ulrich Mäurer hasst diesen Anblick: Pyrotechnik im Bremer Weserstadion.Bild: dpa / Sina Schuldt
Fußball-Kolumne

Pyrotechnik: Bremens Innensenator betreibt Populismus auf Kosten des Spiels

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In seiner Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
27.09.2024, 12:20

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer bauscht im Umgang mit der Pyrotechnik bei Bundesliga-Spielen ein Problem auf, das es in der Form nicht gibt, um Punktabzug für die Mannschaften zu fordern, deren Fans Bengalos zünden. Die Idee des Sports steht hier im Abseits, weshalb dieser Populismus zu kritisieren ist.

Ein Blick in die offiziellen Zahlen der Polizeistatistik würde genügen, um die Debatte zu versachlichen: In der vergangenen Saison strömten 22,8 Millionen Menschen in die Stadien der Bundesliga, es gab insgesamt 1176 Verletzte. Die Zahl ist in Relation zu der gestiegenen Besucherzahl nicht nennenswert gestiegen und liegt deutlich unter der Quote jedes Volksfestes.

Fanforscher Harald Lange.
Fanforscher und watson-Kolumnist Harald LangeBild: Uni Würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 55-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"

Die Anzahl der Verletzten, die durch den Einsatz von Pyrotechnik in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist im Vergleich zur letzten Saison vor der Coronapause (2018/19) um knapp 40 Prozent zurückgegangen.

Die Vereine machen in Sachen Fanarbeit und Sicherheit seit vielen Jahren einen guten Job. Das liegt auch daran, dass sie Fans einbeziehen und gemeinsam an einer ebenso stimmungsvollen wie sicheren Stadionatmosphäre arbeiten. In Abgrenzung zur Idee des "law and order" wissen wir, dass die beste und nachhaltigste Gewaltprävention aus der Fankurve heraus betrieben wird. Die Zahlen geben den Vereinen recht.

Es würde also vieles dafür sprechen, den Versuch eines Schulterschlusses auch für die Bearbeitung der Debatte um den Einsatz von Pyrotechnik zu nutzen. In Norwegen läuft aktuell beispielsweise ein Projekt an, in dem Möglichkeiten des legalen und sicheren Abbrennens von Pyrotechnik getestet werden.

Weltfremder Vorschlag: Mäurer hat Idee des Sports nicht verstanden

Ulrich Mäurer gießt weiteres Öl in das Feuer einer populistischen Debatte, denn er will nicht nur die Fans, sondern auch die Sportler und den Sport in die Haftung nehmen, wenn in den Kurven Bengalos abgefackelt werden.

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Geplant sind handfeste Eingriffe in den Wettkampfbetrieb, denn Teams, deren Fans zündeln, sollen nach den Vorstellungen des Bremer Innensenators mit Punktabzug bestraft werden.

Falls Mäurers Präventionsidee ähnlich wirksam wäre wie die drakonischen Geldstrafen, die der DFB bei Pyrovergehen verhängt, würden bei vielen Vereinen zum Saisonende kaum noch Punkte in der Tabelle übrig bleiben.

Mit anderen Worten: Der Vorschlag ist weltfremd. Wer so etwas formuliert, hat die Idee des Sports nicht verstanden und lässt den Respekt vermissen, der dem Wettkampfsport und seinen Sportlern gebührt.

Probleme müssen innerhalb der Fankurven gelöst werden

Das Spiel, die Integrität des Wettkampfes, das Gewinnen, Verlieren und die Meisterschaft müssen frei sein. Regulatorische Eingriffe von außen, beispielsweise durch Innensenatoren, Polizei, Staatsanwaltschaften, Parteien oder andere Player aus dem Feld der Politik, müssen fern gehalten werden. Sanktionen, die das Spiel und die Meisterschaft betreffen, dürfen ihre Ursachen nur im Spiel selbst haben.

Probleme, die in der Kurve entstehen, müssen auch dort gelöst werden. Stadionbesucher, die gegen geltendes Recht verstoßen, müssen mit den Mitteln des Rechtsstaates identifiziert, überführt, verurteilt und bestraft werden. Es wäre absurd, die Tabelle, die Meisterschaft und die Fußballspieler hierfür in Haftung nehmen zu wollen.

Rückkehr zur Sachlichkeit ist geboten

Das Pyrothema verlangt nach Handeln und einer Lösung. Auch weil wir seit vielen Jahren erkennen, dass drakonische Strafen und eine Null-Toleranz-Politik in der Praxis das Gegenteil von dem bewirkt haben, was sich diejenigen, die den harten Kurs eingeschlagen sind, erhofft hatten. Aus der Debatte um die Pyrotechnik ist ein Machtspiel geworden. Populistische Vorschläge wie die des Bremer Innensenators heizen dieses unsägliche Spiel nur noch weiter an.

Wir ertragen in diesen Tagen auf verschiedenen Ebenen unseres gesellschaftlichen Miteinanders unerträglichen Populismus und es wäre wohltuend, wenn wir bei den verschiedenen gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit zur Sachlichkeit und zum Streit um die besten Argumente zurückkommen würden. Auch wenn es nur um den Fußball und seine Fans geht.

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