Spielerberater genießen einen zwielichtigen Ruf. Jeder weiß, die Vermittlung und Beratung von Fußballspielern ist ein weltweit vernetztes Milliardengeschäft. Das weckt Neid und Begehrlichkeiten. Die gigantischen Geschäfte werfen aber auch eine Reihe von moralischen Fragen auf und bekommen pädagogische Relevanz, wenn Nachwuchsfußballer im Spiel sind.
Mit der "Beratung" und dem Transfer von minderjährigen Fußballspielern und Kindern hat sich für manche Vertreter der Branche in den letzten Jahren eine besonders attraktive Marktlücke aufgetan. Wem es gelingt, die Talente der Zukunft unter Vertrag zu nehmen, der kann mit einem einzigen Wunderkind reich werden.
Deshalb werden Fußballkinder flächendeckend gescoutet und von den Agenturen und Beratern gebunden. Inklusive des Versprechens, dass der Weg in die Profikarriere geebnet wird.
Demgegenüber wissen wir aus der Talentforschung, dass von 1000 Kindern, die jemals in einem der 56 Nachwuchsleistungszentren (NLZ) Deutschlands Fußball gespielt haben, gerade mal ein Junge den Weg in den Profifußball schafft.
Alle anderen werden aussortiert und viele von denen werden noch ein paar Mal zwischen den NLZ hin und her verkauft, bevor sie dann mit Anfang 20 entweder im Amateurfußball landen oder aber dem Sport den Rücken kehren. Ich meine: Welch ein sinnloser und verächtlicher Handel.
Deshalb gefällt mir die am Dienstag verkündete Entscheidung des FC St. Pauli. Als erster Profiklub Deutschlands hat der Verein verkündet, in seinem NLZ künftig nicht mehr mit Spielerberatern und Agenturen zusammenzuarbeiten.
In einer Stellungnahme des Vereins betont NLZ-Leiter Benjamin Liedtke, dass der FC St. Pauli sich damit klar gegen die Kapitalisierung des Jugendfußballs positioniere: "Wir setzen auf den partnerschaftlichen Dialog mit den Spielern und deren Familien und persönlichen Umfeld."
Der Verein geht noch weiter, denn er lehnt zudem "externes, kommerzielles Individualtraining im NLZ ab" und arbeitet nicht mehr mit den entsprechenden Anbietern zusammen.
Ein radikaler Schritt, denn neben der externen finanz- und vertragsrechtlichen Beratung seiner NLZ-Spieler wendet sich der Verein gleichzeitig auch gegen alle anderen begleitenden Trainings-, Coaching- und sonstigen Dienstleistungen, deren Anbieter den Eltern und Fußballkindern versprechen, dass diese Maßnahmen gut für deren Karriere und Entwicklung sein können.
Wenn es dem Klub gelingen sollte, Alternativen aus eigener Hand anzubieten und den Eltern ein glaubwürdiges Konzept zur optimalen Förderung des Nachwuchses vorzulegen, dann wird das Modell "St. Pauli" Schule machen und gegebenenfalls auch von anderen Vereinen übernommen werden.
Die nächsten Monate und Jahre werden zeigen, ob der Verein seine Strategie durchziehen kann und wie sich die Verantwortlichen bei den wenigen Top-Talenten verhalten werden, die gegebenenfalls in einem Graubereich auch weiterhin mit Spielerberatern, Agenturen und externen Trainern zusammenarbeiten möchten.
Schickt man die nach Hause? Lässt man sie zu anderen Leistungszentren abwandern? Verlangt man dann auch eine Ablösesumme? Oder bleibt man auch in dieser Frage dem Anspruch auf kommerzfreien Jugendfußball treu und verzichtet auf die sogenannte Ausbildungsentschädigung?
Die Kritik an Spielerberatern folgt oftmals nur einer schlichten Begehrlichkeit, denn deren Umsätze sind auch in der Bundesliga gigantisch. Die aktuellen Bundesligisten haben im letzten Jahr knapp 200 Millionen Euro für die Vermittlungsdienste von Spielerberatern ausgegeben.
Bayern München führt diese Tabelle mit 35,4 Millionen Euro an. Danach folgen Leipzig (31,2 Mio.) und Dortmund (26,4 Mio.). Im Mittelfeld befinden sich Mannschaften wie Frankfurt (11,9 Mio.) und Stuttgart (8,2 Mio.) und am Ende dieses Rankings die beiden Aufsteiger aus Darmstadt und Heidenheim, die deutlich unter der Millionengrenze liegen.
Interessant ist, dass auch Traditionsvereine wie Hertha BSC (12,1 Mio.) oder der FC Schalke 04 (7,2 Mio.) trotz klammer Kassen so richtig viel Geld für Spielerberater auf den Tisch legen.
Die Branche boomt und steht gleichzeitig im Zwielicht. Auch weil niemand so wirklich weiß, was die Berater eigentlich leisten. An dieser Stelle brauchen wir mehr Transparenz und Hintergrundinformationen.
Zu Beginn der Corona-Pandemie verpasste Christian Seifert, der damalige Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), den Kollegen einen dicken Makel. In einem viel beachteten Interview in der "FAZ" vom 21. April 2020 holte er zu einem Rundumschlag gegen die Überkommerzialisierung in der Branche aus und verortete die Spielerberater im Kern seiner Kommerzkritik.
"Da geht es um Spielergehälter, schamlos zur Schau gestellten Reichtum, Ablösesummen sowie Berater, die Millionen kassieren für einen Musterarbeitsvertrag, den sie bei uns aus dem Internet herunterladen können. Und das einfach nur deshalb, weil sie den richtigen Dreiundzwanzigjährigen kennen. Das sind für uns alle die neuralgischen Punkte", sagte er.
Der Schritt, den der FC St. Pauli gegen die Spielerberater und andere externe Dienstleister im Jugendfußball geht, wirkt auf den ersten Blick sympathisch. Zumindest so lange, wie wir Spielerberater tatsächlich nur als Gelddrucker und Geschäftsleute sehen.
Gegenüber den Machenschaften des Geldfußballs müssen Kinder und Jugendliche geschützt werden. Da sind Transparenz, Verantwortung und Fürsorge ein absolutes Muss!
Gleichzeitig sei aber auch daran erinnert, dass die Erfolgsbilanz der NLZ in Hinblick auf den Weg ihrer Talente in den Profifußball ernüchternd ausfällt. Der Anteil an sogenannten Eigengewächsen ist in der Bundesliga dramatisch zurückgegangen.
Deshalb werden wir die Entwicklung der Jugendarbeit des FC St. Pauli und aller anderen Vereine, die es entweder genauso machen wollen, oder andere Wege finden, genau verfolgen.
Die Herausforderungen für eine zeitgemäße Jugendarbeit sind gigantisch. Da müssen die Klubs weitaus mehr tun, als FUNiño zu spielen und Spielerberater sowie andere externe Trainer zu verbannen. Ich bin gespannt.