
Die Bremer Maximilian Eggestein (v.r.n.l.), Nuri Sahin und Marco Friedl diskutieren nach dem vermeintlichen Handspiel des Leverkuseners Nadiem Amiri mit Schiedsrichter Martin Petersen.Bild: imago images/Team 2
Fußball
Hand oder kein Hand? Es ist die wohl seit Jahren meist diskutierte Frage im Fußball. Der Videoschiedsrichter und eine Regeländerung konnten da bisher nicht helfen. Auch am neunten Spieltag der Fußball-Bundesliga
führten Fans, Experten, Trainer, Spieler und Schiedsrichter mal wieder die lästige Debatte über das Handspiel. Gleich in drei Spielen rückten die Referees in den
Fokus und sorgten mit ihren Entscheidungen, jeweils keinen Elfmeter
zu pfeifen, für Unverständnis und Unmut.
Die sportliche Leitung der Elite-Schiedsrichter im Deutschen
Fußball-Bund stärkte den gescholtenen Unparteiischen am Sonntag in
zwei Fällen den Rücken und sprach nur in einer Situation von einer
Fehlentscheidung. Dennoch: Trotz einer intensiven Schulung vor der
Saison herrscht in der Liga ein Gefühl, das Bremen-Profi Maximilian
Eggestein auf den Punkt brachte:
"Ich habe keine Ahnung mehr, was Handspiel ist."
Das waren die drei Fälle:
1. Der Fall in Mainz
Beim 3:1-Sieg des FSV Mainz 05 im Kellerduell gegen
Aufsteiger 1. FC Köln forderten die Gäste am Freitagabend beim Stand
von 1:2 vehement Elfmeter, nachdem FSV-Verteidiger Moussa Niakhaté
den Ball bei einer Flanke von Kingsley Schindler für alle deutlich
sichtbar an den abgespreizten Arm bekommen hatte.
Sehr zum Ärger der Kölner zeigte Schiedsrichter Frank Willenborg
aber nicht auf den Punkt – und das, obwohl er sich die Szene nach
Intervention des Video-Assistenten noch einmal am TV-Bildschirm
angesehen hatte. "Da gibt es keine zwei Meinungen. Für mich war das
ein klarer Elfmeter. Mit dem Videobeweis fühlt es sich noch viel
beschissener an", polterte FC-Coach Achim Beierlorzer.

Schiedsrichter Frank Willenborg beim Sichten des Videobeweises.Bild: imago images/Jan Huebner
Auch Kölns Sportdirektor Armin Veh echauffierte sich: "Wenn der
Schiedsrichter es nicht sieht und es keinen Videobeweis gibt – okay.
Aber wenn man sich die Szene am TV anschaut und dann sagt, es war
kein Elfmeter – dann weiß ich nicht mehr. Wenn das kein Elfmeter ist,
habe ich die Regelschulung nicht verstanden. Da kann man ja jetzt
immer die Arme abspreizen."
Bestätigt wurden beide durch die sportliche Leitung der
Elite-Schiedsrichter um Boss Lutz-Michael Fröhlich, die die Szene als
Fehlentscheidung bewertete. "In dieser Situation handelt es sich um
ein strafbares Handspiel", hieß es in einer DFB-Mitteilung am
Sonntag. Man hätte sich "gewünscht, dass der Schiedsrichter seine
Entscheidung korrigiert und auf Strafstoß entscheidet".
2. Der Fall in Leverkusen
Ähnliche Aufregung gab es nach dem
Samstagabend-Spiel Bayer Leverkusen gegen Werder Bremen (2:2). In der
Nachspielzeit hatte sich Bayer-Profi Nadiem Amiri in eine Hereingabe
geworfen und den Ball in Torwartmanier mit beiden Händen blockiert.
Schiedsrichter Martin Petersen wertete die Szene als sogenannte
Abstützhaltung – was seit Sommer nicht mehr als strafbar gilt und
deshalb nicht geahndet wird.
Vielleicht hätte der Referee seine Entscheidung beim Videostudium
revidiert. Doch aus dem Kölner Keller, wo die Video-Assistenten
sitzen, kam nichts. "Wenn der Videobeweis in einer solchen Szene
nicht genutzt wird, wann dann?", fragte Eggestein. Stürmer Davy
Klaassen vermutete: "Vielleicht war der Video-Assistent schon weg."
Der DFB sieht es anders. "Der Schiedsrichter hatte zu dieser
Situation eine klare Wahrnehmung und den Vorgang bewertet. Die
Sichtung des Videomaterials lieferte keine klare und offensichtlich
andere Information. Daher war es richtig, dass der Video-Assistent
nicht intervenierte", hieß es.
Für Bremens Trainer Florian Kohfeldt war die Sache auch ohne
Videobeweis klar. "Ich war früher Torwart und so bin ich in Bälle
reingegangen. Das war kein Abstützen, das war ein Reinrutschen",
befand er. Nach Ansicht der Schiedsrichter-Führung sei eine bewusste
Abwehraktion mit den Armen zum Ball im Bewegungsablauf des Spielers
jedoch nicht zweifelsfrei auszumachen gewesen.
3. Der Fall auf Schalke
Beim emotionalen Revier-Derby Schalke 04
gegen Borussia Dortmund (0:0) sprang BVB-Profi Thorgan Hazard der
Ball nach einer Ecke an die Hand – doch die Pfeife von Referee Felix
Brych blieb stumm. Und wie in Leverkusen sah der Video-Assistent
keinen Grund zum Eingreifen. Sascha Riether, Koordinator der
königsblauen Lizenzspielerabteilung, sprach von einem klaren Elfmeter
und kommentierte die Situation mit Galgenhumor: "Vielleicht war es
dunkel im Kölner Keller."
Der DFB kam zu einer anderen Bewertung. Hazard sei "nicht zur
Abwehr auf den Ball orientiert" gewesen und habe auch die
Körperfläche nicht unnatürlich vergrößert. "Die Entscheidung,
weiterspielen zu lassen, ist korrekt. Der Video-Assistent greift
zurecht nicht ein, da der Schiedsrichter den Vorgang selbst
wahrgenommen und in der beschriebenen Weise bewertet
hatte."
Eines ist jedoch glasklar: Die Handspielregel ist noch immer für kaum einen Beobachter zu verstehen und wird wohl auch weiterhin für hitzige Debatten sorgen.
(bn/dpa)
Das Topspiel zwischen Bayer Leverkusen und dem FC Bayern am Samstagabend hatte wirklich vieles zu bieten: harte Zweikämpfe in der Anfangsphase, berauschende Dribblings von Florian Wirtz oder auch krachende Abschlüsse an den Querbalken des FCB-Gehäuses.