Beim Berlin-Derby am Samstag kassierte Hertha die fünfte Derby-Pleite in Serie. Die Niederlagen gegen den Stadtrivalen Union Berlin schmerzen umso mehr, da die erst 2019 aufgestiegenen Köpenicker doch der Kleine David zu Herthas Goliat sein sollten. Stattdessen ist Union jetzt Vize-Herbstmeister, und Hertha steht ein Abstiegskampf bevor, der nach drei Niederlagen zum Jahresauftakt richtig weh tun wird.
Der Derby-Frust war nach dem Spiel auch Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic anzumerken: Die Frage nach der Jobsicherheit von Trainer Sandro Schwarz wurde dem Hertha-Boss von allen Seiten gestellt, als ein RBB-Reporter das Thema zum zweiten Mal ansprach, platzte Bobic der Kragen. Zu dem Zeitpunkt wusste er noch gar nicht, dass sein eigener Rausschmiss kurz bevorstand.
Ob Bobic, der in den letzten Wochen immer wieder das Vertrauen in Sando Schwarz betont hatte, zumindest die öffentliche Diskussion um den Trainer nachvollziehen könne, wollte der Reporter wissen. "Nein", entgegnete Bobic dünnlippig, ehe er sich abwendete und das Interview beendete.
Offensichtlich ärgerte Bobic der Interview-Stil des Sportjournalisten aber so sehr, dass er sich einen Tipp fürs nächste Mal nicht verkneifen konnte: "Wenn du nochmal fragst, kriegst du eine gescheuert", brabbelte Bobic beim Abgang bedrohlich. Dass sich Bobic nicht etwa einen missglückten Scherz erlaubt hatte, war angesichts seiner Wut offensichtlich.
Fragen nach der Jobsicherheit von Sandro Schwarz wird sich Bobic nun nie wieder stellen müssen. Während die Hertha den Klassenerhalt zwar weiterhin mit Trainer Schwarz schaffen will, ist Bobic inzwischen nicht mehr Geschäftsführer des Hauptstadt-Klubs.
Am Montagmittag entschuldigte sich Bobic dann auf für seine Aussage. "Es tut mir sehr leid, da habe ich zu emotional reagiert", sagte er. "Das sollte man im Fußball kurz nach einem Spiel bitte nicht überbewerten." Der Spruch sei nicht so gemeint gewesen.
Noch am Samstagabend besiegelten Präsidium und Aufsichtsrat das Bobic-Aus bei Hertha. Am Sonntag bezog Präsident Kay Bernstein auf einer Pressekonferenz Stellung: "Es ist keine aktive Entscheidung gegen Fredi Bobic, sondern eine aktive, bewusste Entscheidung für einen Hertha-Weg", betonte der Vereinspräsident diplomatisch.
Trotzdem ist klar: Mit dem Rausschmiss reagiert Bernstein auf die sportliche Talfahrt der Hertha, für die auch Bobic Verantwortung übernehmen muss. Insbesondere die Kaderplanung des 51-Jährigen verlief weniger erfolgreich als erhofft: Zahlreiche Spieler, die Bobic in seinen anderthalb Jahren geholt hatte, waren offensichtlich Flops, und sind mittlerweile wieder weg.
Andere Spieler, die Bobic im Zuge seines angestrebten Radikal-Umbruchs unbedingt loswerden wollte (aber nicht konnte), sind auf einmal Leistungsträger beim Keller-Klub – Beispiel: Dodi Lukebakio.
In der Winterpause soll Bobic betont haben, dass man im Abstiegskampf auf die vorhandene Mannschaft vertrauen müsse. Auch aufgrund der begrenzten finanziellen Möglichkeiten hatte Bobic keine weiteren Neuzugänge geplant.
Bernstein sah das anders, offenbar hätte er sich wohler gefühlt, das Team im Kampf um den Klassenerhalt noch punktuell zu verstärken: So soll er unter anderem eine Verpflichtung des derzeit vereinslosen Max Kruse vorgeschlagen haben, wie "Bild" berichtet.
Bobic war dagegen, am Ende vertraute der Präsident auf die Einschätzung seines Geschäftsführers. Nach den Niederlagen gegen Bochum, Wolfsburg und Union bereut Bernstein diese Entscheidung offenbar.
Zudem soll sich Bobic intern auch einige Feinde gemacht haben: Seit seinem Amtsantritt vor anderthalb Jahren hat Hertha einige Vereinslegenden verloren, Bobics Anteil daran kam im Verein wohl nicht gut an.
Ex-Hertha-Trainer Pal Dardai – nebenbei auch noch Fan-Liebling und Rekord-Spieler des Klubs – wurde von Bobic rausgeschmissen, Sportdirektor Arne Friedrich wurde von Bobic entmachtet, ehe er freiwillig ging. Auch der Vertrag von Andreas "Zecke" Neuendorf als Co-Trainer wurde unter Bobics Geschäftsführung aufgelöst.
Nun ist "Zecke" wieder da: Zusammen mit Benjamin Weber, dem langjährigen Leiter der Nachwuchsakademie, der ebenfalls unter Bobic gehen musste, soll der Fanliebling die Aufgaben des entlassenen Geschäftsführers übernehmen. Weber übernimmt den Posten des Sportdirektors, "Zecke" soll als Schnittstelle zum Nachwuchsbereich agieren.
Ob ihnen bis zum Schließen des Transferfensters am Dienstag noch Neuverpflichtungen gelingen, bleibt abzuwarten.