
Thomas Müller steht unmittelbar vor einem Wechsel nach Vancouver.Bild: IMAGO images / Sven Simon
Interview
Thomas Müller steht unmittelbar vor einem Wechsel zu den Vancouver Whitecaps. Sein ehemaliger Mitspieler Florian Jungwirth kennt das Team bestens: Er stand als Spieler und als Trainer in Vancouver unter Vertrag.
31.07.2025, 14:5231.07.2025, 14:52
Geboren und fußballerisch sozialisiert im Großraum München, Karriereende in Vancouver: Was nach Thomas Müller klingt, gilt auch für Florian Jungwirth. Der 36-Jährige begann seine Laufbahn einst bei 1860, spielte in den U-Nationalteams zweimal an der Seite von Müller.
Mit 28 wechselte Jungwirth in die MLS, zunächst zu den San José Earthquakes, anschließend zu den Vancouver Whitecaps. 2023 beendete er dort seine Karriere als aktiver Profi, startete bei den Kanadiern direkt eine Trainerkarriere. Im Sommer 2024 kehrte er schließlich mit der Familie nach Deutschland zurück, trainiert heute die U17 des VfL Bochum.
Vancouver und die MLS hat er aber nicht aus dem Blick verloren, für Müller hat Jungwirth daher eine ganze Reihe an guten Tipps parat.
Watson: Können die Coast Mountains mit den Alpen mithalten?
Florian Jungwirth: Auf jeden Fall! In puncto Natur gibt es kaum schönere Orte auf dieser Welt als Vancouver. Das hat bei meiner Frau und mir den Abenteuersinn gestärkt, wir haben sehr viel Zeit in der Natur verbracht.

Florian Jungwirth spielte zum Ende seiner Karriere in Vancouver.Bild: IMAGO images / USA TODAY Network
Und wie bewertest du als Bayer die Bierkultur?
Das US-amerikanische Bier war nicht so meins, in Kalifornien habe ich mich eher an den Wein gehalten. Ich bin aber auch nicht so der Biertrinker.
Was muss man in Vancouver und Umgebung noch erlebt und gesehen haben?
Von der Lebensqualität her ist Vancouver die beste Stadt der Welt, da kommt keine andere Stadt heran. Es ist die perfekte Mischung: Du bist am Meer, hast aber auch die Berge. Dazu ist die Stadt modern, die Menschen sind toll.
Sticht ein Ort heraus?
Es gibt viele vorgelagerte Inseln. Da liegt auch ein absolutes Muss: einmal mit der Fähre nach Vancouver Island fahren und dort den Ort Tofino besuchen.
"Das ist ein Transfer mit riesiger Strahlkraft. Das hat es bei den Whitecaps in der Größenordnung noch nie gegeben."
Wie sportverrückt ist diese Stadt?
Eishockey ist die Sportart Nummer Eins, das merkt man. Die Leute sind aber generell sportbegeistert, im Fußball geht der Zuschauerschnitt seit Jahren nach oben. Seit letztem Jahr ist auch ein Frauenteam dabei. Da merkt man: Fußball ist allgegenwärtig.
Thomas Müller unterschreibt bei den Whitecaps: Ist das ein guter Schritt für ihn?
Ja, klar! In Nordamerika gibt es keinen schöneren Ort als Vancouver, und er ist ja auch ein Naturmensch.

Naturbursche: Thomas Müller.Bild: imago images / Lackovic
Und für die Whitecaps?
Es ist ein smarter Move, es geht seit Jahren voran. Sie spielen eine gute Saison, sind Zweiter in ihrer Conference. Ein Jahr vor der WM kommt Euphorie auf. Dann noch einen Thomas Müller dazu zu holen, ist phänomenal.
Alphonso Davies hat schon in Vancouver gespielt, mit Startransfers haben sich die Whitecaps ansonsten zurückgehalten.
Außer bei meiner Verpflichtung (lacht). Nein, das ist jetzt ein Transfer mit riesiger Strahlkraft. Das hat es bei den Whitecaps in der Größenordnung noch nie gegeben.
Du hast knapp anderthalb Jahre für die Whitecaps gespielt, stammst wie Müller aus dem Großraum München. Hat er sich bei dir mal erkundigt?
Das behalte ich für mich.
Pflegst du noch Kontakte zu deinem Ex-Klub?
Ja, ich war mit meiner Frau erst im April in Vancouver. Wir fühlen uns dort heimisch und haben viele Kontakte.
In Vancouver müssen sie ob des Müller-Deals doch völlig aus dem Häuschen sein.
Wie ich die Jungs kenne, sind sie ungläubig. Aber wenn Thomas da ist, werden ihn alle gut aufnehmen und dann wird ein Hype entstehen.

Thomas Müller (obere Reihe, m.) und Florian Jungwirth (obere Reihe, r.) spielten gemeinsam für den DFB-Nachwuchs.Bild: IMAGO images / Dünhölter SportPresseFoto
Wie viel hat sich seit deinem Abschied verändert?
In der Außenbetrachtung der Liga werden oft nur Miami oder die LA-Klubs gesehen, die MLS hat aber mehr zu bieten. Die Whitecaps gehören zu den Vereinen, die sich ein tolles System mit jungen Spielern aufgebaut haben.
Traust du dem Team diese Saison, gerade mit Müller, den erstmaligen Titelgewinn zu?
Das Potenzial war auch in den letzten Jahren schon da, die bisherige Saison ist für mich keine Überraschung. Ich traue ihnen daher auch den Titelgewinn zu. Thomas Müller ist dabei sicherlich ein Boost.
"Thomas hat 15 Jahre bei den Bayern gespielt. Der mediale Druck in Nordamerika ist ein Fliegenschiss dagegen."
Kommt der Fußball in der MLS im Allgemeinen und der Spielstil in Vancouver im Speziellen Müller entgegen?
Offensivspielern kommt die MLS immer entgegen. Taktisch ist die MLS noch meilenweit von den Topligen entfernt. Offensivspieler bekommen viele Aktionen, viel Platz. Vancouver hat einen europäischen Trainer, hat auch taktisch eine bessere Struktur. Das macht einen großen Unterschied. Thomas ist dort gut aufgehoben.

Der Däne Jesper Sørensen ist Trainer in Vancouver.Bild: IMAGO images / Imagn Images
Gehälter bleiben hierzulande weitgehend unter Verschluss, in der MLS hat ein Designated Player ganz offensichtlich einen besonderen Status. Wie geht man damit innerhalb der Mannschaft um?
Es verändert gar nichts. Ich hatte anfangs Bedenken, aber für die Spieler ist es normal. Die Jungs machen stattdessen ihre Späße darüber, wer bei den anderen Teams überbezahlt ist. Und als DP hat man eher Druck von den Medien. Aber Thomas hat 15 Jahre bei den Bayern gespielt. Der mediale Druck in Nordamerika ist ein Fliegenschiss dagegen – das wird also überhaupt kein Problem für ihn.
"In dem Spiel bin ich gefühlt dreimal gestorben und wieder auferstanden."
Die MLS ist auch eine Liga der extremen Wetterbedingungen. Wie hast du die Unterschiede wahrgenommen?
Gerade am Anfang ist es extrem schwierig. Ich wurde zwar vorgewarnt, war aber naiv. Ich dachte, ich würde Hitze von zu Hause kennen. Dann musste ich nach Kansas, da war meine Hose schon nach dem Warm-up klitschnass. Es hat sich wie ein Dampfbad angefühlt. In dem Spiel bin ich gefühlt dreimal gestorben und wieder auferstanden. Das kann man nicht vergleichen. Der europäische Körper ist dafür nicht gemacht.
Kann man sich trotzdem darauf vorbereiten?
Man muss versuchen, sich unter der Woche möglichst professionell vorzubereiten. Das war in den ersten Jahren noch schwierig. Wir sind vier Stunden zu den Auswärtsspielen geflogen – und zwar mit Linienflügen. Da steigt man mit Rücken- und Knieschmerzen aus. Man muss auch ein Stück weit akzeptieren, dass man nicht seine Topleistung zeigt, dass man nach 60 Minuten platt ist. Dann kann man auch wieder etwas besser performen.
Es betrifft aber nur die Auswärtsspiele?
Ja, in Vancouver ist das Klima mild und angenehm. Die Winter dort kann man mit denen im Ruhrgebiet vergleichen, weil es wenig schneit.
Nochmal zurück zu Müller: Er ist weit mehr als ein guter Fußballer, er ist ein Kultkicker. Mag man solche Typen in Kanada?
Absolut! Thomas kann seinen Humor auch auf Englisch gut herüberbringen. Die Kanadier werden ihn lieben. In den USA ist das etwas schwieriger, die sind etwas prüde. In Vancouver kann Thomas sein Sprüchefeuerwerk direkt abbrennen.
Du warst insgesamt sechs Jahre in der MLS: Hast du noch einen abschließenden Tipp für Müller?
Er soll es genießen! Es ist ein Abenteuer, das über das Sportliche hinausgeht. Es ist eine Lebenserfahrung, die ich jedem Menschen empfehle. Es prägt dich.