Laura Freigang ist eine der besten deutschen Fußballerinnen. Mit ihren 24 Jahren ist sie eine der Hoffnungsträgerinnen des DFB und gehört bei Eintracht Frankfurt zu den Leistungsträgerinnen. Seit vier Jahren trägt sie das Trikot der Hessen, zuerst beim 1. FFC Frankfurt, der sich später der Eintracht anschloss. Zuvor war sie in den USA, spielte und studierte an der Pennsylvania State University.
Gleichzeitig macht Freigang auch außerhalb des Platzes von sich reden. Sie ist meinungsstark, geht voran und gilt als eine der bedeutendsten Stimmen des Frauenfußballs der Zukunft.
Warum das so ist, erlebt man auch im Interview mit watson. Vor der Wahl des neuen DFB-Präsidenten spricht sie über ihre Forderungen an den Verband, vom Sport ausgeschlossene Russinnen und Russen, die nicht enden wollenden Vergleiche mit dem Männerfußball und die Frage, wie gut (oder auch nicht) sie als Fußballerin eigentlich verdient.
Frau Freigang, es fällt schwer, aktuell ein Interview zu führen, ohne über das zu sprechen, was in der Ukraine geschieht. Wie erleben Sie als Sportlerin den Krieg?
Laura Freigang: Ich glaube, zuallererst erlebt man diese Situation als Mensch. Es ist alles total schrecklich und macht Angst. Andererseits erkennt man auch, über wie viele unwichtige Kleinigkeiten man sich oft im Alltag ärgert. Dennoch versuche ich auch etwas Positives zu sehen. Es ist schon beeindruckend, wie solidarisch gerade auch in Deutschland viele Menschen momentan sind. Das war in den vergangenen Jahren ja nicht immer so.
Beim Sport wird sehr oft darüber gestritten, wie politisch er sein darf. Wie sehen Sie das?
Ich bin da geprägt von den USA. Sportler sind Menschen. Menschen haben Meinungen. Warum sollte man uns den Mund verbieten? Sport ist Unterhaltung, während ich spiele, stoppe ich ja nicht, um irgendein Schild hochzuhalten. Aber nach dem Spiel oder in den sozialen Netzwerken ist es doch eine Riesenchance, wenn Sportler sich positionieren. Man sagt so oft, dass Sportler Vorbilder seien. Dann muss man es auch sein dürfen.
So gut wie alle Verbände haben die russischen Sportlerinnen und Sportler nun aus den Wettbewerben ausgeschlossen. Finden Sie das richtig?
Ja. Weil es hier um mehr als Sport geht. Es gibt gar keine Alternative zu diesen Entscheidungen. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich fühle als Sportlerin mit den Russinnen und Russen, die sind nur die Leidtragenden und wollen keinen Krieg, sondern auch nur ihrem Sport nachgehen. Aber darum geht es in der aktuellen Welt eben nicht mehr.
Auch während der Corona-Pandemie war Sport oft nur noch Nebensache. Für Sie auch?
Dass unser Sport oft fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat, das war natürlich schwierig. Zumal genau in diese Phase die Fusion mit der Eintracht fiel. Aber ich kann mich echt nicht beschweren. Ich war total froh, dass wir überhaupt weiterhin unserem Job nachgehen durften. Im Gegensatz zu den Millionen Freizeitsportlern.
Ich hatte dadurch weiterhin viele Kontakte, bin mit der Nationalmannschaft und der Eintracht unterwegs gewesen. Das war eine privilegierte Situation, da sollte ich nicht über irgendetwas jammern.
Nun sind die Zuschauer zurück. Nervt Sie eigentlich der Vergleich mit den Fanzahlen bei den Herren?
Für mich zählt, was die Menschen sagen, die vielleicht das erste Mal bei uns waren. Natürlich ist’s eine andere Atmosphäre bei uns, das kannst du nicht vergleichen mit einem ausverkauften Heimspiel der Herren-Eintracht. Ich höre ganz oft, dass die Besucher überrascht sind und mir danach erzählen, dass sie den ehrlichen Sport schätzen. Am Ende ist doch die Frage: War es unterhaltsam oder nicht? Das einzige, was ich mir wünsche, ist, uns eine Chance zu geben. Wenn dann jemand nichts mit uns anfangen kann, bin ich die Letzte, die jemanden ins Stadion zwingen möchte. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir etwas zu bieten haben. Das geht bei der Nähe und ein bisschen weniger Trubel los.
Sie sprechen von "ehrlicherem Fußball". Wie meinen Sie das?
Ich will nicht werten, ich zitiere da nur. Weil ich die Vergleiche selbst gar nicht so mag. Es wird ja auch oft negativ wahrgenommen, wenn wir etwas fordern oder kritisieren. Aber natürlich ist es auch Tatsache, dass bei den Männern sehr, sehr viel Geld drinsteckt und sehr viel Politik gemacht wird. Das wirkt sich auch auf die Spieler aus. Ohne ihnen das vorwerfen zu wollen.
Viele treue Fans in den Kurven wenden sich mehr und mehr von den Machenschaften der Verbände und damit auch den Vereinen ab. Kann das für die Fußballerinnen eine Chance sein?
Auf jeden Fall. Ich glaube, man kann sich mit uns identifizieren. Wir sind nicht so abgespalten von der Gesellschaft, wie es vielleicht der Männerfußball in vielerlei Hinsicht einfach ist, auch aufgrund des Geldes.
Dennoch wartet man bei Ihnen noch immer auf ausverkaufte Stadien.
Ich glaube, dass die Grundlage mittlerweile sehr gut gelegt ist. Es braucht noch diesen einen Moment, diesen einen Funken. In den Niederlanden beispielsweise haben die Frauen den Titel geholt, das hat einen richtigen Hype ausgelöst. Mal schauen, was nach der EM in England geschieht. Uns fehlt diese eine Situation – mit ein wenig Glück kann sich dann schnell viel verändern.
Wäre für Sie irgendwann ein Wechsel ins Ausland eine Option, wenn man dort vor mehr Zuschauern spielt?
Ehrlicherweise würde ich das im Moment lieber in Frankfurt erleben. Auch wenn ich nicht weiß, was kommt. Ich habe ja erst meinen Vertrag verlängert, ich bin Nationalspielerin. Ich dachte lange Zeit, ich würde den Fußball nutzen wollen, um viel herumzukommen. Mittlerweile habe ich eher das Gefühl, dass ich dort bin, wo ich sein möchte.
Das klingt, als hätten Sie keinen fixen Karriereplan.
Nein. Es geht so oft so schnell im Sport. Ich weiß nur, dass ich mit der Eintracht in die Champions League will. Das haben einige Verantwortliche vor der Saison ja nicht so gern gehört von mir. Aber nun sind wir punktgleich mit dem Dritten und plötzlich höre ich von den Bossen ähnliches. (Lacht.) Und ich möchte mich in der Nationalmannschaft als Stammspielerin etablieren und ihr zu weiteren Erfolgen verhelfen.
Welche Ziele haben Sie für die EM im Sommer?
Wir können, was das Potenzial angeht, jeden schlagen. Davon bin ich überzeugt. Mehr würde ich aber nicht prognostizieren wollen. Wir haben eine schwere Gruppe, es ist Krieg, es ist Corona – mal schauen, wie wir zum Turnier fahren. Aber ich traue uns was zu. Alles und nichts. Kaum zu sagen.
Was auch immer Sie erreichen, Sie werden nicht das gleiche Geld bekommen wie die Männer-Nationalmannschaft. Wie frustriert sind Sie?
Dass wir Frauen in den Klubs nicht das Gleiche verdienen können wie die Männer, das ist ja nur logisch – die Vereine müssen sich refinanzieren. In der Nationalmannschaft wäre das möglich. Wenn der DFB dieses Signal aber nicht setzen will, dann ist es eben so. Auch wenn es in anderen Ländern schon geht. Die Sache ist: Die Männer leben ohnehin nicht vom Geld des DFB, deshalb muss ich das nicht nachvollziehen können. Aber es geht uns ja nicht nur ums Geld. Es wäre nur ein plakatives Zeichen, dass man uns wirklich so ernst nimmt wie die Männer.
Am Freitag wird ein neuer DFB-Präsident gewählt. Was erwarten Sie von ihm?
Ich nehme mir den DFB in meiner Kritik immer ein bisschen heftiger vor, weil ich finde, dass er als gemeinnütziger Verein eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft hat. Und das heißt: Er darf nicht nur fördern, was Ertrag bringt. Ich wünsche mir vom zukünftigen DFB-Präsidenten, dass der Frauenfußball voll mitgenommen wird, gefördert wird. Andere Länder machen es vor.
Wir fordern echt keine utopischen Dinge – und uns Profifußballerinnen geht es auch nicht schlecht. Mir geht es nicht nur um die Elite, sondern den Breitensport. Es ist an der Zeit, endlich für Gleichstellung zu sorgen. Auch bei der Förderung des Nachwuchses und des Breitensports.
Sie als Profisportlerin müssen vom Fußball dennoch leben. Reicht das Geld, um am Ende des Monats was für die Rente zur Seite zu legen?
Was ich sagen kann: Ich werde auf jeden Fall nicht in Rente gehen können, wenn ich mit dem Fußball fertig bin. (lacht) Muss ich aber auch gar nicht. Ich glaube, ich bin irgendetwas zwischen grundsätzlich positiv und naiv bis blauäugig. Ich mache mir da keine Sorgen.
Warum nicht?
Ich komme grade echt gut über die Runden. Mich interessiert die Medienarbeit, ich studiere – ich würde gar nicht aufhören wollen zu arbeiten nach der Karriere, ich bin ja auch erst 24. Ich sehe es andersrum: Ich muss nicht darüber nachdenken, als Fußballerin noch arbeiten zu gehen, weil ich Profi sein darf. Das macht mich schon zufrieden. Und über die Rente reden wir dann irgendwann.
Hilft es Ihnen denn, mit Social Media eine Plattform zu haben, die Sie für Ihre Zwecke nutzen können?
Auf jeden Fall. Social Media ist für uns eine Riesenchance. Ich find es gleichzeitig oft schwierig und bin auch nicht unkritisch eingestellt. Aber ich nutze es für den direkten Kontakt, für Aktivitäten mit Sponsoren und einen ehrlichen Einblick in meine Welt. Und wenn ich in Zeiten wie diesen ein Statement setzen will, dann setze ich es. Ohne mit jemandem diskutieren zu müssen.
Und es überrascht Sie vermutlich auch nicht, dass Sie auf Social Media kritisiert werden, wenn Sie einem Interview sagen, die männlichen Fußballer würden mehr Gucci-Handtaschen tragen als Sie und Ihre Mitspielerinnen, oder?
(Lacht.) Ach, die Geschichte… Nein. Mittlerweile weiß ich, was passiert, wenn die Worte meinen Mund verlassen. Und das ist auch okay. Das einzige, was mich noch immer nervt, ist, wenn Dinge aus dem Kontext gerissen werden. Und man dann den Hate abbekommt wegen eines Satzes, der einfach nur flapsig im Gespräch entstand und überhaupt nicht böse gemeint war. Und wissen Sie was: Mir sind sogar die Kommentare egal.
Aber es nervt, dass manche Menschen einfach Spaß daran haben, uns Fußballerinnen als unzufriedenen Haufen darzustellen. Weil das ist doch Quatsch. Oder schätzen Sie mich hier nach diesem Gespräch so ein, als wäre ich mit meiner Welt unzufrieden?