
Benedikt Höwedes begleitet die Champions League am Mikrofon von Prime Video.Bild: IMAGO images / Pakusch
Interview
28.01.2025, 15:5928.01.2025, 16:24
Mittwochabend, Flutlicht, Fußball – Champions League! Diese Woche trifft sich Europas Fußballelite ein letztes Mal in dieser Saison im Rahmen der Ligaphase. Der FC Bayern, der BVB, der VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen sind dann mittendrin.
Im watson-Interview spricht Prime-Video-Experte Benedikt Höwedes über die Chancen der deutschen Teams, den neuen Modus und Hansi Flick.
Watson: Du hast 46 Spiele im alten CL-Modus absolviert, dir nun auch den neuen Modus ausgiebig anschauen können. Welcher gefällt dir besser?
Benedikt Höwedes: Ich war zu Beginn der Saison noch etwas skeptisch, finde den neuen Modus jetzt aber sehr spannend. Wenn man sich anschaut, wer unter den ersten Acht steht und wer dahinter noch um die Playoffs kämpft – das ist schon interessant und hat meine Neugierde geweckt. Es ist aber schwer zu sagen, ob der Modus besser als der alte ist. Beide haben ihren Reiz.
Warum warst du anfangs skeptisch?
Weil es neu war und die Vermutung im Raum stand, dass der Modus nur des Geldes wegen verändert wurde. Ein anderer Grund waren die Heimspiele: Wenn du früher Real Madrid oder Barcelona gezogen hast, wusstest du, dass du auf jeden Fall ein Heimspiel gegen die hast. Jetzt triffst du zwar trotzdem auf Topteams, aber es ist nicht gewährleistet, dass dann Real kommt. Vielleicht kommt dann Paris. Das fand ich aus Fanperspektive erstmal schade.
"Das wird eine krasse Konferenz. Wie will man es hinkriegen, das alles abzubilden?"
Und doch überwiegt das positive Gefühl.
Wir hatten trotzdem hochkarätige Spiele, haben Spannung in der Tabelle und sehen Schwierigkeiten bei den großen Teams. Am letzten Spieltag kann keiner mit halber Kraft spielen, da müssen alle noch kämpfen. Das finde ich erfrischend.
Am letzten Spieltag laufen 18 Partien parallel. Droht den neutralen Zuschauenden eine Reizüberflutung?
Das wird eine krasse Konferenz. Wie will man es hinkriegen, das alles abzubilden? Ich bin gespannt, wie das laufen soll. Tatsächlich kann das eine Reizüberflutung sein: Wo soll ich als Erstes hinschauen? Ich finde es aber spannend und werde es verfolgen. 18 Laptops oder Fernseher werde ich mir nicht hinstellen, aber die Konferenz werde ich mir anschauen.
Wie siehst du die Chancen der deutschen Teams vor dem letzten Spieltag?
Es ist ein bisschen schade, dass sich Leipzig schon verabschiedet hat. Ich hätte der Mannschaft viel zugetraut, weil sie auch einen guten Trainer hat. Ich rechne ansonsten damit, dass alle anderen deutschen Teams noch gute Möglichkeiten haben. Stuttgart hat gegen Paris alles in der eigenen Hand und PSG spielt in der CL keine gute Saison. Bayern und Dortmund haben einfache Gegner. Leverkusen ist zu gefestigt – ich hoffe, dass sie unter den besten acht Teams bleiben.

Bayer Leverkusens Florian Wirtz hat in der Champions League bisher groß aufgespielt.Bild: dpa / Federico Gambarini
Leverkusen hat die beste Ausgangsposition. Ist Bayer damit auch international reif für einen Titel?
Die Mannschaft entwickelt sich stetig weiter und wirkt absolut gefestigt. Gegen Atlético haben sie unglücklich verloren, aber das bringt die Mannschaft nicht ins Wanken. Sie imponieren mir sehr und haben mit Florian Wirtz einen absoluten Ausnahmespieler. Für Leverkusen ist dieses Jahr etwas drin, das Halbfinale traue ich ihnen zu. Es ist aber auch davon abhängig, wer ihnen zugelost wird.
Der BVB stürmte letztes Jahr ins Finale. Ist so ein Lauf nochmal drin?
Bei den Dortmundern ist es am schwersten zu beurteilen. Sie müssen sich erst einmal stabilisieren, dann muss man schauen, welcher Trainer dazustößt. Bei jeglicher Qualität, die sie gerade in der Champions League schon gezeigt haben, ist das aktuell fast nicht zu beurteilen.
"Die Bayern sind eine kleine Wundertüte."
Wäre es ein Vorteil, wenn der BVB die CL-Ränge in der Liga zeitnah abhaken und sich stattdessen auf die Königsklasse konzentrieren kann?
Mit Schalke hatte ich eine Saison, die wir nur auf dem 14. Platz beendet haben - in der Champions League aber kamen wir bis ins Halbfinale. Das war für uns ein Ort, wo der Druck weg war und wir freier aufspielen konnten. Auch da hatten wir Qualität, die wir in der Liga nicht auf den Platz bringen konnten. Die Champions League aber hat uns den Antrieb gegeben. Aus deutscher Sicht wäre es schön, wenn die Dortmunder das auch für sich entdecken.
2012 geriet das Finale Dahoam für den FC Bayern zum Drama, wird es dieses Jahr zum Traumfinale?
Für die Bayern ist es ein weiter und harter Weg. Gerade in der Champions League konnten sie bisher nicht konstant abliefern. Trotzdem haben sie so viel Qualität in der Mannschaft, dass sie in großen Spielen immer abliefern können. Die Bayern sind eine kleine Wundertüte. Aber das gilt für alle deutschen Mannschaften, Leverkusen ein wenig ausgenommen. Der Glaube ist da, die Gefahr aber auch, dass es nicht so weit geht.

In Rotterdam kassierte der FC Bayern schon seine dritte CL-Pleite in dieser Saison.Bild: IMAGO images / Moritz M
Bleibt noch der VfB.
Nachdem die Stuttgarter so lange nicht dabei waren, wäre der Einzug in die Playoffs ein riesiger Erfolg. Sie haben zu Beginn der Saison etwas geschwächelt. Aktuell wirken sie aber wieder sehr gefestigt. Hoeneß schafft es wieder, eine sehr gute Mannschaft auf den Platz zu bringen, die miteinander spielt – und dabei attraktiven Fußball zeigt.
"Liverpool ist mein Topfavorit. Alle anderen Großen schwächeln ein wenig."
Was wäre für die Stuttgarter in der möglichen K.-o.-Runde drin?
Dann ist alles möglich. Mit einer richtig guten Tagesform, mit einer großen Portion Glück ist alles drin. Stuttgart kann auch die Großen ärgern, das hat der VfB gegen Real Madrid gezeigt. Da haben sie lange dran geglaubt, hatten dann ein wenig Pech.

Vor dem letzten Spieltag steht der VfB Stuttgart auf dem 24. Platz.Bild: dpa / Marijan Murat
Liverpool hat als einziges Team bisher jedes Spiel gewonnen. Sind die Reds damit automatisch der Topfavorit auf den Titel?
Liverpool ist mein Topfavorit. Alle anderen Großen schwächeln ein wenig, Liverpool hingegen gibt sich national und international keine Blöße. Das ist unfassbar beeindruckend. Die Dominanz und Wucht gegen Leverkusen waren enorm.
Beim DFB warst du bereits als Teammanager tätig, aktuell bist du "nur" als TV-Experte im Einsatz. Ist das für dich nach deiner langen Karriere noch genug Fußball?
Ich habe nebenbei noch andere Projekte, aber die Tätigkeit für Prime Video ist fast das einzige mit Fußball. Das passt im Moment gut, so kann ich maximal viel Zeit mit meinen Kindern verbringen. Die Zeit holt mir keiner zurück.
Bei Sky warst du einst eine Saison als Experte aktiv, für Prime Video bist du nun schon in der vierten Saison im Einsatz. Was läuft bei Prime Video anders, dass es dir dort so viel besser gefällt?
Es war nicht so, dass es mir bei Sky nicht gefallen hat. Das waren gute erste Schritte. Aber das Produkt Champions League ist nun einmal die Königsklasse im Fußball. Es ist cool, was ich hier mit dem Team erlebe. Als Fußballer habe ich früher unterwegs immer nur die Hotels gesehen. Wir haben eine gute, kompetente Runde zusammen. Wir sehen attraktive Spiele in tollen Stadien. Die Arbeit mit Jonas Friedrich, dem besten deutschen Kommentator, bereitet mir große Freude.
Zu viele Köche verderben angeblich den Brei. Gemessen daran, dass ihr ein Live-Spiel pro CL-Woche zeigt, ist euer Experten-Team recht groß. Warum gilt die alte Weisheit im Prime-Video-Team nicht?
Weil wir uns alle gut ergänzen. Wir haben unterschiedliche Charaktere, arbeiten vor der Kamera gut zusammen und jeder weiß um seine Rolle. Es gibt kein Kompetenzgerangel, stattdessen ein schönes Miteinander. Das führt zu richtig guten Sendungen.
Als du 2023 beim DFB aufgehört hast, hast du betont, wie sehr du von Hansi Flick überzeugt warst. Warum ist er am Ende trotzdem gescheitert?
Wir hatten zu viele Themen außerhalb des Fußballs, die die Mannschaft belastet haben. Wir hatten auch einige Spieler, die nicht in Form waren. Wir hatten die politische Diskussion, die groß aufkam. Wir hatten Unruhe beim DFB selbst mit dem Präsidentenwechsel. Da waren so viele Dinge nebenbei, sodass der Fokus nicht ausschließlich auf dem Sport lag. Das ist immer schlecht, wenn man Erfolg haben will und dem alles unterordnen möchte.
Es lag also weniger an Flick selbst als viel mehr an den Umständen?
Ich bin weiterhin von Hansi überzeugt. Er macht in Barcelona einen guten Job. Er hat immer akribisch gearbeitet, aber es war womöglich der falsche Zeitpunkt. Manchmal ist man einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Daher freut es mich, dass er in Barcelona jetzt wieder in der Erfolgsspur ist. Andersherum muss man aber auch sagen, dass Nagelsmann es geschafft hat, etwas aufzubauen und eine Euphorie im Land auszulösen.