Watson: Jule, was macht einen guten Joker aus?
Jule Brand: Es ist einfach jemand, der Spiele verändern kann, wenn es nicht so läuft. Er bringt nochmal neuen Schwung rein und kann ein Spiel durch Tore oder Assists nochmal verändern.
Du wurdest in der abgelaufenen Saison in allen Wettbewerben 22 Mal eingewechselt. Bist du der perfekte Joker?
Es gab Spiele, in denen ich etwas verändert habe, aber auch Partien, in denen ich dann nicht so auffällig war. Man kann mich aber immer bringen und ich versuche, auf dem Feld mein Ding zu machen. Mal klappt es, mal nicht. Manchmal ist es vielleicht auch ein bisschen zu wild.
Zudem wurdest du auch 17 Mal vorzeitig vom Platz genommen. Insgesamt hast du nur zwei Spiele über 90 Minuten absolviert. Kratzt das an deinem Ehrgeiz?
Natürlich möchte man immer in der Startelf stehen und dann mehr Auswechslungen statt Einwechslungen haben. Wenn man vom Feld genommen wird, weil man schlecht spielt oder der Mannschaft nicht hilft, ärgere ich mich über mich selbst, aber ich bin nicht sauer auf den Trainer.
Bei Instagram hast du unter ein Bild geschrieben: "Eine Saison mit Höhen und Tiefen geht vorbei." Was hast du aus dem Jahr für dich mitgenommen?
Unabhängig vom Fußball war ich das erste Mal weit weg von der Familie und alleine zu wohnen hat mich persönlich weiterentwickelt.
Was war zu Beginn das größte Problem für dich?
Das Kochen. Ich koche, wenn ich Hunger habe. Aber dann will ich auch nichts Großes machen, sondern es muss schnell fertig sein. Also gibt es häufig Nudeln, ich bestelle oder gehe essen. Aber mittlerweile hat sich das in der Mannschaft rumgesprochen und deswegen kommen ab und an Mitspielerinnen vorbei und wir kochen zusammen.
Mit deinem Wechsel von Hoffenheim zu Wolfsburg im vergangenen Sommer bist du aus deinem Elternhaus ausgezogen. Hattest du mit Heimweh zu kämpfen?
Ja, manchmal schon. Gerade, wenn es im Fußball nicht so läuft, vermisst man die Familie oder wenn man telefoniert und das Wohnzimmer im Hintergrund sieht, in dem man 19 Jahre lang jeden Tag war. Eigentlich ist das nichts Besonderes, aber wenn man daran denkt, wie es war, einfach nur dort zu sitzen oder Fernsehen zu schauen, ist das ein anderes Gefühl als in der Wohnung.
Und was hast du sportlich mitgenommen?
Auch wenn ich nicht die Spielzeit hatte, die ich mir erhofft habe, habe ich mich weiterentwickelt. Mit Mädels wie Lena Oberdorf und Alex Popp, die zu den Top-5 der Welt gehören, auf dem Platz zu stehen, sorgt im Training für ein super Niveau und ich muss immer alles reinhauen. Es war auf alle Fälle sehr lehrreich.
Dein Wolfsburger Trainer Tommy Stroot Trainer hat gesagt, du bringst alles mit "um durch die Decke zu gehen." Ist das zusätzlicher Druck für dich?
Ich habe es diese Saison vielleicht nicht so oft auf den Platz gebracht, aber für mein Spiel ist wichtig, dass ich nicht so viel nachdenke.
Warum?
So bringe ich Leichtigkeit in mein Spiel und ich kann auf dem Platz frei sein. Dann kommen die erfolgreichen Aktionen in den Eins-gegen-Eins-Duellen von allein und ich kann gute Leistungen bringen. Ich muss es schaffen, das konstant hinzubekommen und dann schauen wir, was möglich ist.
Arbeitest du dafür auch mit einem Mentaltrainer zusammen?
Auf jeden Fall, da der Kopf bei mir beim Fußballspielen viel ausmacht. Gerade in Wolfsburg und auch bei Nationalmannschaft führe ich Gespräche mit unseren Sportpsychologen.
Im gesamten Deutschen Fußball gibt es kaum noch solche Eins-gegen-Eins-Spieler:innen wie dich.
Ich höre auch oft: "Spiel ab! Dribble nicht so viel!" Aber das ist einfach mein Spielstil. Der ist natürlich auch riskant, wenn ich den Ball verliere, aber wenn es klappt, sieht es ganz cool aus und kann auch helfen. Ich muss da einfach noch eine gute Mischung reinbekommen.
Ist das auch etwas, was dir Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg mitgegeben hat?
Genau. Dass ich nicht mit dem Kopf durch vier Leute durchrennen kann, sondern manchmal einfach cleverer agieren und die leichteren Sachen machen muss.
Als Mannschaft habt ihr euch das Ziel gesetzt, den WM-Titel zu gewinnen. Was ist euer größter Pluspunkt auf dem Weg dorthin?
Schon bei der EM hat uns unser Defensivspiel ausgezeichnet und dass wir den Willen haben, jeden Zweikampf zu gewinnen. Außerdem haben wir als Team einfach einen krassen Zusammenhalt, gerade die Spielerinnen auf der Bank unterstützen die Spielerinnen auf dem Platz, so gut es geht.
Wäre alles andere als der WM-Titel eine Enttäuschung?
Das würde ich nicht sagen. Wir müssen die Leistung als Team auf den Platz bringen und dann wird es für jeden Gegner schwierig. Aber es gilt vor allem, das Land wieder mitzureißen und eine Euphorie zu entfachen. Wir wollen die Entwicklung der EM bestätigen und noch ausbauen.