Kleider machen Leute, das wusste bereits der Schweizer Dichter Gottfried Keller in seiner gleichnamigen Novelle aus dem Jahr 1874. Und auch knapp 150 Jahre später hat die Beobachtung nicht an Relevanz verloren. Ein besonders zeitgemäßer Auswuchs dessen betrifft aktuell Bundestrainer Julian Nagelsmann.
Denn anders als bei den Spielern auf dem Feld, kommt es bei den handelnden Personen neben dem Feld weniger auf die Performance als auf das allgemeine Auftreten an. Und Julian Nagelsmann hat über die vergangenen Jahre hinweg ein klares Bild gezeichnet, das – zugegebenermaßen – in der medialen Betrachtung dankbar aufgenommen und weitergesponnen wurde. Aber was möchte uns Julian Nagelsmann mit seiner Kleiderwahl sagen?
Zeit seiner noch jungen, dann aber doch bemerkenswert langen Karriere, war der heute 36-Jährige nämlich vor allem eins: jung. Mit nur 28 Jahren war er bei der TSG Hoffenheim der bislang jüngste hauptamtliche Trainer der Bundesliga. Aufgrund seines Alters prägte Nagelsmann auch eine neue Art der Fußballlehrer.
Nagelsmann gehört zu einer Generation der "Laptop-Trainer", ein häufig abwertender Begriff, der letztlich meint, dass ein Trainer seine Zeit mehr taktisch am Tablet verbringt, als die versammelte Mannschaft mit Medizinbällen zu plagen, bis sie sich schließlich übergibt. Damit geht auch ein entsprechendes Vokabular einher.
Nagelsmann spricht gern von Begriffen wie dem "asymmetrischen Spielaufbau" oder dem "halblinken Achterraum". Die Außenverteidiger spielen bei ihm freilich "invers", die Motivation muss "intrinsisch" sein und für Toraktionen sind "Spielbeschleunigungsmomente" vonnöten.
Nur wären all diese genannten Punkte letztlich nebensächlich, wenn sie im Zeitalter der Selbstdarstellung nicht auch stilecht präsentiert würden. Deswegen fährt Nagelsmann das schon legendär gewordene Longboard, ein Begriff, den sich DFB-Sportdirektor Rudi Völler bei Nagelsmanns erster Pressekonferenz von ihm hat erklären lassen.
Und er trägt gern Kleidung, die manch einer wohl als berufsjugendlich bezeichnen würde: Mal einen knallroten Trainingsanzug, mal ein Blumen-gerüschtes Poloshirt und mal ein Holzfäller-Hemd. Er selbst ist von der modischen Fixierung mittlerweile verständlicherweise genervt, nur scheint die Gewöhnungsphase an die neue Trainergeneration noch etwas anzuhalten.
Bei einer Trainingseinheit der deutschen Nationalmannschaft fiel Nagelsmann nun mit seiner Schuhwahl auf, die sich seine Bundestrainer-Vorgänger so bislang noch nicht zu tragen getraut haben.
Anstelle von schlichten schwarzen Schuhen, vornehmlich vom Adidas-Modell "Copa Mundial", trägt Nagelsmann nämlich das Modell "Predator Accuracy" spazieren – in weiß-grau, mit neongrünen Akzenten. Zuvor hatte auch er, zumindest auf dem Fußballplatz, stets auf schwarze Schuhe gesetzt.
Ironischerweise erinnert das "Copa-Mundial"-Modell seiner Vorgänger stark an Adidas-"Samba"-Sneaker, die derzeit Renaissance feiern und in keinem Kleiderschrank trendaffiner Menschen fehlen dürfen. Aber dass sich Nagelsmann davon abkehrt, beschreibt ihn eigentlich ganz gut.