Dominic Thiem (l) aus Österreich und Alexander Zverev aus Deutschland umarmen sich nach dem Spiel.Bild: AP / Frank Franklin II
Sport
Alexander Zverev hat den ersten
Grand-Slam-Titel seiner Karriere nach einem nervenaufreibenden
Fünf-Satz-Match knapp verpasst. Der 23 Jahre alte Tennisprofi verlor
am Sonntagabend in New York im Endspiel gegen den Österreicher
Dominic Thiem trotz einer 2:0-Satzführung noch in fünf Durchgängen
und vergab die große Chance auf den ersten deutschen Titel bei einem
der vier wichtigsten Turniere seit Boris Becker 1996 bei den
Australian Open.
"Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Glückwunsch zum ersten von vielen Grand-Slam-Titeln. Du hättest ein paar Fehler mehr machen sollen."
Zverev
"Es sind einige wichtige
Leute, die heute fehlen. Ich möchte meinen Eltern danken", sagte
Zverev, ehe ihm die Stimme versagte und er die Tränen nicht mehr
zurückhalten konnte. "Bei Sascha musste ich auch ein Tränchen
verdrücken. Das ist die Höchststrafe, das Finale auf diese Art und
Weise zu verlieren und seine Liebsten nicht um sich haben zu können.
Aber Deutschland ist stolz auf dich", sagte Eurosport-Experte Becker
und prophezeite: "Sascha wird wiederkommen, ihm gehört die Zukunft."
Zverev gab Führung aus der Hand
Zverev musste sich nach 4:01 Stunden mit 6:2, 6:4, 4:6, 3:6, 6:7
(6:8) geschlagen geben. Für den 27 Jahre alten Thiem war es im
vierten Anlauf der erste Grand-Slam-Sieg. Er ist der erste Spieler
seit 16 Jahren, der in einem Grand-Slam-Endspiel nach einem
0:2-Satzrückstand noch den Titel holte. Im Tiebreak nutzte der von
Krämpfen geplagte Österreicher seinen dritten Matchball. "Ich
wünschte, es könnte heute zwei Sieger geben", sagte Thiem und
richtete sich an Zverev: "Du wirst es auch noch schaffen und deine
Eltern und deine Familie stolz machen. Du wirst den Pokal irgendwann
nach Hause bringen."
Thiem ist der erste Grand-Slam-Champion seit dem Schweizer Stan
Wawrinka bei den US Open 2016, der nicht Novak Djokovic, Rafael Nadal
oder Roger Federer heißt. Nadal und Federer hatten in diesem Jahr auf
einen Start in Flushing Meadows verzichtet, Djokovic war im
Achtelfinale disqualifiziert worden, weil er eine Linienrichterin im
Frust mit dem Ball abgeschossen hatte. Damit war der Weg frei für
einen Sieger außerhalb der Großen Drei. Zverev vergab die große
Gelegenheit, während Thiem sich seinen großen Traum endlich erfüllte.
Im zehnten Duell der Beiden war es Zverevs achte Niederlage.
Am Ende der mehrstündigen Achterbahn-Fahrt ließ sich Thiem
rücklings auf den blauen Hartplatz fallen und schlug die Hände vors
Gesicht. Zverev ging auf die andere Seite des Netzes, gratulierte
seinem Kontrahenten fair und umarmte ihn nicht ganz
Corona-kompatibel.
Thiem ließ sich einfach fallen. Bild: AP / Frank Franklin II
Becker vor dem Spiel optimistisch
Deutschlands Tennis-Legende Boris Becker hatte sich vor dem mit
großer Spannung erwarteten Finale optimistisch gezeigt, dass Zverev
im ersten Grand-Slam-Finale seiner Karriere die Gunst der Stunde
nutzen würde – und lange sah es auch danach aus. "Das Halbfinale bei
den Australian Open war sehr wichtig für ihn und für sein
Selbstvertrauen. Es gibt keinen Grund, warum er das Spiel heute nicht
gewinnen sollte", sagte der Experte des TV-Senders Eurosport.
Zahlreiche frühere Top-Athleten wie Sven Hannawald, Fabian Hambüchen
oder Anni Friesinger-Postma hatten Zverev vor der Partie in
Videobotschaften Glück gewünscht, auch der FC Bayern wünschte dem
bekennenden Fan des Triple-Siegers alles Gute.
Zverev legte im wegen der strengen Hygienebedingungen fast
menschenleeren Arthur Ashe Stadium einen fulminanten Start hin.
Anders als noch in den beiden Partien zuvor, als die deutsche Nummer
eins abwartend und zögerlich begann und den ersten Satz stets verlor,
war Zverev von Beginn an voll da und überraschte seinen Kumpel Thiem
mit aggressivem und mutigem Tennis. Zum 2:1 nahm Zverev dem sichtlich
nervösen Österreicher den Aufschlag ab, zum 5:2 gelang ihm ein
weiteres Break. Nach gerade einmal einer halben Stunde holte sich
Zverev den ersten Satz mit 6:2.
Der gebürtige Hamburger nahm den Traumstart aber gelassen hin.
Etwas ungläubig schaute er zu seinem vier Jahre älteren Gegner, den
er im Vorfeld als "meinen besten Kumpel auf der Tour" bezeichnet
hatte. Zverev blieb hochkonzentriert und ließ sich auch von der
Tatsache, dass sich Thiem offenkundig nicht so gut bewegte wie
normal, nicht aus der Ruhe bringen.
Auch zu Beginn des zweites Abschnitts gelang ihm zum 2:1 ein
schnelles Break, Zverev bestimmte das Geschehen nach Belieben. Die
deutsche Nummer eins zog auf 5:1 davon, bekam es dann aber
offenkundig mit den Nerven zu tun. Die Nummer sieben der Welt ließ
vier Satzbälle aus und verlor zum ersten Mal in diesem Match
ebenfalls sein Service. Thiem witterte nun seine Chance, auch weil
Zverev nun einige leichte Fehler unterliefen. Doch Zverev behielt die
Nerven und holte sich mit dem fünften Satzball Durchgang Nummer zwei.
Zverev gab Spiel aus der Hand
Doch nur noch einen Satz vom großen Traum entfernt, wurde Zverev
immer nervöser. Aggressivität und Selbstverständlichkeit gingen
verloren, die Fehlerquote stieg. Da auch Thiem weiter deutlich unter
seinem Niveau blieb, entwickelte sich ein Endspiel auf phasenweise
mäßigem Niveau. Thiem profitierte davon und holte sich den dritten
Satz. Zverev wirkte aber zunächst nicht geschockt und hielt den
vierten Durchgang offen. Beide Spieler steigerten sich nun wieder und
lieferten sich jetzt endlich einen packenden Schlagabtausch.
Thiem schaffte den Satzausgleich und ging auch im entscheidenden
Satz mit einem Break in Führung. Doch Zverev zeigte wie so oft ein
großes Kämpferherz und nahm Thiem postwendend ebenfalls den Aufschlag
ab. Lautstark pushte sich die deutsche Nummer eins nach vorne und
ging wieder in Führung. Zum 5:3 schaffte er das Break, kassierte aber
sofort wieder das Re-Break zum 5:4. Es war nun ein endlich ein
hochklassiges Match, das im Tiebreak ein würdiges Ende fand - mit dem
Finale furioso für den von Krämpfen geplagten Thiem.
(lin/dpa)
Der Erfolg des FC Bayern in der bisherigen Saison ist auch unmittelbar mit einem Namen verbunden: Joshua Kimmich. Der Sechser ist seit Jahren beim Rekordmeister gesetzt, litt jedoch seit Längerem unter einem Formtief.