Der "Euphoria" Star Sydney Sweeney steht vor der Kamera, halb angezogen, voll ausgeleuchtet. Sie erzählt mit süßlicher Stimme "Gene werden von den Eltern an die Nachkommen weitergegeben und bestimmen oft Eigenschaften wie Haarfarbe, Persönlichkeit und Augenfarbe."
Dann sagt sie einen vermeintlich harmlosen Satz: "My jeans are blue." Ein Wortspiel auf "genes" und "jeans". Ihr eigener, stark sexualisierter, makelloser Körper als Erzählfläche für Erbmaterial.
In einem anderen Clip zeigt sich Sweeney in Nahaufnahme, ausgeleuchtet von unten, Kamera langsam abwährtsfahrend. Schließlich ruft sie "Hey! My eyes are up here". Dabei soll es in der Werbekampagne doch eigentlich um Jeans gehen.
Dass diese Ästhetik nicht zufällig gewählt ist, liegt auf der Hand. Blonde Haare. Blaue Augen. Schlanke Taille. Die kulturelle Bildsprache ist nicht subtil, sondern brachial.
Die Kampagne von American Eagle, die unter dem Titel "Sydney Sweeney Has Great Jeans" veröffentlicht wurde, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Entsprechend scharf ist die Reaktion.
Der Werbespot geht also viral, wird hundertfach geteilt, kommentiert und parodiert. Auch Doja Cat haucht in einem Tiktok "my jeans are blee!". Sie wählt dafür einen übertriebenen Südstaatenakzent, der als subtile Botschaft reicht:
Die Sexualisierung junger Frauen als Werbegesichter hat bei American Eagle bereits in der Vergangenheit für Kritik gesorgt – die Verbindung genetischer Begriffe mit einem weiblich aufgeladenen Schönheitsideal knüpft nun erneut an diese fragwürdige Tradition an. Was viele Nutzer:innen empfinden, wird in Worten wie denen von Userin Luna greifbar:
Doch damit nicht genug: Auf X nennt ein:e User:in die Kampagne "Nazi Propaganda in der heutigen Zeit", ein:e andere:r erklärt "ganz klar Eugenik und white supremacy".
Der Vorwurf ist historisch aufgeladen. Verbindung von genetischer Sprache und weiblichem Schönheitsideal hat eine lange, düstere Geschichte. Eugeniker:innen propagierten einst die Idee, "gute Gene" ließen sich durch gezielte Auswahl erhalten – wer dazugehören durfte, entschied eine rassistische Ideologie.
Was als Wissenschaft verkauft wurde, war letztlich ein Mittel zur Ausgrenzung, Kontrolle und Vernichtung. In den USA führte das zu tausendfachen Zwangssterilisationen, im Nationalsozialismus zu systematischem Massenmord.
Trotz der Debatte um die Symbolik der Clips erlebt American Eagle einen Höhenflug. Die Marke, die in den vergangenen Jahren als angestaubt galt, schien längst im Schatten trendigerer Labels verschwunden. Seit 2021 hatte die Aktie rund zwei Drittel ihres Werts eingebüßt.
Doch ausgerechnet die umstrittene Kampagne mit Sydney Sweeney führt einen plötzlichen Umschwung herbei: An der Börse stieg der Kurs laut "Welt" um satte 22 Prozent.
Der wirtschaftliche Effekt ist bemerkenswert, gerade weil er nicht trotz, sondern womöglich wegen der Kontroverse eintritt. Dass dabei ethische Fragen und gesellschaftliche Spannungen mitverhandelt werden, stört den Markt offenbar wenig. Im Gegenteil: Der Wirbel rund um "Jeans" und "Gene" funktioniert offenbar als Kapitalisierungsmaschine.
Ein weiterer kontroverser Aspekt ist die politische Vergangenheit von CEO Jay Schottenstein. Der langjährige Firmenchef hat in den letzten Jahren mehrfach konservative und republikanische Wahlkampagnen finanziell unterstützt, darunter auch jene des Trump-Vertrauten Bernie Moreno, der heute als einer der umstrittensten republikanischen Senatoren gilt.
Zwar hat sich American Eagle selbst bislang nicht öffentlich zur politischen Ausrichtung geäußert, doch die Nähe zwischen Management und politischer Agenda wirft Fragen auf. Insbesondere, wenn eine Werbekampagne Assoziationen zu rassistischem Gedankengut herstellt.