Ein Fall wie der von Stefan Hinkelmann konnte sich eigentlich nur bei "7 vs. Wild" abspielen. Hier nehmen Menschen teil, die es zuvor weitgehend in Teilöffentlichkeiten zu Prominenz brachten: Die Survival-Szene kannte Stefan Hinkelmann und Joe Vogel, das durchschnittliche "7 vs. Wild"-Publikum eher nicht.
Sobald die Show aber bei Freevee und Youtube lief, stieg die Aufmerksamkeit für die Teilnehmer:innen rasant an. Aus der Spartenprominenz wird eine relativ herkömmliche Berühmtheit. Und dann schaut man bei der zuvor behaupteten Expertise der Kandidat:innen vielleicht mal etwas genauer hin.
Ehemaliger Elite-Soldat und Scharfschütze, Kletter-Experte und Weltrekordhalter im Feuerbohren. Diese und andere Zuschreibungen kursierten im Vorfeld der neuen Staffel "7 vs. Wild" um den Teilnehmer Stefan Hinkelmann, der sie davor und danach größtenteils selber verbreitetet.
So entstand das Bild eines erfahrenen, mit allen Wassern gewaschenen Survival-Experten, das die Fritz-Meinecke-Show dankbar für sich nutzte.
Das Problem: Wenig davon lässt sich verifizieren. Was im Gegenschluss eben nicht sofort bedeutet, dass Stefan Hinkelmann in den 90ern keinen Einsatz in Bosnien ableistete oder er nicht ohne Hilfsmittel die 1800 Meter hohe Eiger Nordwand in den Schweizer Alpen hinaufkletterte.
Doch der Mangel an feststehenden Daten zum schillernden Lebenslauf Hinkelmanns machte die ohnehin detailversessenen Reddit-Nutzer:innen misstrauisch. Und so läuft seit Wochen eine fürs Internet typische Online-Ermittlung gegen Hinkelmann.
Diese fand in einem 20-minütigen Video des Youtubers Klengan ihren vorläufigen Höhepunkt. Titel: "Alles fake bei Stefan ('7 vs. Wild')?". Etliche Angaben Hinkelmanns zieht das Video in Zweifel. Warum legte er keine Nachweise für seinen Einsatz in Bosnien vor? Warum filmte er seinen bestimmt spektakulären Nordwand-Aufstieg nicht?
Man konnte nach dem Video auf den Gedanken kommen, dass der "7 vs. Wild"-Star bei seinen Meriten zumindest übertrieben hat. Zumal Hinkelmann sich in der Show ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckerte. Er schied vorzeitig aus, weil er die Gruppe mit einem größtenteils von ihm verschuldeten Brand gegen sich aufbrachte.
Es bleibt vieles im Unklaren rund um diese rätselhafte Persönlichkeit. Hinkelmann tritt in seinen Kanälen auch als Survival-Deutschland auf. Er hat eine Marke aufgebaut, bei Youtube folgen ihm 147.000 Menschen. Es geht in der Debatte auch um Hinkelmanns berufliche Existenz. Schon in der Show fürchtete er um seinen Ruf, beschwerte sich über den Schnitt und angeblich fehlende Details, die ihn hätten besser dastehen lassen.
Es bildeten sich Pro- und Anti-Stefan-Lager, in Streaming-Reaktionen spielte sich ein Kampf um die Deutungshoheit ab – und nun bei Wikipedia?
Bei Wikipedia kann theoretisch jede:r Artikel verfassen und einreichen. Die Frage ist, ob sie veröffentlicht werden. Darüber entscheiden erfahrene Moderator:innen.
Bei Reddit tauchten jüngst Screenshots auf, die zeigen, dass ein oder mehrere Artikel über Stefan Hinkelmann in der Online-Enzyklopädie erschienen – und schnell wieder verschwanden. Meist werden Wikipedia-Artikel nach ihrer Erstellung von der Moderation wieder gelöscht, weil es den Persönlichkeiten an Relevanz fehlt.
Diese Begründung fällt im Reddit-Forum auch, aber es gibt noch eine weitere und die ist etwas interessanter: So soll der Stefan-Hinkelmann-Artikel gelöscht worden sein, weil er "diffamierend" ist, also dem Ruf der Person unrechtmäßig schadet.
Dass der Wikipedia-Artikel existierte, wird in dem Forum bestritten. Der Nutzer Raggnaroek1901 gibt aber an, ihn gelesen zu haben. Jemand habe dort Abschnitte zu Hinkelmanns vermeintlichen Leistungen mit dem Wiki-Artikel zum Wort "Lügner" verknüpft. Es folgte die Warnung an die Lesenden: Die Löschung werde "aufgrund Diffamierung vorgeschlagen".
Im Internet ist Wikipedia die erste Station für alle Menschen, die sich schnell und verlässlich ein Bild über Personen verschaffen wollen. Als Quelle genießt sie bei ihren Lesenden große Autorität. Dass die Online-Enzyklopädie als Waffe in einer Art Deutungskampf missbraucht wurde, wundert daher gar nicht.
Und auch nicht, dass der Artikel wieder verschwand. Denn so richtig weiß ja (noch) niemand, was sich hinter dem Enigma "Stefan Hinkelmann" wirklich verbirgt.