Am Set des Films "Rust" ereignete sich vor über einer Woche ein schrecklicher Vorfall: Darsteller Alec Baldwin erschoss die Kamerafrau Halyna Hutchins versehentlich mit einer Requisitenwaffe. Der Schuss traf zudem Regisseur Joel Souza an der Schulter – dieser befindet sich nach einem Krankenhausaufenthalt auf dem Weg der Besserung. Die Ermittlungen der Behörden sind nun in vollem Gange, ob die Produktion noch einmal aufgenommen wird, ist aktuell äußerst fraglich.
Der Regieassistent Dave Halls räumte bereits Fehler ein: Wie die "New York Times" berichtete, gab er an, nicht alle Patronen in der betreffenden Requisitenwaffe von Baldwin überprüft zu haben, bevor er diese dem Schauspieler aushändigte. Halls war nach ersten Erkenntnissen bereits in der Vergangenheit in einen Waffenunfall bei einer Filmproduktion verwickelt. Am Set von "Freedom's Path" im Jahr 2019 feuerte offenbar schon einmal eine Waffe unerwartet. Infolgedessen sei Halls entlassen worden. Mit der erst 24-jährigen Hannah Gutierrez Reed wurde für "Rust" zudem eine unerfahrene Waffenmeisterin engagiert – es kommen mehrere Fehlerquellen in Betracht, die zu der Tragödie geführt haben könnten.
Bislang haben die Behörden niemanden explizit von den Ermittlungen ausgeschlossen, weshalb auch Baldwin selbst im Fokus steht – als Person, die den Schuss abgegeben hat sowie auch als Produzent des Films. In letztgenannter Funktion nämlich ist der 63-Jährige mit dafür verantwortlich, dass Sicherheitsvorkehrungen am Set getroffen werden. Der Rechtsanwalt Paul Vogel von der Vogel Rechtsanwaltsgesellschaft mbH schätzt auf Anfrage von watson ein, womit Baldwin jetzt rechnen muss.
Alec Baldwin feuerte den Schuss mit der Munition nicht mit Absicht ab. Am Wochenende meldete er sich erstmals nach dem Unfall öffentlich zu Wort und sagte: "Sie war meine Freundin". Hutchins, Souza und er seien ein eingespieltes Team gewesen, dann passierte "dieses schreckliche Ereignis".
Vogel kann dennoch "nicht komplett ausschließen", dass den Hollywood-Schauspieler in den USA auch strafrechtliche Konsequenzen erwarten, gibt aber zugleich zu verstehen, dass wir bis hierhin noch "viel zu wenig wissen". Die Behörden würden bei ihrer Arbeit in alle Richtungen denken und dabei eben auch das Verhalten der Waffenmeisterin und des Regieassistenten genau untersuchen. Bei Baldwin hingegen wird es laut dem Rechtsexperten bei einer Gesamtbetrachtung auf die Frage hinauslaufen: "Hätte er es wissen müssen?"
Würde der Fall hierzulande verhandelt werden, ist sich Vogel allerdings ziemlich sicher, dass Baldwin angesichts der jetzigen Erkenntnisse zumindest seitens eines Strafgerichts nichts zu befürchten hätte:
Im anglo-amerikanischen Recht gibt es eine besondere Art des Schadensersatzes, der sich "Punitive damages" nennt und für den sich im deutschsprachigen Raum der Begriff "Strafschadensersatz" eingebürgert hat. Ziel ist es hierbei gerade auch, den Beklagten für sein Verhalten zu betrafen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es für Baldwin auf die Zahlung eines Strafschadenersatzes hinausläuft, beziffert Vogel gegenüber watson schon weitaus höher, auch hier jedoch gestaltet sich eine klare Prognose schwierig. Das Problem: Bei der Festlegung des Betrags fließen auch Einkünfte des Beklagten mit in die Berechnung ein, hier wären es entsprechend die Zahlen rund um die Filmproduktion bzw. die (potentielle) Gewinnspanne.
Werden amerikanische Unternehmen beispielsweise nach Arbeitsunfällen in die Pflicht genommen, spielt oft die Verletzung so genannter Verkehrssicherungspflichten eine Rolle. Im Fall der Tötung Halyna Hutchins' könnte dann entsprechend festgestellt werden, dass die "Rust"-Produktion fahrlässig handelte, soweit es um die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter ging. An dieser Stelle spricht Anwalt Vogel von einer "Konfliktgeneigtheit", die es festzustellen gilt und gibt diesbezüglich eine eher düstere Prognose für Baldwin ab: Aktuell gelte für ihn "Alarmstufe Rot". Dass er zumindest als Produzent Schadensersatz zahlen muss, ist aktuell leicht vorstellbar.