Dieter Bohlen ist ein echtes Phänomen. Als er 2002 erstmals als Juror bei "Deutschland sucht den Superstar" in Erscheinung trat, hatte wohl niemand damit gerechnet, dass er auch fast 20 Jahre später noch immer Hauptakteur dieser Show sein wird. Doch damit ist jetzt Schluss. Erst Mitte März verkündete RTL das Ende der Zusammenarbeit mit Bohlen. Sowohl beim "Supertalent" als auch bei "DSDS" wird der Poptitan aussortiert.
Es folgten Tage der Spekulationen. Denn freiwillig räumte er seinen Posten nicht. Umso gespannter blickten alle auf die noch ausstehenden Live-Shows von "DSDS", denn dort sollte Bohlen letztmals seiner Jurorentätigkeit nachgehen. Nur daraus wurde nichts. Bohlen meldete sich kurzfristig für beide Shows krank, seine Vertretung übernahm Show-Titan Thomas Gottschalk.
Eine Dauerlösung wird das aber eher nicht sein. Wer das Erbe Bohlens künftig antreten wird, ist noch ungewiss. Aber eins ist klar: Derjenige tritt in große Fußstapfen und blickt auf ein beachtliches Vermächtnis. Denn der 67-Jährige hat in den fast zwei Jahrzehnten bei RTL eine Menge geleistet und dem Sender viel Aufmerksamkeit und Geld beschert. Wir nutzen Bohlens RTL-Abschied und werfen einen Blick auf sein Vermächtnis.
Über Geld spricht man nicht. Das gilt auch für Dieter Bohlen. Klar, dass der Musikmogul seine Einnahmen der vergangenen Jahre nicht offenlegt. Aber anlässlich seines Ausstiegs bei "DSDS" und "Das Supertalent" wurde eben auch über dieses Thema öffentlich spekuliert. Die "Bild" nennt dabei konkrete Zahlen: So soll Bohlen bei RTL für seine zwei Formate ein Jahresgehalt von 2,5 Millionen Euro einstreichen. Dieses soll er sogar noch nach seinem Aus weiter ausgezahlt bekommen – bis 2022.
Außerdem soll der Poptitan in der Vergangenheit stets Bonuszahlungen für gute Quoten bekommen haben. Heißt: Zu seinem Jahresgehalt dürfte regelmäßig noch ein nettes Sümmchen hinzugekommen sein.
Bereits 2015 veröffentlichte das Online-Portal "Gehaltsreporter.de" die Top-Verdiener unter den deutschen Promis und nannte dabei auch Zahlen zu Dieter Bohlen. Bereits damals wurde sein Vermögen auf rund 135 Millionen Euro geschätzt. Für seine Jurorentätigkeit bei "DSDS" soll er damals 1,2 Millionen Euro pro Staffel eingestrichen haben. Für "Das Supertalent" dürfte sich seine Gage in einem ähnlichen Rahmen bewegt haben.
Wenn man davon ausgeht, dass sich sein Honorar im Laufe der Jahre noch gesteigert hat, klingen die von der "Bild" genannten 2,5 Millionen Euro gar nicht unwahrscheinlich.
Darüber hinaus hat Bohlen auch mit Werbung sein Geld verdient. Unter anderem hat er seit vielen Jahren einen Werbedeal mit der Klamottenmarke Camp David. Wie viel Bohlen durch diesen Deal jährlich zusätzlich einstreicht, ist nicht bekannt. Dass solche Verträge jedoch lukrativ sein können, zeigt das Beispiel Michael Wendler. Er hatte einen Vertrag mit dem Label Uncle Sam, sollte als "DSDS"-Juror stets die Klamotten des Unternehmens tragen. Dafür soll er eine Vorauszahlung von 250.000 Euro erhalten haben. Allein daran ist bereits zu erkennen, in welchen Sphären sich das Ganze bewegen dürfte.
Als "DSDS" 2002 an den Start ging, klebten die Zuschauer förmlich an den Bildschirmen. Denn die Castingshow war neu und anders. Die Kandidaten teilweise schräg (wir erinnern uns an Daniel Küblböck) oder einfach verdammt talentiert (Sieger Alexanders Klaws oder auch die Zweitplatzierte Juliette Schoppmann), die Juroren fachlich kompetent und dennoch witzig und bissig. Letzteres traf vor allem auf Dieter Bohlen zu. Klar, dass die Quoten damals ein absoluter Traum für RTL waren.
Die erste Staffel schalteten in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 39-Jährigen durchschnittlich unglaubliche 41,1 Prozent ein. Schon in Staffel zwei war das Interesse deutlich geringer: Bei den Gesamtzuschauerzahlen bewegte sich die Sendung plötzlich durchschnittlich bei 4,92 Millionen – ein Jahr zuvor waren es noch 9,49 Millionen. An die Erfolge der ersten Staffel konnte "DSDS" nie wieder heranreichen, das zeigen die Gesamtzuschauerzahlen ab 2005 im Überblick:
Vor allem in Staffel acht stürzte die Bohlen-Show in der werberelevanten Zielgruppe mächtig ab: Plötzlich schalteten nur noch durchschnittlich 19,1 Prozent der 14- bis 49-Jährigen ein. Dabei wurden die Zuschauer damals sogar Zeuge einer echten Liebesgeschichte, denn es ist die Staffel, durch die Sarah und Pietro Lombardi bekanntgeworden sind. Aber den Quoten half das nicht.
Mit nur durchschnittlich 3,56 Millionen Gesamtzuschauern erreichte "DSDS" 2020 einen neuen Tiefpunkt. Vielleicht war den Verantwortlichen da bereits klar, dass sich etwas grundlegend ändern muss. Mit Michael Wendler hatten sie zwar bereits versucht, die Quote für 2021 anzukurbeln, doch der machte dem Sender mit kruden Verschwörungsmythen bekanntlich einen Strich durch die Rechnung.
Bleibt nur die Frage: Werden die Quoten ohne Dieter Bohlen wieder steigen oder haben die letzten paar Millionen Zuschauer vor allem wegen dem Poptitan eingeschaltet? Das wird sich zeigen.
"DSDS" war für RTL lange Jahre ein Aushängeschild, eine sichere Bank für das Abendprogramm. Auch wenn natürlich keine Quoten wie beim Dschungelcamp erzielt werden, ist es über viele Wochen oder gar Monate des Jahres ein wichtiger Bestandteil der Primetime. Und es ist natürlich auch ein begehrtes Werbeumfeld.
Seit 2002 – und somit seit dem Start von "DSDS" – hat sich die Anzahl der Werbeminuten im Fernsehen mehr als verdoppelt. Laut dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) haben TV-Werbungen den größten Anteil an den Gesamtwerbeaufwendungen in Deutschland – mit Abstand! Rund 2,53 Millionen Minuten an Fernsehwerbespots wurden demnach 2019 ausgestrahlt.
Für die Fernsehsender ist natürlich vor allem die Entwicklung der Werbepreise wichtig. Dafür kann man einen Blick auf den TKP, also den Tausend-Kontakt-Preis, werfen. Dieser gibt an, welcher Geldbetrag bei einer Werbemaßnahme eingesetzt werden muss, um 1000 Personen einer Zielgruppe per Sichtkontakt zu erreichen. Dabei besonders interessant: Während 2003 der TKP für einen 30-Sekunden-Werbespot noch bei rund 9,40 Euro lag, mussten Werbekunden 2020 deutlich tiefer in die Tasche greifen: 19,57 Euro waren da bereits fällig.
Die Corona-Krise hatte kaum Auswirkungen auf den Werbepreis, im Vergleich zum Vorjahr ist der Wert lediglich um 0,06 Euro gefallen. Das spielt natürlich auch den Sendern, also auch RTL, in die Karten.
Die große Frage ist jedoch: Ist "DSDS" noch immer ein attraktives Werbeumfeld? Was die vergangenen Jahre angeht: Offenbar ja. Bereits 2018 berichtete "W&V", dass die großen Kunden wie Procter & Gamble, Beiersdorf, Lidl, Ferrero, Vodafone oder Trivago zwar viel weniger Geld in "DSDS" gesteckt hätten, die Bruttowerbeeinahmen dennoch hoch gewesen seien. Laut einer exklusiven Auswertung des Media- und Marketingberatungsunternehmens Ebiquity hätte "DSDS" stolze 60,1 Millionen Euro brutto durch Werbung eingebracht (ohne Sponsoring oder die Wiederholungen). 2017 seien es jedoch noch 66,2 Millionen gewesen, 2016 sogar 70,75 Millionen Euro!
In den Jahren davor lagen die Bruttowerbeeinahmen deutlich darunter, was auch mit den schwächelnden Quoten und dem erneuten Absturz im Jahr 2014 zu tun haben dürfte. Für die darauffolgende Staffel hatte sich RTL deshalb für weniger Live-Shows entschieden, da typischerweise nach den Auslands-Recalls die Quoten in den Sinkflug gehen. Statt 22 setzte man deshalb nur noch 19 Folgen an. Das bedeutete aber natürlich auch insgesamt auf die Staffel gerechnet weniger zu verkaufende Werbeminuten.
2021 hatte RTL sich übrigens bei der Anzahl der Folgen wieder hohe Ziele gesetzt: 22 sollten es sein, doch durch den Abgang von Michael Wendler hatte der Sender die Staffel um drei Folgen auf 19 gekürzt. Für die Bruttowerbeeinahmen natürlich wieder ein Negativfaktor. Was das für die Einnahmen aus dem Werbebereich konkret bedeutet, ist noch nicht bekannt.
Der Titel "Superstar" ist kein Garant dafür, um auch tatsächlich eine nachhaltige Musikkarriere zu starten. Einige der "DSDS"-Teilnehmer haben es nicht geschafft, langfristig und erfolgreich auf der Showbühne zu stehen. Doch es gibt auch zahlreiche Talente der bisherigen 17 Gewinner, die nach wie vor im Musikgeschäft oder auch abseits davon eine große Rolle spielen.
2003 gewann Alexander Klaws als erster Sieger überhaupt die Castingshow. Seine Single "Take Me Tonight", natürlich aus der Feder von Dieter Bohlen, verkaufte sich damals sogar über eine Million Mal. Sein letztes Studioalbum liegt allerdings schon länger zurück. "Auf die Bühne, fertig los" aus dem Jahr 2015 schaffte es lediglich nur noch auf den 32. Platz. Doch der großen Showbühne ist Klaws treu geblieben.
Nachdem der spätere "Let's Dance"-Gewinner eine Musicalausbildung absolvierte, stand er erstmals 2006 mit den Darstellern von "Tanz der Vampire" auf der Bühne. Später folgte "Tarzan", "Der Schuh des Manitu" oder "Ghost – das Musical". 2017 spielte er schließlich die Titelrolle des Old Surehand bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg. Übrigens, 2020 kehrte der Künstler noch mal auf die "DSDS"-Showbühne zurück und moderierte die 17. Staffel.
Um die Sieger von 2004 bis 2009 ist es heute eher ruhiger geworden. Dazu zählen Elli Erl, Tobias Regner, Mark Medlock, Thomas Godoj und Daniel Schuhmacher. Elli ist mittlerweile Lehrerin und unterrichtet die Fächer Musik und Sport an einer Realschule. Tobias, der sich mit seiner Debüt-Single "I Still Burn" schnell den Chartthron sicherte, macht zwar heute immer noch Musik, allerdings mit mäßigem Erfolg.
Mark zählt jedoch bis heute zu Dieters Lieblingen und zu den erfolgreichsten "DSDS"-Gewinnern überhaupt. Der Sänger verkaufte nämlich über drei Millionen Tonträger, verkündete jedoch im Jahr 2013 seinen Rückzug aus dem Musikgeschäft. 2020 gab der heute 42-Jährige allerdings nach kleineren Konzerten sein Comeback bekannt. Doch die Chartplatzierungen bleiben seit 2012 aus.
Nach Thomas' "DSDS"-Sieg, einem Nickelodeon Kids' Choice Award als "Lieblingssänger" und einem Echo in der Kategorie "Erfolgreichster Newcomer National", schaffte er es zuletzt 2018 mit seinem Album "13 Pfeile" auf den 27. Platz der Charts. Daniel Schuhmachers Album "Venus of Mars" aus dem Jahr 2018 konnte sich hingegen nicht mehr dort platzieren.
Die Namen Mehrzad Marashi, Pietro Lombardi, Luca Hänni und Beatrice Egli sollten jedem "DSDS"-Fan noch ein Begriff sein. Mehrzad schoss mit seiner Single "Don't Believe" 2010 sofort an die Spitze der Charts. Ein Jahr später positionierte sich das Lied "Beautiful World" allerdings nur noch auf Platz 85. Heute ist er immer noch im Musikbusiness tätig und betreibt sein eigenes Tonstudio im Hamburg. Im Zuge dessen hat er bereits mit Rapgrößen wie Xatar oder PA Sports zusammengearbeitet.
Pietro Lombardi ist hingegen mit 1,9 Millionen Abonnenten ein echter Instagram-Star geworden. Besonders die Liebesgeschichte rund um die Zweitplatzierte Sarah sorgten für allerlei Schlagzeilen. Sein letztes Album "Lombardi" von 2020 schaffte es auf Platz zwei der Charts. In einem Gespräch mit Bodybuilder Kevin Wolter verriet er vor rund einem Jahr übrigens: "In einem richtig guten Monat kann ich eine Million Euro verdienen!" Das Geld scheffelt er allerdings großteils mit Geschäften abseits der Musik.
Luca, Gewinner der neunten Staffel, brachte 2020 sein fünftes Album mit dem Titel "110 Karat" auf den Markt und kletterte damit auf den 74. Platz der Charts. In der Schweiz schaffte er es aber, sich die zweite Position zu sichern. 2019 trat er sogar für sein Heimatland beim ESC an und holte sich den vierten Platz. Im vergangenen Jahr wurde er bei "Let's Dance" Dritter. Mit seiner Tanzpartnerin Christina Luft ist er mittlerweile in einer Beziehung.
Auch Beatrice Egli ist nach wie vor im Showgeschäft und hat sich fest als Schlagersängerin etabliert. Regelmäßig ist die Echo-Gewinnerin von 2014 in Sendungen von Florian Silbereisen zu Gast. Ihr achtes Album "Bunt – Best Of" kletterte auf Platz fünf der Charts, in der Schweiz sogar auf den ersten.
Musikalisch konnten die Gewinner aus den Jahren 2014 bis 2019 nicht mehr an ihre Erfolge nach dem Sieg anknüpfen. Dazu zählen Aneta Sablik, Severino Seeger, Prince Damien, Marie Wegener oder Davin Herbrüggen. Severino wurde 2015 wegen Betrugs verurteilt. Damien machte zuletzt als "Dschungelkönig" von sich reden und nahm an der RTL-Show "Big Performance" teil.
Maries zweites Album "Countdown" positionierte sich nach ihrem ersten "Königlich" (Platz sieben) immerhin noch auf Platz 20 der Charts. Gewinner Davin aus dem Jahr 2019 schaffte es im Gegensatz dazu mit seinem Debüt-Album "The River" nur auf den 34. Rang, so ein schlechtes Chartergebnis hat es bei "DSDS" noch nie gegeben. Besonders tragisch ist das Schicksal von Alphonso Williams, der 2019 an den Folgen einer Krebserkrankung starb. Sein Album "Mr. Bling Bling Classics" war 2017 auf Platz 15.
Richtig erfolgreich wurde nach dem "Superstar" Beatrice erst wieder Ramon Roselly, der Gewinner der 17. Staffel. Seine Single "Eine Nacht" platzierte sich nicht nur auf Platz eins, er wurde auch zweimal mit dem Preis "Die Eins der Besten" ausgezeichnet. 2020 erhielt er sogar die Goldene Henne in der Kategorie "Aufsteiger des Jahres". Auch Ramon ist wie Beatrice seit seinem Sieg immer mal wieder in Shows von Silbereisen zu sehen. Aufgrund des Skandals rund um das einstige Jury-Mitglied Xavier Naidoo sprang der Ex von Helene Fischer vergangenes Jahr ab der zweiten Liveshow ein und übernahm für die 17. Staffel kurzfristig den "DSDS"-Posten.
Ob der künftige "DSDS"-Sieger schnell in der Versenkung verschwindet wie Davin Herbrüggen, Severino Seeger oder Aneta Sablik oder doch an Erfolge wie die von Beatrice Egli, Ramon Roselly oder Alexander Klaws ran reichen kann, wird sich zeigen. Auf die weitere Unterstützung von Dieter Bohlen wird derjenige wohl in jedem Fall verzichten müssen. Ob das nun ein Gewinn oder ein Verlust ist, muss wohl jeder selbst für sich entscheiden.
Eins ist auf jeden Fall sicher: Dieter Bohlen hinterlässt nicht nur ein riesiges Loch in der Jury der Castingshow, sondern auch ein großes Vermächtnis. Dieses besteht nach fast 20 Jahre sowohl aus vielen unterschiedlich erfolgreichen Kandidaten, den Quoten-Hochs und -Tiefs als auch seinem wohl nicht unerheblichen Beitrag zu immensen Werbeeinnahmen. Beachtenswert ist auch sein Durchhaltevermögen – "DSDS" hätte er wohl auch weiterhin von selbst so schnell nicht verlassen.