Man nimmt gerade, was man kriegen kann, und diesen Erfolg haben die Kinos gebraucht. "Ein Minecraft Film" adaptierte das populäre Game von Mojang Studios, das vor knapp eineinhalb Jahrzehnten einen Hype auslöste. Fast genau so lang brodelten Pläne für eine Verfilmung.
Vergangene Woche startete der Videospielblockbuster dann in den Kinos. Regisseur Jared Hess holte unter anderem den Videospiel-erprobten Jack Black ("Super Mario") an Bord, um eine Geschichte zu erzählen, die kaum der Rede wert ist.
Jack Blacks Steve öffnet ein Portal in eine andere Welt, in der alles eckig ist. Diese Welt wird von (eckigen) Schweinewesen beherrscht und um sie zu besiegen, müssen die Hauptfiguren (unter anderem Jason Momoa) Minecraft-Techniken anwenden.
Die Kritiken fallen mies bis durchschnittlich aus. Dennoch sorgt der Film für (buchstäblichen) Jubel – sowohl in der Buchhaltung des Studios Warner als auch in den Kinosälen. Wächst hier gerade das nächste "Barbenheimer" heran?
"Ein Minecraft Film" konnte die Einnahmen-Erwartungen an das wichtige Startwochenende mehr als verdoppeln. Statt 130 Millionen US-Dollar kamen weltweit 301 Millionen zusammen, berichtet unter anderem der "Hollywood Reporter".
Studios setzen ihre Prognosen meist bewusst niedrig an, weil sich übertroffene Erwartungen schlicht positiver vermelden lassen als unterbotene.
Mit einem derart überragenden Ergebnis kalkulierte Warner aber wohl auch nicht.
Nie zuvor konnte eine Videospielverfilmung während der ersten drei Tage in den USA mehr einspielen. "Minecraft" überholte mit seinem nationalen Ergebnis von 157 Millionen selbst "Super Mario", der 2023 zwar über 200 Millionen einsammelte, dafür aber ein fünf Tage langes Osterwochenende benötigte.
"Minecraft" ist nun der bisher erfolgreichste Film des Jahres. Wie lässt sich das explosionsartige Interesse erklären?
"Minecraft" vereint natürlich einige offensichtliche Erfolgsmerkmale. Er basiert auf einer bekannten Marke und ist familientauglich.
Der Franchise-Berater David A. Gross beschreibt "Minecraft" gegenüber "Variety" als "Fünf-Quadranten-Film", der sämtliche Altersgruppen und sämtliche Geschlechter anspreche. Auch Teenager.
Und die Teenager sind verantwortlich für das, was "Minecraft" von anderen Blockbustern abhebt.
Der erste Teaser zu "Minecraft" wurde im September von Fans eher negativ empfangen. Er präsentierte den Film als formelhafte Produktion mit abgestandenen Witzen.
Gleichzeitig spielte das Promo-Material mit Insider-Jokes aus der "Minecraft"-Community, baute Referenzen ein, die sich ausschließlich an Kenner:innen des Spiels richteten. Und irgendwo hier sprang der Funke über.
Wie und wo eine Meme-Bewegung entsteht, lässt sich fast nie genau verorten. Es ging wohl los mit dem "Ich bin Steve"-Spruch von Jack Black, der im ersten Teaser prominent platziert ist.
Es ist ein lahmer Witz, doch der Spott wurde zum Treibstoff. Das "I Am Steve"-Meme ging auf sämtlichen Social-Media-Plattformen viral. Und mit ihm der dazugehörige Film.
Es entwickelte sich eine Hassliebe-Dynamik um "Minecraft", die nun wiederum während der Kinovorführungen eine einzigartige Atmosphäre herstellt.
Am Startwochenende von "Minecraft" verbreiteten sich Videos aus Kinosälen, in denen junge Gruppen unter anderem den "Ich bin Steve"-Moment frenetisch bejohlen.
Dieses Publikum scheint den memeifizierten Momenten geradezu entgegegenzufiebern. Beim "Chicken Jockey"-Witz kam Jubel auf wie in einem Fußballstadion.
Es gibt sogar Videos von Polizeieinsätzen, die die Begeisterung in den Kinosälen einhegen mussten.
Es sind Szenen, die an Wiederaufführungen von "The Room" erinnern. Um den angeblich schlechtesten Film der Geschichte entwickelte sich nach seiner Veröffentlichung im Jahr 2003 ein Kult. Die ikonischsten Trash-Momente werden bei jeder Vorführung geradezu rituell gefeiert.
Der Unterschied: Bei "Minecraft" ist "Hate-Watching" von Beginn an ein Erfolgsfaktor, der sich nun potenzieren dürfte. Die Videospielverfilmung entwickelt sich zu einem Popkultur-Event, das über seinen eigentlichen Kern, den Film, hinausstrahlt.
Sowas lässt sich, zumindest in der Form, nicht planen oder steuern, auch wenn Marketing-Menschen das gerne würden und immer wieder versuchen. Vor "M3GAN" wurden etwa gezielt Tanzvideos der Androiden-Puppe gestreut, wodurch gezielt ein junges Tiktok-Publikum in die Kinos gelockt wurde.
"Barbenheimer", das bekannteste Beispiel für virales Marketing, entstand eher aus einem Zufall heraus: dem Trotz zweier Filmstudios, die ihre großen Starts nicht verschieben wollten. Es kam zum Clash aus Pink und Grau.
"Barbie" und "Oppenheimer" wurden immerhin von der Kritik gefeiert. Dass ein Großteil des "Minecraft"-Publikums den Film offenbar ironisch schaut, ist nun eine Wendung, aus der die Studios hoffentlich nicht die falschen Lehren ziehen.