Die SPD steckt im Umfragetief. Am 26. September möchte Olaf Scholz trotz allem so viele Stimmen mit seiner Partei bekommen, dass er in einer Regierung Bundeskanzler werden kann. Ob es klappt, ist fraglich. Genauso offen ist die Rolle, die die Linke spielen wird. Markus Lanz hat zum Talk der beiden Parteien geladen. Zu Gast sind:
Markus Lanz ist in bester Grill-Stimmung. Von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil will er zu Anfang wissen, warum "der Scholz-Zug noch gar nicht losgefahren ist" – sprich, warum es noch keinerlei nennenswerte Wahlkampftätigkeit oder Popularitätssteigerung von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gibt. Klingbeil spielt die Pandemie-Karte. "Weil es gerade nicht darum geht in diesem Land." Und dann schickt er noch ironisch hinterher:
Der Streit zwischen den beiden Unionsparteien als derzeit schlagkräftigstes Argument für die SPD? Soweit sind die Sozialdemokraten also schon.
Das sieht Wirtschafsjournalist Rainer Hank auch äußerst kritisch.
Und taz-Redakteurin Ulrike Herrmann urteilt deutlich: "Das eine Problem ist der Kandidat selbst – jeder kennt ihn – was soll da neues kommen, das kennen wir doch alle die letzten 20 Jahre." Und das Wahlprogramm helfe da auch nichts. "Ihr Programm gibt gar nichts her, es ist total inhaltsleer. Viele Ankündigungen, aber kaum konkrete Zahlen."
Natürlich protestiert Lars Klingbeil da routiniert. Eigentlich hat er keinen einfachen Stand. Armin Laschet wurde in ähnlicher Konstellation vor einigen Wochen von Markus Lanz gnadenlos in die Zange genommen. Doch Klingbeil trägt offenbar einen Teflonumhang, da tropft alles ab. Lanz unterbricht ihn – und auch die anderen Teilnehmer der Runde – auffallend oft. Das ist immer gut, wenn sich Gäste in Sprachblasen flüchten. Aber diesmal grätscht Lanz schon bei Kleinigkeiten rein, besteht auf ja/nein-Antworten und verliert dabei die Gesamtheit des Gesprächs aus dem Blick.
"Schlussspurt kann die SPD", strahlt Klingbeil optimistisch, "das Rennen geht jetzt erst los. Gerade haben die Leute andere Dinge zu tun als Wahlkampf." Markus Lanz stichelt, ob es ihn störe, wenn sogar aus der eigenen Partei Kritik an ihm laut werde. Klingbeil souverän: "Es ist völlig normal, dass die Leute bei 15, 16 Prozent nervös werden, und einem Tipps geben." Er wünsche sich nur, dass sie ihm diese Tipps aufs Handy schicken und dass er sie nicht in der Zeitung lesen muss.
Er ist für eine C02-Besteuerung von 25 Euro pro Tonne. Das habe die CDU beim letzten Mal verhindert. "Es war immer die böse CDU, das haben wir schon verstanden", ätzt Lanz ironisch. Aber in Wahrheit sei es doch so gewesen bei den Verhandlungen zur Großen Koalition: "2017 hat ihr eigener Kanzlerkandidat dafür gesorgt, dass die Preise auf 10 Euro landen."
Ob er denn künftig auch auch Inlandsflüge verbieten wolle? "Lass uns das Bahnfahren attraktiver machen, dann erledigt sich das doch von alleine", findet Klingbeil.
Janina Wissler, Co-Vorsitzende der Links-Partei, lässt sich da von Lanz mehr zu einer Antwort drängen: "Ziel ist, Kurzstreckenflüge vollkommen auf die Bahn zu verlegen", um das zu erreichen, müsse man auch "über staatliche Eingriffe reden", der Markt schaffe das nicht allein, sagt sie, als Lanz sie zum dritten Mal fragt, ob sie Inlandsflüge verbieten will. Zusätzlich will sie stillgelegte Strecken und Bahnhöfe im ländlichen Raum reaktivieren. Ob sie sich damit schonmal als Verkehrsministerium bewirbt, scherzt Lanz? "Da könnte es mal einen Wechsel geben", sagt sie und grinst. Und sorgt damit für Heiterkeit in der Runde. Markus Lanz sagt gut gelaunt, dass Rücktritte ja außer Mode gekommen seien und es gebe angesichts des glücklosen Verkehrsministers Andy Scheuer mittlerweile ja das geflügelte Wort "Wie viele Scheuer hältst Du durch?"
Am Ende geht es noch um ein ernsteres Thema. Die Freigabe der Impfpatente und die Hilfe für Länder, die aktuell von Corona schwerstens betroffen sind. Lanz will wissen: Sollte man hierzulande Verzögerungen in der Impfkampagne hinnehmen, um anderen, ärmeren Ländern Impfstoff abzugeben?
Als Wissler dafür plädiert, an den globalen Süden zu denken, geht Lanz dazwischen. "Sie sind ja eine kluge Frau", sagt er zu Wissler. Das wiederum ruft Journalistin Herrmann auf den Plan, die dazwischengrätscht und Sexismus wittert: "Würden Sie das auch zu einem Mann sagen?" Lanz jedoch wehrt sich: Ja, das habe er schon oft getan, bei Olaf Scholz zum Beispiel.
"Was ist denn auf dieser Welt wichtiger als die Gesundheit von Menschen?“, fragt Wissler schließlich. Für sie ist das also keine Frage. Es gebe die Verantwortung für den globalen Süden. "Ich bin auch der Meinung, dass man diese Länder mit Impfstoff unterstützen muss."
Die USA und Deutschland sollten Impfstoffe nach Indien abgeben. Das sei auch eine Frage des Eigeninteresses. So verhindere man, dass eine resistente Virus-Variante entsteht. Dafür könne man auch hierzulande Impftermine absagen und nach hinten verschieben. Für Rainer Hank ist der Wunsch nach Freigabe der Patente hingegen nur "eine populistische Forderung". Die Herstellung der Impfstoffe sei technisch zu kompliziert und nicht leicht zu bewerkstelligen. "Es wird nicht funktionieren", glaubt auch Ulrike Herrmann.
Markus Lanz fragt auch Klingbeil, ob er Bundesbürger warten lassen würde, um Indien mit Impfstoff-Lieferungen durch die 3. Welle zu helfen. Klingbeil drückt sich trotz klarer "ja/nein"-Zuspitzung und mehrfacher Nachfrage um die harte Antwort und sagt, dass er jedem Bundesbürger bald einen Impftermin anbieten wolle, aber man gleichzeitig die Kapazitäten hochfahren müssen. Und so gibt Markus Lanz Klingbeil und seiner auf niedrigem Umfrageniveau dümpelnden SPD zum Schluss noch genüsslich einen mit: "Bei 15 Prozent würde ich mich auch mit keinem mehr anlegen."