
Bei Disney Plus startet die neue "Star Wars"-Serie "The Acolyte" von Leslye Headland. Bild: imago images / doug peters
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Wenn eine Showrunnerin auf die Frage "Wie bist du damit umgegangen?" mit "viel Therapie" antwortet, dann kann es nur um ein neues "Star Wars"-Projekt gehen. Am 4. Juni startet bei Disney Plus die Serie "The Acolyte" von Leslye Headland – die erste Frau überhaupt, die federführend eine "Star Wars"-Serie gestaltete.
Headland war 2019 für die gefeierte, aber maximal eigenwillige Netflix-Serie "Russian Doll" zuständig. Sie ist nicht die offensichtliche Showrunner-Wahl für eine Serie in einem Franchise, das in der Vergangenheit so seine Probleme mit eigenwilligen Visionen hatte.
"The Acolyte" wirbelt das "Star Wars"-Universum auf
Als Rian Johnson 2017 den bis dahin widerspenstigsten "Star Wars"-Film "Die letzten Jedi" vorlegte, löste er einen Kulturkrieg innerhalb des Fandoms aus. Das Franchise hat sich davon seither nicht mehr erholt.
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Johnson hatte es gewagt, die Galionsfigur Luke Skywalker zu brechen. Er machte sich über die Nostalgie und den Fan-Service des Vorgängers "Star Wars 7" lustig. Er verließ eingefahrene Bahnen, und den Reaktionen nach zu urteilen hätte er den Alt-Fans auch gleich ins Gesicht spucken können. Petitionen wurden aufgesetzt, Stars wie Kelly Marie Tran verließen nach Shitstorms Social Media.
Fast alle neuen "Star Wars"-Projekte versicherten dem konservativen Teil des Fandoms anschließend hoch und heilig, aber mal so gar nichts mit dem Revoluzzertum von "Die letzten Jedi" anfangen zu können. Alles blieb, wie es ist. "Andor" ausgenommen, schwelgten Projekte wie "Obi-Wan" und "The Mandalorian" vor allem in Erinnerungen und verkörperten erzählerischen Stillstand.
Jetzt kommt also "The Acolyte". Die Serie spielt hundert Jahre vor "Star Wars: Episode 1" und ist damit früher in der Franchise-eigenen Zeitrechnung angesiedelt als jedes Live-Action-Projekt zuvor. Diese Zeitreise ermöglicht einen neuen, unbequemen Blick auf bekannte Verhältnisse. Die Jedi erscheinen bisweilen wie eine viel zu mächtige Sektenvereinigung.
In der Handlung untersucht ein Jedi-Meister eine Reihe von Mordanschlägen und stößt auf eine ehemalige Schülerin. Deren Darstellerin Amandla Stenberg spielt Zwillingsgeschwister, die ihre außergewöhnlichen Machtbegabungen unterschiedlich gebrauchen – auf eine dunkle und eine helle Weise.
"Star Wars"-Showrunnerin Leslye Headland über Revoluzzer-Stress
Leslye Headland wollte unbedingt diese und damit ihre ganz eigene "Star Wars"-Serie drehen. Sie nahm die psychischen Folgen dafür in Kauf und damit sind wir wieder bei der angesprochenen Therapie.

Leslye Headland ging mit ihrer Serie viel Risiko ein.Bild: Disney
Wie verwirklicht man in diesem giftigen "Star Wars"-Klima eine Serie, in der die Jedi sogar ein bisschen böse wirken? Und: Was macht das mit einem?
Wir haben Leslye Headland zu einem virtuellen Interview getroffen.
Auf die Frage nach den mit "Star Wars" verbunden Erwartungen antwortet sie mit bitterer Ironie:
"Danke für die Erinnerung. Es ist ja nicht so, dass ich darüber nicht jeden Tag in den letzten Jahren nachgedacht hätte."
Und sie kämpft immer noch damit, sagt sie. Zudem habe Headland eben "viel Therapie" in Anspruch genommen. Und: "Meine Frau war sehr unterstützend. Das Geheimnis meines Erfolges ist meine Frau. Ich denke, es ist wichtig, jemanden zu Hause zu haben und zu sagen: 'Ich habe so große Angst.'" Solche Gefühle könne sie als starke kreative Führungskraft mit ihrer Crew nicht teilen.
Angst vor Jedi? "Mission erfüllt"
Angst hatte Headland, weil sich "The Acolyte" anders anfühlt als etwa die meist zuckersüßen Episoden von "The Mandalorian". Ihre Serie ist näher dran an den teilweise verhassten Ideen von "Die letzten Jedi". Sie ist düsterer und erwachsener als die letzten Projekte. War Leslye Headland diese Abgrenzung wichtig?
"Jeder stellt mir diese Frage, aber ich denke, Star Wars ist ziemlich düster. Anakin tötet einen Haufen Kinder, in dieser Serie werden keine Kinder getötet. Ich denke, diese Frage wird mir gestellt, weil die Charaktere moralische Grauzonen haben."

Die Besetzung von "The Acolyte" (und ein Wookie).Bild: imago images / Doug Peters
Die stets strahlenden Held:innen der Welt, die Jedi, sind die herrschende Macht in dieser Zeit. Und sie benehmen sich auch so. Man fühlt sich unwohl in ihrer Gegenwart – was mir in meiner Zeit als "Star Wars"-Fan noch nicht passiert ist. Darüber freut sich Leslye Headland:
"Mission erfüllt. Ich denke, dass es in 'Star Wars' im Kern, zusätzlich zu den Familiendynamiken, um die Kämpfe von Außenseiter:innen gegen Institutionen geht."
Die Jedi und die Rebellen-Allianzen bekämpfen in fast allen "Star Wars"-Filmen das Imperium, das selbst nach fatalen Niederlagen stets zurück zu alter Stärke findet und den Rest der Galaxie brutal unterdrückt. "The Acolyte" bildet ein anderes Kräfteverhältnis ab:
"Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Jedi die Institution sind, eine wohlwollende natürlich. Aber immer, wenn man 'Star Wars' schaut, fühlt man sich von den Institutionen bedroht."
Womöglich löst "The Acolyte" mit dieser Vision den nächsten "Star Wars"-Kulturkampf aus. Oder das Fandom hat sich in den letzten sieben Jahren weiterentwickelt. Das wäre gut für "Star Wars" – und für Leslye Headlands psychische Gesundheit.
"The Acolyte" startet am 4. Juni exklusiv bei Disney+ mit einer Doppelfolge. Grundlage dieses Artikels waren die ersten vier Folgen.
Pinar Atalay ist die erste Moderatorin mit türkischen Wurzeln, die das ARD-Flaggschiff "Tagesthemen" moderierte. Ein Ritterschlag für die Journalistin – und das ganz ohne Studium. Dabei war Journalismus nie ihr Traumberuf.