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ESC: Jendrik Sigwart erklärt, was für Fehler Deutschland beim Song Contest macht

ARCHIV - 24.02.2021, Hamburg: Jendrik Sigwart, S
Jendrik Sigwart vertritt Deutschland beim ESC 2021.Bild: dpa / Christian Charisius
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"Andernorts steht das Land selbst viel mehr hinter seinem ESC-Beitrag" – Jendrik Sigwart erklärt, welchen Fehler Deutschland beim ESC macht

22.05.2021, 05:0022.05.2021, 17:37
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Nachdem 2020 der Eurovision Song Contest aufgrund der Corona-Lage ausfallen musste, dürfen dieses Jahr die Künstler tatsächlich wieder live auf der Bühne stehen. In Rotterdam wird Jendrik Sigwart Deutschland vertreten. Jendrik wer? Um eine bekannte Größe in der Musikwelt handelt es sich bei dem 26-Jährigen tatsächlich nicht. Aber er setzte sich beim Vorentscheid, der 2021 fernab der Öffentlichkeit stattfand, mit "I Don't Feel Hate" gegen zahlreiche andere Künstler durch.

Mit watson sprach Jendrik über seinen Weg zum ESC, warum der Vorentscheid unter Ausschluss der Öffentlichkeit sowohl Fluch als auch Segen war, den ESC unter Corona-Auflagen und seine Pläne nach dem Contest.

watson: Wie kamst überhaupt zum ESC-Vorentscheid, der ja diesmal ohne großes öffentliches Aufsehen, stattgefunden hat?

Jendrik Sigwart: Durch Instagram und Tiktok. Oder besser gesagt: Durch 18 kaputte Waschmaschinen (lacht).

Das musst du näher erklären.

Ich hatte dieses Musikvideo-Projekt geplant und wollte mich damit beim ESC bewerben, aber habe online keine Details zur Anmeldung gefunden. Wobei der NDR im Nachhinein sagt, es hat sehr wohl einen Link gegeben. Ich glaube denen das auch, aber der war halt sehr schwer zu finden. Außerdem haben sie wohl viele Künstler und Künstlerinnen einfach selbst angeschrieben, darunter viele, die zuvor durch Musik-Castingshows bereits in Erscheinung getreten waren. Ich hingegen hab noch nie bei so etwas mitgemacht. Ich war in den letzten Jahren Musicaldarsteller, nur mein Traum war der ESC. Wie gesagt: Ich habe versucht mich zu bewerben, doch es klappte nicht.

Entertainment Themen der Woche KW19 Entertainment Bilder des Tages Jendrik Sigwart of Germany / Eurovision Song Contest in Rotterdam, the Netherlands on May, 2021. The festival takes place in an adapt ...
Jendrik Sigwart versuchte über Tiktok die ESC-Verantwortlichen auf sich aufmerksam zu machen.Bild: imago images / ANP
"Es wurde vermutlich nicht mal erkannt, dass ich mich als Künstler melde."

Wie bist du dann vorgegangen?

Am Ende habe ich dem NDR sogar gemailt, aber es kam nur eine freundliche Standard-Mail à la "Vielen Dank für Ihr Interesse am ESC" zurück. Es wurde vermutlich nicht mal erkannt, dass ich mich als Künstler melde. Dann habe ich versucht, über mein Musikprojekt Aufmerksamkeit zu generieren.

Wie sah das aus?

Durch Corona hatte ich ohnehin mehr Freizeit, weil meine Aufträge abgesagt wurden. Also habe ich mir ein Setting für mein Musikvideo-Projekt überlegt, über eBay-Kleinanzeigen 18 kaputte Waschmaschinen geholt und mit meinen Freunden und meiner Familie einen Waschsalon nachgebaut. Dort wurde dann das Musikvideo gedreht. Ich habe dabei alles selbst geplant und aus eigenen finanziellen Mitteln realisiert.

Und dann wurde der NDR auf dich aufmerksam?

Nee, so einfach war das nicht. Eine Freundin riet mir: Schrei es doch einfach in die Welt hinaus und schlug mir vor, Behind-the-scenes-Videos zu dem Musikvideo zu erstellen und in den sozialen Medien zu posten. Ihre Hoffnung war, dass so jemand auf mich aufmerksam wird, der Connections zum NDR bzw. zu den ESC-Verantwortlichen hat. Und so hab ich's dann auch gemacht. Eins der Videos hat auf Tiktok dann 250.000 Views bekommen und daraufhin meldete sich jemand bei Instagram bei mir, der Kontakt zu den ESC-Leuten hatte.

Wie ging es dann weiter?

Ich habe der fremden Person im Netz – im Nachhinein wahnsinnig naiv! – den Song geschickt. Dieser wurde dann weitergeleitet und dann kontaktierte mich tatsächlich der NDR und ich kam in die erste Runde.

"Als Newcomer oder als jemand, der noch nie seine eigene Musik gemacht hat, wäre es natürlich besser gewesen, wenn das Prozedere mehr Öffentlichkeit erfahren hätte."

Fandest du es gut oder eher nicht so gut, dass es diesmal intern entschieden und gar nicht im Fernsehen Voting und Co. gezeigt wurden?

Ich verstehe, warum sie das intern gemacht haben. Weil es ist tatsächlich so, dass Künstlerinnen und Künstler, die schon einen größeren Namen haben, sich wieder bewerben, weil sie eben nicht diesem öffentlichen Druck ausgesetzt sind. Aber als Newcomer oder als jemand, der noch nie seine eigene Musik gemacht hat, wäre es natürlich besser gewesen, wenn das Prozedere mehr Öffentlichkeit erfahren hätte. Denn wäre ich es nicht geworden, hätte ich nie verraten dürfen, dass ich tatsächlich in dem Prozess dabei war. Wäre es hingegen öffentlich gewesen, hätte ich mir schon durch die Teilnahme eine Fanbase aufbauen können – auch, wenn ich es nicht geworden wäre. Jetzt hab ich das große Glück, dass ich es geworden bin und diese Story überall erzählen darf.

Weißt du, warum es so top secret gehalten wird, wer in dem Prozess noch im Rennen war?

Ja, wegen dem Hass, wegen dem Druck von außen. Dadurch, dass in Deutschland der ESC so verpönt ist und man, wenn man nicht der Gewinner ist, direkt als Verlierer gilt. Da gibt's nichts dazwischen. Deshalb hat der NDR gesagt, wir wollen unsere Künstlerinnen und Künstler schützen. Vor allem diejenigen, die noch sehr jung oder weniger selbstbewusst sind. So ein Druck der Öffentlichkeit kann schon sehr hart sein.

24.02.2021, Hamburg: Jendrik Sigwart, S�nger und Musical-Darsteller, l�chelt bei einem Fototermin an der Alster. Sigwart pr�sentiert am 25.02.2021 erstmals den offiziellen deutschen Beitrag f�r den Eu ...
Jendrik ist eigentlich Musical-Darsteller.Bild: dpa / Christian Charisius

Aber ihr Künstler wisst schon, wer dabei war?

Die Künstler aus dem Finale mussten nacheinander auf die Bühne. Also ja, zumindest über die Finalisten wissen wir untereinander Bescheid.

"Das ist auch so typisch deutsch zu sagen, beim ESC sind wir immer schlecht."

Und nach dem Finale hat der NDR intern entschieden?

Nee, so stimmt es nicht. Das Finale war ein Live-Auftritt, aber entschieden hat der NDR selbst gar nichts. Sondern es waren zwei externe Jurys, die ausgewählt worden sind. Zum einen eine 20-köpfige Musik-Experten-Jury, die alle individuell abgestimmt haben. Und zum anderen eine 100-köpfige ESC-Zuschauer-Jury. Auch die hat einzeln abgestimmt und wer dabei die besten Ratings hatte, wurde ausgewählt. Der NDR hat tatsächlich gar nicht beeinflussen können, wer gewinnt. Ich weiß auch nicht, ob sie mich gewählt hätten (lacht). Aber im Nachhinein sind sie sehr happy.

Jetzt vertrittst du halt Deutschland beim ESC. Aber zuletzt war ja Deutschland nicht mehr so besonders erfolgreich. Vor allem nach Lena ging es steil bergab. Was glaubst du, was steckt dahinter? Warum ist Deutschland so wenig erfolgreich beim ESC?

Das kann ich dir gar nicht sagen – und es stimmt ja auch nicht. Michael Schulte war ja auch vorne mit dabei. Was mir auffällt, vor allem bei den hinteren Platzierungen: Dass die Leute vielleicht gar nicht so hinter ihrem Song stehen. Das ist jetzt gar nicht nur bei Deutschland so, sondern allgemein. Wie gesagt, so schlecht war Deutschland auch die letzten Jahre nicht. Das ist auch so typisch deutsch zu sagen, beim ESC sind wir immer schlecht.

Anders gefragt: Was machen denn andere Länder deiner Meinung nach vielleicht besser? Hat der ESC bei denen vielleicht auch einfach einen anderen Stand?

Ja, das auf jeden Fall. Andere Länder schenken dem ESC um Massen mehr Aufmerksamkeit und machen vorher riesige Shows, stecken zuvor viel Arbeit hinein. Was in Deutschland aber auch der Fall ist – in den internen Prozess wurde ebenfalls wahnsinnig viel Arbeit gesteckt. Ich glaube, was einfach der Unterschied ist: Andernorts steht das Land selbst viel mehr hinter seinem ESC-Beitrag und fiebert ganz anders mit.

"Ich erwarte, dass ich das Ding zu 100 Prozent genießen kann – und das werde ich auch machen."

Schade, denn man hatte ja gerade damals, als Stefan Raab sich der Sache angenommen hatte und Lena für Deutschland antrat, das Gefühl, dass der ESC doch in einem anderen Licht stand. Was ist denn deiner Meinung nach beim ESC besonders wichtig für den Erfolg?

Ich denke, es ist immer abhängig von den Umständen, auch, wann der Song gespielt wurde. Und auch, in wieweit der Künstler er selbst auf der Bühne ist.

Wie schätzt du deine diesjährigen Chancen ein?

Darüber mache ich mir gar keine Gedanken. Das ist davon abhängig, wie es in zwei, drei Wochen aussieht. Ich kann mich oben sowie weit unten in der Tabelle sehen. Das ist auch ganz davon abhängig, wie sich die jeweiligen Künstler am Tag des Auftritts fühlen.

Was erwartest du dir von deiner Teilnahme?

Spaß! Ich erwarte, dass ich das Ding zu 100 Prozent genießen kann – und das werde ich auch machen.

Wie sieht es denn wegen Corona rund um den ESC aus? Ist der Terminplan so voll, wie es bei den Teilnehmern früherer ESCs war?

Pre-Partys und Co. haben dieses Jahr nicht stattgefunden – nur online. In Rotterdam werden wir auch eher zwischen Arena und Hotel pendeln. Ein oder zwei Ausflüge sind geplant – aber nur unter hohen Corona-Auflagen.

Kannst du denn jemanden mitnehmen zum ESC als Unterstützung oder ist das durch Corona gar nicht möglich?

Das ist durch Corona leider gar nicht möglich.

Wie traurig, denn etwas Publikum ist ja in der großen Halle dann doch wieder erlaubt...

Das stimmt, aber es sind alles nur Niederländer.

"Wenn man sich so jemanden als Vorbild nimmt, gleicht man sich zu sehr an diese Personen an."

Glaubst du, es ist eher ein Vor- oder ein Nachteil, dass du als Künstler noch recht unbekannt bist?

Ich glaube, das ist total irrelevant. Klar, ich glaube schon, dass die Künstler, die bereits im letzten Jahr dabei waren und nun wieder antreten, wie Island, schon eine Fanbase haben, von der sie unterstützt werden. Aber das ist auch das einzige.

Hast du ein Vorbild aus der ESC-Vergangenheit?

Nö!

Keine Lena, kein Raab, kein Guildo Horn?

Die waren alle super, aber ich glaube, wenn man sich so jemanden als Vorbild nimmt, gleicht man sich zu sehr an diese Personen an. Dann ist man nicht mehr man selbst.

Ankunft der Eurovision Song Contest 2010 Gewinnerin Lena Meyer-Landrut am Flughafen Hannover, Stefan Raab und Lena am Flugzeug DeFodi001
Lena gewann 2010 den ESC.Bild: imago images / imago stock&people

Was hat Lena deiner Meinung nach damals so beliebt gemacht?

Wenn ich das wüsste, würde ich das dieses Jahr auch machen…

Hast du einen Favoriten dieses Jahr?

Ja, hab ich, aber ich fühle mich immer unwohl diesen zu benennen. Denn dann klingt es so nach Fan-Moment. Denn es sind ja nun alles Kollegen und Kolleginnen, die ich kennenlerne.

"Für den Auftritt selbst bekomme ich kein Geld."

Was ist dein Plan für nach dem ESC?

Natürlich würde ich gerne meine eigene Musik rausbringen und das etwas pushen. Aber das ist eine Frage von Geld und gerade sehe ich das noch nicht, weil das Geld einfach fehlt.

Bekommst du für deine ESC-Teilnahme denn keine Gage?

Ich bin jetzt beim NDR angestellt, da gibt es eine monatliche Gage. Aber reich macht das nicht. Und für den Auftritt selbst bekomme ich kein Geld. Und der Vertrag mit dem läuft auch nur noch im Mai – dann ist's vorbei.

Du sagtest ja bereits, dass du als Musicaldarsteller gearbeitet hast, willst du das nach Corona weiterführen?

Ja, entweder das oder meine eigene Musik. Da bin ich noch ganz offen. Mein Herz schlägt für alle Richtungen. Wobei ich auch Lust hätte zu schauspielern und in einem Film oder einer Serie mitzuspielen.

Hast du schon Berührungspunkte in Richtung Schauspiel?

In der Musical-Ausbildung hast du ja drei Schwerpunkte: Gesang, Tanz und Schauspiel. Das ist ein krasses Klischee zu sagen, dass Musicaldarsteller nicht schauspielern können, denn das können sie.

Hast du schon konkrete Vorstellungen, worauf du da Lust hättest?

Nee, aber ich könnte mir auch ein Reality-Format vorstellen. Zum Beispiel "Taskmaster". Das gibt es bislang aber nur in England. Wenn es das hier mal geben wird, würde ich mich sofort bewerben.

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