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Neue ZDF-Serie "Am Anschlag" – Lea Zoë Voss im Interview mit watson

Saschi (Lea Zoë Voss, l.) macht ihrem Ex-Freund Mario (Paul Wollin, r.) klar, dass sie nichts mehr von ihm wissen will und er sich aus ihrem Leben raushalten soll.
Lea Zoë Voss spielt die unkonventionelle Saschi in der neuen ZDF-Produktion "Am Anschlag – die Macht der Kränkung".Bild: ZDF / Petro Domenigg / FILMSTILLS.AT K
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"Wir müssen uns generell noch mehr für Toleranz sensibilisieren. Man darf Menschen nicht zu schnell verurteilen": Was Schauspielerin Lea Zoë Voss an ihrer neuen Serie besonders wichtig ist

20.08.2021, 20:50
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Ab dem 20. August steht die neue Serie "Am Anschlag – die Macht der Kränkung" in der Mediathek von ZDF zum Abruf bereit. Das Drama handelt von einem Amoklauf in einem Einkaufszentrum und beleuchtet die Vor- und Nachgeschichte des Vorfalls aus der Perspektive mehrerer Figuren. Sie alle haben – unsichtbar für andere – im Alltag mit Konflikten und Erniedrigungen zu kämpfen, sodass die Macher letztlich fragen: Inwieweit ist vielleicht sogar jeder zu einer schrecklichen Gewalttat fähig, wenn die innere Verzweiflung immer stärker wird?

Zu den Charakteren zählt unter anderem die unkonventionelle Saschi, die nicht nur durch ihren außergewöhnlichen Look hervorsticht. Im Interview mit watson erklärt Darstellerin Lea Zoë Voss, wie ihre Serienfigur zum Leben erweckt wurde und berichtet von ihren vielfältigen Interessen abseits der Schauspielerei – eine gerade unter jungen Leuten sehr beliebte Tätigkeit kommt für die 25-Jährige aber eher nicht hauptberuflich in Betracht.

Watson: "Am Anschlag – die Macht der Kränkung" handelt davon, dass eigentlich alle Menschen auf irgendeine Weise gekränkt sind, weil es auf Dauer unmöglich ist, ohne seelischen Schmerz durchs Leben zu gehen. Hat dich die Geschichte für Dinge sensibilisiert, die dir persönlich im Alltag zusetzen? Vieles frisst man einfach in sich hinein…

Lea Zoë Voss: Die Serie bringt einen in vielerlei Hinsicht zum Nachdenken. Ich weiß noch, wie ich die Serie im Zug durchgeschaut habe. Sie machte etwas mit mir, berührte mich. Danach habe ich mich im Abteil umgeguckt, mir die Leute angeschaut und gemerkt: Ich kenne hier wirklich niemanden, ich sehe nur das Äußerte vom Äußeren, eben ihre Hülle. Ich habe überhaupt keine Ahnung, was in ihnen gerade vorgeht.

"Es ist einfach so, dass Frauen es beruflich schwerer haben, was etwa die Besetzung von Stellen betrifft. Das ist Fakt. Daher finde ich es auch gut, dass die Serie das Thema Macht und Ungleichheit aufgreift."
Saschi (Lea Zoë Voss) hat Probleme damit, dass ihr Freund Mario (Paul Wollin) so eifersüchtig ist.
Saschi lässt sich von ihrem eifersüchtigen Freund Mario (Paul Wollin) nicht alles gefallen.Bild: ZDF / Petro Domenigg / FILMSTILLS.AT K

Also ist Empathie ein wichtiges Anliegen der Serie?

Mir wurde bewusst: Wir müssen uns generell noch mehr für Toleranz sensibilisieren. Man darf Menschen nicht zu schnell verurteilen, man muss Geduld mit ihnen haben. Weil man nie weiß, was einer Person an dem Tag vielleicht schon passiert ist, sollte man einfach versuchen, freundlich zu sein. Ich finde, daran müssen wir alle etwas mehr arbeiten. Wir sollten unsere Ich-Bezogenheit hinter uns lassen und dafür mehr auf andere achten.

In "Am Anschlag – die Macht der Kränkung" gibt es mehrere weibliche Figuren, die sich gegen toxische Verhaltensweisen von Männern behaupten müssen beziehungsweise von Männern unterdrückt werden. Ist das auch ein Anspruch der Serie, über gesellschaftliche Machtverhältnisse zu erzählen und sie zu kritisieren?

Ja, total. Man bekommt ja mit, dass es immer noch so ist und Frauen kleingehalten werden. Zwar verbessert es sich langsam, aber wir sind noch lange nicht da angekommen, wo wir sein sollten. Es ist zum Beispiel einfach so, dass Frauen es beruflich schwerer haben, was etwa die Besetzung von Stellen betrifft. Das ist Fakt. Daher finde ich es auch gut, dass die Serie das Thema Macht und Ungleichheit aufgreift – und die Darstellung ist ja auch keineswegs überzogen. Man kann sich bei jeder Geschichte vorstellen, dass sie sich auch in der Realität zuträgt.

Gab es etwas Bestimmtes, das dir speziell an deiner Figur der Saschi imponiert hat?

Das Interessante an ihr finde ich, dass sie von den erwachsenen Figuren die einzige ist, deren Hintergrundgeschichte nicht auserzählt wird. Der Zuschauer erfährt nicht, was ihr in jüngeren Jahren passiert ist oder was genau hinter ihren vielen Tattoos und den bunten Haaren steckt. Ihr Aussehen ist ja sehr unkonventionell, eigentlich ist sie selbst ein Kunstwerk. Saschi mag an Menschen das Unverstellte, was sich zum Beispiel in einer Szene zeigt, in der sie eine Obdachlose malt. Sie liebt das Wahrhaftige und ist eine von Herzen gute Person – obwohl sie vermutlich eine schwierige Vergangenheit hat. Das mag ich sehr an ihr.

Also bleiben dem Publikum wichtige Infos vorenthalten?

Der Regisseur Umut Dağ und ich haben uns getroffen und lange über eine Hintergrundgeschichte für sie nachgedacht. Die erfährt der Zuschauer zwar nicht, aber ich als Schauspielerin konnte es in mehreren Szenen sehr gut nutzen, um den Charakter (auch eigenständig) mit Leben zu füllen. Das hat mir enorm geholfen. Dass die düsteren Hintergründe zu Saschi nicht direkt aus der Serie hervorgehen, ist wichtig, denn so kann sich der Zuschauer darauf konzentrieren, dass sie am Ende sogar eine Hoffnungsträgerin inmitten aller Tragik ist.

Du erwähntest bereits den außergewöhnlichen Look von Saschi. Du hast dir für die Rolle Tattoos aufkleben lassen, hinzu kommen ihre ungewöhnliche Haarfarbe und Piercings. Genießt du es, wenn du dich für deinen Job auch starken optischen Veränderungen unterziehst oder war diese starke Transformation eher unangenehm?

Schon beim Lesen des Drehbuchs fand ich es super spannend, wie Saschi äußerlich beschrieben wurde. Sie ist so ganz anders als ich. Ich käme privat zwar nicht auf die Idee, mich genauso wie sie zu stylen, aber jedes einzelne Tattoo-Motiv von ihr war großartig durchdacht. Als ich die Tattoos dann bekommen habe, war ich wirklich überrascht, wie schön es aussah. Auch die blauen Haare und die Piercings haben dazu gepasst, ich habe sogar Komplimente bekommen! Daher verstehe ich jetzt sogar, warum Leute so etwas machen.

Also denkst du jetzt doch auch selber über Tattoos und Körperkunst nach?

(lacht) Nein, ich denke, ich würde das privat trotzdem nicht machen. Für diese Zeit fand ich es allerdings sehr cool – auch, wenn ich jeden Tag von allen am längsten in der Maske saß, weil die Tattoos immer neu aufgeklebt werden mussten. Es hat einfach Spaß gemacht und generell mag ich es gern, so richtig in eine Figur einzutauchen. Wenn ich mich für eine Rolle entschieden habe, gehört es oft dazu, dass man sich optisch verändert. Und dann steht es mir eigentlich auch nicht zu, irgendwelche Grenzen zu setzen.

Panik in der „Sunshine City“. Saschi (Lea Zoë Voss) flüchtet gemeinsam mit Milan (Ben Winkler), dem Sohn von Mario, vor den Schüssen.
Saschi flüchtet gemeinsam mit dem kleinen Milan (Ben Winkler), als Panik ausbricht.zdf /Umut Dag / Tivoli Film / Mona film

Im Verlauf deiner Karriere hast du bislang hauptsächlich in Serien mitgespielt. Wie erklärst du dir den allgemeinen Serien-Hype, gerade seit Streaming-Dienste wie Netflix auf dem Vormarsch sind?

Natürlich fällt es auf, dass in den letzten Jahren extrem viele Serien für die ganzen großen Streaming-Dienste produziert wurden. Ich glaube, ein Grund für diesen Serien-Boom ist, dass man die Figuren einfach besser erzählen kann. Im Film hast du für alles nur sehr begrenzt Zeit, eine Serie hingegen kann theoretisch über viele Staffeln gehen. Und wenn mehr Zeit für die Figuren vorhanden ist, kann das wiederum dazu führen, dass die Zuschauer sich stärker mit ihnen identifizieren. Das ist schon ein großer Vorteil, den Serien im Allgemeinen haben.

"Mich würde es nicht erfüllen, jeden Morgen aufzustehen und Produkte in die Kamera zu halten. So viel am Handy hängen will ich auch nicht."

Du stehst nicht nur vor der Kamera, sondern warst auch schon als Podcasterin tätig und hast mit "Lynn ist nicht allein" ein True-Crime-Hörspiel aufgenommen. Wie wichtig ist es dir, im Beruf auch Abwechslung zu haben?

Ich bin generell ein total offener Mensch und interessiere mich für sehr vieles. Gerade im Bereich der Schauspielerei kann man einiges ausprobieren und ich hatte schon immer mal Lust, ein Hörspiel zu machen. Einer der Produzenten von "Lynn ist nicht allein" hatte vorher den Podcast "Wo drückt's?" gehört, den ich mit Lilly Charlotte Dreesen aufgenommen habe. Daraufhin kam er auf mich zu und bot mir letztlich an, die Olivia bei "Lynn ist nicht allein" zu sprechen. So führte dann sogar das eine zum anderen. Ich liebe es auch sehr, zu singen und zu tanzen. Da setze ich mir überhaupt keine Grenzen.

Könntest du dir denn, wie viele junge Menschen auch, eine Karriere als Influencerin vorstellen?

Puh, das ist ein großes und schwieriges Thema. Ich würde mich nicht gerne als Influencerin vermarkten, das kann ich zumindest sagen. Mich würde es nicht erfüllen, jeden Morgen aufzustehen und Produkte in die Kamera zu halten. So viel am Handy hängen will ich auch nicht. Ich finde es aber total okay, wenn andere das machen möchten. Man verdient damit ja auch nicht schlecht. Nur meine Leidenschaft ist es nicht. Ich spiele lieber Theater oder stehe vor der Kamera und tobe mich auf diese Weise kreativ aus. Ich kenne aber auch sehr engagierte Influencerinnen und Influencer, die junge Menschen über Ernährung, über den Klimawandel, über politische Zusammenhänge oder die Bedeutung von Bewegung aufklären.

Lorenz (Jonas Holdenrieder) und Saschi (Lea Zoë Voss) genießen ihr erstes Date im Schwimmbad und kommen sich dabei näher.
Saschi genießt ihr erstes Date mit Lorenz (Jonas Holdenrieder).zdf / Umut Dag / Tivoli Film / Mona Film

Also dir persönlich genügt es, hin und wieder Fotos auf Instagram zu posten?

Auch das ist irgendwie schwierig, denn ich weiß nie, was ich da posten soll. Ich will keine zu privaten Bilder posten, also nichts aus meinem Urlaub oder von dort, wo ich gerade esse. Oft läuft es darauf hinaus, dass ich Bilder von irgendwelchen Fotoshootings hochlade. Zuerst denke ich immer, dass das ja ganz schön aussieht, aber wenn ich mein Profil später näher betrachte, merke ich: Oh Gott, da sind nur Bilder von mir. Und das passt mir dann auch wieder nicht. Ich bin da sehr zwiegespalten, was Instagram angeht.

Du hast mehrere Projekte während der Corona-Zeit umgesetzt. Die Comedy-Serie "Liebe. Jetzt!" mit Jürgen Vogel hast du im Frühjahr 2020 sogar von zu Hause aus gedreht. War das auch eine spannende Erfahrung oder einfach nur enorm kompliziert?

Das war eine total interessante Erfahrung! Für "Liebe. Jetzt!" kam nur ein Kameramann zu uns in die Wohnungen, um die Kameras zu installieren und das Licht aufzustellen. Dann ist er wieder gegangen und wir hatten anschließend über Zoom einen Call mit der Crew. Wir Schauspieler saßen daheim und bekamen Anweisungen, auf welche Knöpfe wir drücken sollen. Wir haben quasi auch selbst die Klappe geschlagen. Spannend war das deshalb, weil wir auf diese Weise die Arbeit gemacht haben, die normalerweise andere erledigen. Zum Teil war es anstrengend und ich hatte immer Angst, dass ich meinen Part versehentlich nicht aufzeichne und alles wiederholt werden muss. Spaß gemacht hat es aber dennoch.

Die sechsteilige Dramaserie "Am Anschlag – die Macht der Kränkung" ist ab dem 20. August 2021 in der ZDF Mediathek abrufbar. Am 24. und 25. August zeigt außerdem ZDFneo jeweils drei Folgen ab 21.45 Uhr.

Nickelodeon-Skandal: Kinderschauspielerin wohl zu Kuss mit älterem Mann gezwungen

Ab Ende der 90er-Jahre bis in die späten 2000er-Jahre hinein dominierte der US-Sender Nickelodeon das Kinder- und Jugendfernsehen. Serien wie "iCarly", "Drake and Josh" und "Zoey 101" gingen aus der Nickelodeon-Schmiede hervor. Stars wie Ariana Grande und Austin Butler sammelten hier erste Schauspielerfahrungen.

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