Visa Vie interviewte einst Rapper, heute ist sie besonders als Podcasterin, Autorin und Moderatorin erfolgreich. Gemeinsam mit Ines Anioli startete sie 2021 "Weird Crimes" und mischte bei dem viel umkämpften Genre True Crime mit.
Charlotte Mellahn, auch besser bekannt unter ihrem Spitznamen Lottie, macht jetzt allein und mit ihrem eigenen Podcast "Plot House" weiter. Im August war nach 72 Folgen für sie mit dem gemeinsamen Anioli-Projekt Schluss. Die beiden füllten mit ihrer Live-Tour Arenen und wurden 2023 mit dem Deutschen Podcast Preis ausgezeichnet.
Im Interview mit watson spricht Lottie offen darüber, warum sie nicht den Anspruch hat, an ihren vorangegangenen Erfolg anzuknüpfen, erklärt, was der Neuanfang für sie bedeutet und offenbart, wie sie mit ihrer Long-Covid-Erkrankung lebt.
watson: Dein neues Podcast-Projekt lautet "Plot House". Was bedeutet der Titel?
Lottie Mellahn: Plot bedeutet ja Handlung und dementsprechend ist es ganz plump übersetzt sowas wie das Haus der Handlungen, also ein Ort, an dem einen immer spannende Geschichten erwarten.
Wie waren die letzten Wochen für dich?
Sehr aufregend und nervenaufreibend, aber gleichzeitig wunderschön, weil ich während der Aufnahmen der ersten "Plot House"-Folgen den berühmten Zauber gespürt habe, der den meisten Anfängen innewohnt.
Einen komplett neuen Podcast anzufangen in einer Zeit, in der der Markt schon überlaufen scheint, kann man auch mutig finden. Hast du solche Gedanken und Sorgen gehabt, nachdem man mit einem Podcast-Projekt schon sehr erfolgreich war?
Definitiv. Die Chancen, wieder so erfolgreich mit einem Podcast zu werden, sind relativ gering, aber darum gings mir auch gar nicht. Ich habe nicht den Anspruch, wieder Arenen zu füllen. Selbst, wenn bei "Plot House" nur halb oder ein Viertel so viele Menschen zuhören und ich mit meiner Leidenschaft, Geschichten zu erzählen, weiter meine Miete zahlen kann, bin ich glücklich.
Was wird anders als bei "Weird Crimes"?
"Weird Crimes" war ja klar auf True Crime meets Comedy ausgelegt. Bei "Plot House" gehts auch immer noch um True Crime, aber eben nicht nur. Zudem wird es teilweise auch sehr viel ernstere und tragischere Geschichten geben, die man nicht komödiantisch kommentieren könnte und die ich dementsprechend auch ganz alleine erzähle. Zudem gabs ja bei "Weird Crimes" ein festes Duo, diesen Podcast mache ich solo, aber lade mir wechselnde Gäste ein.
Es gibt Menschen, die lieben Neuanfänge und es gibt Menschen, die tun sich schwer mit Neuanfängen: Welcher Typ bist du?
Ich bin ein absolutes Gewohnheitstier und habe große Probleme mit Veränderungen. Dementsprechend sind Neuanfänge für mich am Anfang eine riesige Überwindung und Herausforderung, aber sobald die ersten Hürden bewältigt sind, fühlt sich das dann fast immer absolut richtig und manchmal sogar sehr heilsam an. Dementsprechend tue ich mich bei dem Thema immer erstmal schwer und irgendwann wird es dann alles umso leichter.
True Crime ist nach wie vor ein Thema. Warum?
True Crime beschäftigt mich schon seit meiner Kindheit. Und tut es auch weiterhin. Es gibt nach wie vor unglaublich viele Kriminalfälle, die mich so schockieren, oder in harmloseren Fällen faszinieren, oder welche, die einfach gehört werden müssen, dass ich nicht wüsste, warum ich diese nicht auch weiter mit der Welt teilen sollte.
Aber?
Aber es ist mir wichtig gewesen, keinen reinen True-Crime-Podcast mehr zu machen, um mir auch Pausen von Verbrechen nehmen zu können, mich ab und zu vielleicht sogar mal den schönen Seiten der Menschheit widmen zu können und nicht immer nur ihren Abgründen.
Du lädst in deinen Podcast wechselnde Gäste ein. Damit musst du dich weniger abstimmen, weniger Kompromisse sind gegebenenfalls nötig. Hast du Respekt davor oder empfindest du es als erleichternd, nicht einen festen Gesprächspartner zu haben?
Es ist eine sehr große Challenge, weil ich mich jedes Mal komplett neu auf mein Gegenüber einstimmen muss und im Vorfeld oft gar nicht weiß, wie die Personen, an welchen Stellen reagieren könnten. Mit manchen Leuten habe ich vorher sogar noch nie ein Wort gesprochen.
Das könnte auch ein Vorteil sein.
Ich kann also auch was mein Storytelling betrifft viel weniger planen und berechnen, was es vielleicht etwas anstrengender macht, als immer den gleichen Gesprächspartner zu haben, aber gleichzeitig bringt das natürlich auch ganz viel Abwechslung und positive Aufregung mit sich.
Was sind das für Gäste, die du einlädst?
Menschen aus der Pop- und Podcast-Kultur, also hauptsächlich bekannte Leute, aber hier und da wird es auch mal Special-Guests aus meinem persönlichen Umfeld geben.
Was ist dir wichtig bei den Menschen, mit denen du gemeinsam eine Folge aufnimmst?
Sie sollten neugierig sein, mitfiebern können und wollen, sonst macht das, glaube ich, für beide Seiten nicht so viel Spaß.
Du hast Long Covid und nach wie vor mit deiner Gesundheit zu kämpfen. Wie geht es dir momentan?
Momentan ist meine Situation halbwegs stabil, aber weiterhin sehr weit von meinem Zustand von vor der Covid-Infektion entfernt. Ich habe immer noch eine Belastungsintoleranz, habe Probleme mit der Durchblutung und meinen Muskeln. Ich kann keinen Sport machen, mir sterben weiterhin Herzmuskelzellen ab.
Das klingt dramatisch...
Ich muss jeden Tag einen Haufen Medikamente nehmen, um mein Herz-Kreislaufsystem und meinen Stoffwechsel am Laufen zu halten, manage 24/7 meinen Typ-1-Diabetes und ich habe die Handkraft einer 80-Jährigen. Aber immerhin kann ich wieder öfter spazieren gehen und muss mich nicht nach jeder körperlichen Aktivität drei Tage ausruhen, sondern manchmal reichen auch 24 Stunden und das ist ja schon mal was.
Fühlst du dich mit deiner Diagnose alleingelassen?
Von der Politik und unserem medizinischen System definitiv! Zum Glück habe ich aber wenigstens ein paar tolle Ärztinnen und Ärzte gefunden, die mich begleiten, und es gibt eine leider immer größer werdende Long-Covid-Community von Betroffenen, die sich gegenseitig unterstützt und immer dafür sorgt, dass man sich ein kleines bisschen weniger alleine damit fühlt!