Viel wurde schon vor Thomas Gottschalks letzter "Wetten, dass..?"-Sendung am 25. November diskutiert. Die einen trauern einer großen TV-Ära nach, die in den letzten Jahren künstlich verlängert wurde, die anderen ärgern sich fast schon mit Begeisterung über Gottschalks Sprüche, die sich seit den 80er Jahren kaum verändert haben.
Eines steht jedenfalls fest: "Wetten, dass..?" befindet sich in einer Schieflage, seit das Format 2021 nach dem Lanz-Flop im ZDF zurückgekehrt ist. Die berauschenden Einschaltquoten der Revival-Shows können darüber nicht hinweg täuschen.
In seiner finalen Sendung gab Gottschalk dem Publikum noch einmal so einige Rätsel auf und hielt sich ganz am Ende mit Eitelkeiten nicht zurück. Wiederholt bemühte er das "Ich darf im Fernsehen nichts mehr sagen"-Narrativ. Dabei sprechen die Fakten gegen ihn.
Am Ende der Show begründete der Moderator, warum er bei "Wetten, dass..?" hinwirft. Ein entscheidender Faktor: Er dürfe im Fernsehen nicht mehr so sprechen wie zu Hause, dauernd schaue ihm die Redaktion aus Angst vor Shitstorms auf die Finger. So zumindest die Wahrnehmung des 73-Jährigen, die er zuvor auch schon in mehreren Interviews als Grund für sein "Wetten, dass..?"-Aus angeführt hatte.
Zugleich aber fiel am Samstagabend auf: Gottschalk schnatterte drauf los und teilte aus wie immer. Eigentlich harmlose Momente wurden durch seine Ansagen plötzlich mit Spannung aufgeladen. Wie passt das zum Maulkorb, über den sich die TV-Legende wiederholt beschwert?
Ein Beispiel ist eine Außenwette aus der Schweiz, die am 25. November über die Bühne ging. Die Stanserhorn-Bahn sollte innerhalb von zwei Minuten zehn Meter weit den Berg hinaufgezogen werden. Show-Gast Bastian Schweinsteiger hakte nach, wie die Bahn wieder zurückkomme. Gottschalk ließ plötzlich den Populisten aus sich heraus und stichelte:
Für die meisten Diskussionen sorgte aber wohl Gottschalks Gespräch mit Shirin David. Der Moderator konfrontierte die Rapperin damit, dass sie seiner Meinung nach nicht aussehe wie eine Feministin und zeigte sich auch überrascht darüber, dass sie sich für Opernmusik interessiert.
Damit nahm er offensichtlich Bezug auf ihr Aussehen beziehungsweise ihr freizügiges Outfit an diesem Abend. Zwar meinte Gottschalk es (wie immer) sicherlich nicht böse, doch was bei seiner Aussage mitschwang: Eine Frau, die sich aufreizend kleidet, kann nicht gleichzeitig intellektuell sein.
Was dann passierte, warf den Entertainer aus der Bahn. Shirin David nahm Gottschalks Einschätzung nicht einfach so hin, sondern konterte. "Als Feministin können wir gut aussehen, eloquent und gebildet sein. Das eine schließt das andere nicht aus", stellte die Musikerin klar. Später legte sie nach: "Du sagtest mal, Influencer gehören nicht auf deine Couch, aber ich finde es sehr gemütlich hier."
Für Gottschalk war das eine durchaus neue Situation, denn er ist es nicht gewohnt, in seiner Sendung so deutlich Gegenwind zu bekommen. Nach dem 25. November fragt man sich unweigerlich: Warum eigentlich nicht? Eine Theorie: Die Superstars, die in den 90er Jahren zu Gast waren, saßen gedanklich sowieso schon wieder im Flieger und ließen unangenehme Sprüche einfach über sich ergehen. Die Mühe wäre es nicht wert gewesen.
Die Momente mit Shirin David sind aber auch ungemein bezeichnend für eine Show, die sich seit Dekaden nicht verändert hat – im Gegensatz zu ihrem Publikum. Offensicht wird Thomas Gottschalk von niemandem der Mund verboten. Dass er bei "Wetten, dass..?" aufhört, war seine eigene Entscheidung und nicht etwa die des ZDF. Er wurde gerade nicht "gecancelt".
Was jedoch sehr wohl anders ist als noch vor 30 Jahren: Gottschalk bekommt mittlerweile Kritik und die passt ihm nicht. Es ist aber ein Unterschied, ob man etwas plötzlich gar nichts mehr sagen darf oder "nur" mit Gegenwind leben muss. Der Moderator kann nicht erwarten, dass sich nie etwas ändert, doch nun, wo es passiert, wird es ihm direkt zu ungemütlich.
Er könnte sich nach wie vor mit den Einschaltquoten für "Wetten, dass..?" rühmen. Andere Sender ändern ihr Programm, da sie die noch immer übermächtige Konkurrenz im ZDF fürchten. Doch die kritischen Reaktionen verletzen Gottschalks Ego anscheinend zu sehr. Wenn er also hinwirft, sagt das am Ende vor allem etwas über ihn selbst aus, und nicht nur über veränderte Ansprüche an eine Unterhaltungssendung.
In einem Punkt hat er immerhin Recht: Das Format als solches passt nicht mehr in diese Zeit. Seine Entscheidung, in Rente zu gehen, ist die absolut richtige. Dass ihm zum Finale ausgerechnet eine Feministin verbal ein blaues Auge verpasst hat, schließt das Kapitel sogar auf denkbar amüsante Weise ab.