
Edith Stehfest sorgt im Dschungelcamp für Zündstoff.bild: RTL
Meinung
Eine Dschungelcamp-Staffel ohne Streitereien ist keine echte Dschungelcamp-Staffel. Die Show bleibt sich auch 2025 treu. Doch ein Promi steht ständig im Fokus: Edith Stehfest, die die anderen mit impulsiven Ausbrüchen immer wieder vor den Kopf stößt.
Eben diese sind aber nicht unbedingt bösartig, denn die 30-Jährige hat ADHS, also eine Aufmerksamkeitsdefizit- beziehungsweise Hyperaktivitätsstörung. Im Hinblick darauf ist das Dschungelcamp eigentlich von vornherein das denkbar schlechteste TV-Format für sie – doch die übrigen Stars bekleckern sich im Umgang mit Edith Stehfest keineswegs mit Ruhm.
Personen, die sich im neurodiversen Spektrum befinden, leben nach Regeln, die für "normale" Menschen erst einmal nicht nachvollziehbar sind. Als Asperger-Autistin befinde ich mich ebenfalls im Spektrum – und glaube daher, ganz gut nachempfinden zu können, wie es Edith Stehfest gerade geht.
ADHS: Warum Edith Stehfest im Dschungelcamp "überreagiert"
Immer wieder fällt auf, dass vermeintlich harmlose Momente genügen, um Edith Stehfest massiv zu irritieren. Ein Beispiel: Sie ist gerade stark auf die Essenszubereitung fixiert, als Nina Bott sie von der Seite anspricht. Wo andere bemüht sind, es zu unterdrücken, wenn sie gereizt sind, lässt Edith Stehfest ihren Gefühlen freien Lauf – wie ein Kind ohne Impulskontrolle.
Doch das macht sie nicht zu einem schlechten Menschen. Vielmehr sind genau diese Szenen Ausdruck von ADHS. Sie führen zu einem fatalen Kreislauf, denn natürlich fühlen sich die anderen Stars von Edith Stehfests Reaktionen angegriffen. Weil sie sie nicht einordnen können, es zumeist nicht einmal versuchen. Stattdessen lässt sich ein Sam Dylan auf ein sinnloses Schrei-Duell ein.
"Ich höre immer, permanent, alles gleichzeitig", versuchte die Kandidatin, sich zumindest im Ansatz zu erklären. Heißt: Es geht um die permanente Reizüberflutung im Dschungel inmitten unbekannter Menschen (und Tiere), die eine Person mit ADHS mit tausendfacher Intensität wahrnimmt. Auch das Nichtvorhandensein jeglicher Privatsphäre spielt da mit rein.
Edith Stehfest versucht, sich durchzukämpfen. Dafür stellt sie knallhart eigene Regeln auf, die sie wiederum, aus Sicht der anderen, rücksichtslos befolgt. Sobald ihr da jemand querkommt, bricht im verzweifelten Bestreben nach irgendeiner Form von Ordnung ein Kartenhaus zusammen.
Es mag nicht so erscheinen, aber: Es wäre ziemlich einfach, in derartigen Momenten deeskalierend zu wirken. Ein ruhiger Ton macht die Musik. "Warum hast du gerade so reagiert? Was können auch wir tun, damit das nicht wieder passiert?" Im Zweifel kann es Wunder wirken, eine Person im neurodiversen Spektrum einfach in Ruhe zu lassen, statt seinerseits direkt zu explodieren.
Was gar nicht funktioniert: zu appellieren, man solle sich gefälligst "zusammenreißen". Damit wird einer Person mit ADHS die Lebenswirklichkeit eines "Normalos" übergestülpt, die nun einmal nicht ihre ist. In gewisser Weise ist das übergriffig, denn ADHS lässt sich nicht "heilen".
Man kann zwar bis zu einem gewissen Grad lernen, als Betroffener damit umzugehen, muss aber bis ans Ende seiner Tage damit leben. Edith Stehfest hat keinen Filter: weder, wenn sie Dinge aufnimmt, noch in der Art, wie sie Dinge von sich gibt.
Edith Stehfest wird Unrecht getan
Eric Stehfest verteidigte bereits seine Ehefrau und nahm die übrigen Stars in die Pflicht: Niemand im Camp gehe mit der nötigen Sensibilität auf Edith zu und damit hat der Reality-Star recht. Wenn beispielsweise Lilly Becker sie zur Seite nimmt, dann eher, um allgemein für Ruhe zu sorgen. Aber nicht aus Interesse an Ediths Gemütszustand.
Und ja, diesen Schuh müssen sich die Promis anziehen. Indem sie sich im Camp entschlossen gegen Donald Trump positionieren, signalisieren sie Weltoffenheit und Toleranz. Praktisch jedoch leben sie Diversität im Camp überhaupt nicht. Das würde einschließen, Edith Stehfest nicht ohne Versuch aufzugeben.
Damit ist freilich nicht gesagt, dass Edith Stehfest gar nichts für ihre Situation kann. Im Gegenteil wird bei ihr, wie bei allen anderen, hin und wieder auch Kalkül im Spiel sein. Sie ist nicht durch eine höhere Macht fremdgesteuert. Und doch sind es die anderen, die im Zwischenmenschlichen mehr Schuld auf sich laden.
Auch RTL macht nicht den allerbesten Job. Der Sender könnte mehr Aufmerksamkeit auf das Thema ADHS lenken. Awareness schaffen. Dann würde sich das Publikum womöglich auch nicht mehrheitlich immer auf die Seite der anderen schlagen, weil Edith "nervt" (ein Blick auf Social Media spricht Bände). Vermutlich hatte sie von vornherein keine realistische Chance auf das Dschungelcamp-Finale.
Inzwischen befinden sich noch acht verbleibende Stars im Dschungelcamp. Zwischen Krabbeltierchen sowie Reis und Bohnen müssen sie sich auch weiterhin tagtäglich in der Dschungelprüfung beweisen. Statt durch das vorige Voting der Zuschauer:innen sind es fortan die Camper:innen selbst, die einander zur Herausforderung schicken. So trifft es diesmal Anna-Carina Woitschack und Jörg Dahlmann.