Dass Prinz Harrys Auftritt bei den Invictus Games in Düsseldorf so erfolgreich verlief, hat einen ganz bestimmten Grund. Bild: dpa / Rolf Vennenbernd
Meinung
Wenn Prinz Harry zuletzt im Fernsehen auftrat, waren die Schlagzeilen danach meist alles andere als positiv. In Interviews teilte er gegen seine königliche Verwandtschaft aus oder schoss gegen die Medien, was diese wiederum für Kritik am Prinzen nutzten.
Doch als Harry am 9. September mit Katrin Müller-Hohenstein, Sven Voss, Verteidigungsminister Boris Pistorius und den Invictus-Games-Teilnehmern Jens Niemeyer und Angelo Andersen im "Sportstudio" saß, ging es ihm nicht um sich selbst, sondern um die Sache.
Die Spiele und die Stiftung dahinter wollen Veteranen unterstützen. Der Prinz bemühte sich, die Aufmerksamkeit weg von sich als Person und hin zu den Invictus Games und ihrem eigentlichen Ziel zu lenken.
Das funktionierte aber vor allem deswegen besonders gut, weil Harry dabei eben immer noch Harry blieb. Der Herzog von Sussex hat keine Berührungsängste, gibt sich nahbar –und macht damit genau das, wozu das britische Königshaus leider außerstande zu sein scheint.
In den letzten Jahren konnte man sich mitunter fragen, ob Harrys und Meghans Weggang vom Königshof nicht eigentlich für beide Seiten eine Win-win-Situation ist. Harry und Meghan haben nun die Freiheit, sich ihren eigenen Projekten zu widmen und König Charles III., Prinz William und Prinzessin Kate müssen keine Angst mehr haben, dass ihnen die Show gestohlen wird.
Doch in Düsseldorf zeigten die Sussexes nun, was sie für das Ansehen des Königshauses hätten tun können. Und der Rest der Familie dürfte sich ganz schön ärgern.
Prinz Harry war im "Sportstudio" zu Gast.Bild: ZDF / Ralph Orlowski
Prinz Harry: Selfies und Geburtstagsständchen
Schon seit der Eröffnungsfeier der Invictus Games in Düsseldorf ist Harry in Deutschland. Der Herzog von Sussex war sogar bereit, seinen Geburtstag am 15. September hier zu feiern.
Die Spiele, die Harry 2014 ins Leben gerufen hat, sind für ihn eine absolute Herzensangelegenheit. In Düsseldorf ist Harry diesmal daher nicht in eigener Sache unterwegs und das merkt man. Er tut das, was man eigentlich von arbeitenden Mitgliedern des britischen Königshauses erwartet. Harry stellt sich ganz in den Dienst der Sache und versucht, seine Person nicht zum Mittelpunkt von alledem werden zu lassen.
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Bei den Fans kommt das offensichtlich an. In Düsseldorf posierten Harry und seine Frau Herzogin Meghan bereitwillig für Selfies mit Zuschauer:innen, während sie sich das Volleyball-Spiel der Ukraine gegen Nigeria ansahen.
Wie der "Telegraph" schreibt, musste Harry dabei sogar die Fans darum bitten, sich wieder hinzusetzen und auf das Spiel zu konzentrieren. Denn die Aufmerksamkeit hatte zwischenzeitig vor allem ihm gegolten. (Meghan zeigte derweil offen ihre Unterstützung für Nigeria. Sie hatte vor einiger herausgefunden, dass sie dort Vorfahren hat.)
Harry und Meghan machen in Düsseldorf fleißig Selfies.Bild: dpa / Rolf Vennenbernd
Und am Freitag stimmte die ganze Halle mit ein, als der Stadionsprecher zu Ehren von Harrys 39. Geburtstag das Publikum zu einem Ständchen für den royalen Gast animierte. Ob Harry die Situation unangenehm war oder nicht: Dass die Veranstalter sich offensichtlich sicher genug fühlten, die Aktion zu starten, spricht Bände darüber, wie Harry wahrgenommen wird.
Jubel für Harry, Kritik für William
Unkompliziert, sympathisch, volksnah: Das sind Adjektive, die viele nicht unbedingt mit dem britischen Königshaus verbinden. König Charles III. geriet kurz nach seiner Ernennung zum Staatsoberhaupt in die Kritik, weil er die Nerven verlor, als bei einem offiziellen Termin ein Füller auslief. Die Presse und viele Menschen waren sich einig – bodenständig geht anders.
William und Kate kritisieren Royal-Expert:innen immer wieder dafür, ihren Job im Namen der Krone zwar perfekt auszuführen, aber auch vollkommen langweilig zu sein. Echte Emotionen oder eine tiefere Verbundenheit mit einer Sache sieht man bei dem Paar nur selten. Als besonders volksnah gelten der Prinz und die Prinzessin von Wales nicht.
William und Kate gelten vielen als "zu perfekt". Bild: Alessandra Tarantino/AP
Im Zuge der Invictus Games wurde sogar deutliche Kritik an William und Kate laut. Dass kein arbeitendes Mitglied der Königsfamilie in Düsseldorf mit dabei ist, sorgte beim Team aus dem Vereinigten Königreich für Unmut. "Sie finden es bizarr, aber sie wollen nicht ins Kreuzfeuer geraten", hieß es von einem Insider.
Harry nutzt seine Freiheiten perfekt
Und zuletzt wurde William dafür kritisiert, dass er sich das Finalspiel der englischen Frauenfußballnationalmannschaft nicht im Stadion ansah. Der Vergleich ist deswegen spannend, weil er zeigt, warum Harry und Meghan es nun mal wesentlich einfacher haben, sich mit volksnahen Aktionen beliebt zu machen.
Denn William, so hieß es später, habe das Fußballfinale nicht besuchen können, weil die Verfassung ihn davon abgehalten habe. Da Charles noch nie in seiner Funktion als König im Land war, durfte William nicht als erster Royal dort hinreisen.
Harry und Meghan dagegen müssen sich um solche Dinge keine Gedanken mehr machen. Sie können Veranstaltungen besuchen, wann immer sie wollen und wie es ihnen – und ihrer PR-Strategie – am besten passt.
Ihr Auftritt in Düsseldorf hat gezeigt, dass die Sussexes mehr als nur bereit dazu sind, das für ihre Sache zu nutzen. Und das mit Erfolg: Sogar die Harry sonst nicht wohlgesonnenen britischen Medien überschlugen sich plötzlich mit positiven Schlagzeilen zu dem Paar. Positive Schlagzeilen, wie sie das britische Königshaus eigentlich auch gut gebrauchen könnte.
Harry hat bei den Invictus Games keine Berührungsängste.Bild: AP / Martin Meissner
Vertane Chance für die Royals
Dass das nun nicht der Fall ist, das hat die Königsfamilie sich auch selbst zuzuschreiben. In ihrer Netflix-Dokumentation machten Harry und Meghan Ende vergangenen Jahres sehr deutlich: Sie hätten sich gewünscht, weiterhin für das Königshaus tätig sein zu können, während sie eigene Projekte vorantreiben. "Aber es wurde sehr schnell sehr klar, dass das nicht zur Diskussion stand", sagte Harry in der Doku.
Wenn man sich nun ansieht, wie positiv Harry und Meghans Auftritt in Düsseldorf wahrgenommen wird, bekommt man den Eindruck, dass die Sussexes für das Königshaus durchaus nützlich hätten sein können.
Für Harry sind die Invictus Games eine Herzensangelegenheit.Bild: dpa / Rolf Vennenbernd
Gerade weil sie in der Thronfolge hinter William und seinen Kindern stehen, hätten Harry und Meghan die Chance gehabt, vielleicht manche Dinge ein wenig lockerer oder auf ihre eigene Art und Weise angehen zu können.
Dass Harry all das nun aber nur noch in eigener Sache und eben nicht mehr im Dienste der Krone nutzt, ist ein Verlust für das Königshaus. Denn die begeisterten Reaktionen auf Harrys Auftritt in Düsseldorf zeigen: Dieses Verhalten ist es, was viele von Royals im 21. Jahrhundert erwarten. Und weder Charles noch William und Kate haben zuletzt beweisen können, dass sie dazu wirklich in der Lage sind. Weshalb es die Royals durchaus ärgern durfte, wie sehr Harry in Düsseldorf die Massen begeisterte.