RTL hat sich den Samstagabend zur Verkündung des neuen Dschungelcamp-Moderators ausgesucht – völlig ohne Vorwarnung, zu Beginn des Sommerlochs: Der Nachfolger von Daniel Hartwich, der seit 2013 an der Seite von Sonja Zietlow durch das berühmt berüchtigte Trash-Format führte, wird durch Jan Köppen ersetzt.
Das Dschungelcamp litt in den vergangenen zwei Jahren sehr unter der Corona-Pandemie: Auf eine desaströse Dschungelshow in Deutschland folgte eine etwas bessere in Südafrika. 2023, so hofft man beim Sender, werden die Promis wieder wie gewohnt in den australischen Busch geschickt. Während der Südafrika-Staffel wirkte Hartwich bereits teilweise in Endzeitstimmung, trank während einer Folge ganz offen Alkohol und verabschiedete sich dann tränenreich beim Dschungel-Wiedersehen von einer ebenfalls sichtlich berührten Zietlow.
Kurz danach wurden bereits die ersten Nachfolger-Kandidaten gehandelt: Chris Tall, Lutz van der Horst, Ralf Schmitz, Oliver Pocher – und eben Jan Köppen. RTL ließ sogar die Zuschauer online abstimmen, auf die Umfrageergebnisse, in denen zeitweise Schmitz und Tall vorne lagen, wurde am Ende aber nicht viel gegeben. Nun wird allmählich klar, dass der Sender mit dem "Ninja Warrior Germany"-Moderatoren eine denkbar schlechte Entscheidung getroffen hat.
"Ich dachte, Tante RTL klopft nie an und fragt. Aber mal im Ernst: Ich freue mich wahnsinnig auf IBES, das größte deutsche TV-Lagerfeuer – und natürlich auf meine hochgeschätzte Kollegin Sonja und das Team von ITV Studios", freute sich Köppen über die Anfrage für den hochkarätigen Job in einer RTL-Pressemittelung.
Auch Markus Küttner, der Unterhaltungschef von RTL, und Sonja Zietlow sind naturgemäß begeistert: "Wenn er jetzt auch mit wenig Schlaf, Nachtschichten und meiner Wenigkeit zurechtkommt, verdient er das Prädikat 'dschungeltauglich'", schätzte Zietlow ein. Dabei stellte sich Köppen schon einmal in diesem Jahr in einer anderen RTL-Traditionsshow als nicht unbedingt geeigneter Hartwich-Ersatz heraus, nämlich bei "Let's Dance".
Zweimal vertrat er den 43-Jährigen in der Tanzsendung und zeigte im Zwiegespräch mit Knallhart-Juror Joachim Llambi, dass er lange nicht so schlagfertig ist, wie der gewohnte Moderator. So versuchte Köppen krampfhaft witzig gegen Llambi zu sticheln, indem er ein ungeschriebenes Show-Gesetz brach – er duzte das Show-Urgestein bei der Jury-Vorstellung: "Ich hatte ja jetzt gedacht: Herr González, Frau Mabuse, Joe."
Schnell fingen die Zuschauer an, Hartwich zu vermissen. So wies nicht nur Llambi Köppen in die Schranken, sondern auch etliche Twitter-User:
Eine denkbar schlechte Ausgangssituation fürs Dschungelcamp, bei dem sich der männliche Moderationspart neben der präsenten Sonja Zietlow behaupten muss.
Nun stellte sich die Hartwich-Vertretung bei "Let's Dance" offenbar schon als erster Test heraus: Würden die Zuschauer Jan Köppen als Ersatz akzeptieren? Die Antwort darauf lautet im Nachhinein wohl: ja, aber mit gewaltigen Abstrichen.
Köppen hat nach vielen verschiedenen Stationen unter anderem bei Viva und ZDFinfo sein Moderationsprofil in erster Linie in Sportformaten gefunden. Bei "Ninja Warrior Germany" oder neulich beim "RTL Turmspringen" fungierte er aber vor allem als Stichwortgeber für den deutlich erfahreneren Frank Buschmann.
Die Trash-Kuppelshow "Are You The One?" konnte er 2020 nicht zum Erfolg führen, das übernahm mit Sophia Thomalla stattdessen eine starke Frau für ihn. 2021 trat er die Nachfolge für Ralf Schmitz bei "Take Me Out" an – und konnte den Absturz des Formats in den Quotenkeller nicht auffangen: Die aktuellen Folgen werden nur noch von 0,60 Millionen Zuschauern geschaut. 2,83 Millionen waren es noch durchschnittlich in der ersten Staffel.
Da kann man nur hoffen, dass das keine Trendvorschau für das Dschungelcamp wird.
Wäre da Ralf Schmitz nicht doch eine geeignetere Wahl? Der Moderator kommt aus dem Comedy-Metier, ist auch Schauspieler, Synchronsprecher und Autor. Schmitz macht den Eindruck, als würde er sich selbst nicht allzu ernst nehmen – im Gegensatz zum eher steif daherkommenden Köppen. Vorgeschriebene Moderationen und fiese Gags könne der bühnenerfahrene Schmitz sicherlich auch mit Leichtigkeit vortragen, was bei Köppen ebenfalls nicht gegeben ist.
Schmitz verabschiedete sich jedoch von RTL zu Sat.1 und Kuppelformaten wie "Paar Wars", die dank ihm nun "Paar Love" heißen. Mit Sicherheit verschenktes Potenzial – wenn Schmitz auf die Dschungelbühne gewartet hat, dann hat RTL einen Fehler gemacht, ihn ziehen zu lassen. Immerhin machte er auch bei "The Masked Singer" in diesem Jahr als Gastjuror einen angenehmen Eindruck.
Eher unangenehm trat Chris Tall bislang in Erscheinung: Bei der "Murmel Mania", die 2022 taktisch klug vor dem Dschungelcamp platziert wurde, überzeugte er nicht unbedingt als fähiger Moderator, aber die Dschungel-Verpflichtung hätte eine gute Schule werden können. Tall ist der Jüngste in der Runde der Kandidaten gewesen und hätte sich sicherlich den einen oder anderen Spruch auf seine Kosten gefallen lassen müssen. Dann wäre es an ihm gewesen zu zeigen, wie er damit umgeht.
Klar wäre Tall als Dschungelcamp-Moderator ein gewagtes Experiment gewesen, allerdings hätte diese Risiko-Entscheidung auch für Quoten und Aufmerksamkeit gesorgt. Etliche Dschungel-Fans kündigten nämlich schon an, die Show ohne Hartwich nicht mehr schauen zu wollen.
Bei einem strittigen Tall hätten aber viele herausfinden wollen, ob seine Moderationsfähigkeiten tatsächlich so grottig sind – oder ob er sich doch in die Show und deren eigene Dynamik hätte einfinden können. Zur Erinnerung: Auch Hartwich hatte zu Beginn seiner Dschungelzeit nicht mal Zietlow zu 100 Prozent auf seiner Seite.
Ein ganz ähnlicher Risikofaktor hätte Oliver Pocher für RTL dargestellt. Etliche Zuschauer würden den Influencer-Schreck wohl am liebsten als Kandidaten im Dschungelcamp sehen (wobei es schon zeitweise erstaunlich war, dass er dort zu Karrieretiefpunkten weit vor 'Let's Dance' und Instagram-Fame nicht auftrat) – zumindest hätte Pocher als Moderator aber polarisiert.
Dass RTL auf strittige Charaktere keine Lust mehr hat, ist jedoch spätestens seit dem Rauswurf von Dieter Bohlen aus dem "Supertalent" und "DSDS" zu spüren. Dass der Sender gerade letzteres Format aber mit profillosen Ersatz-Juroren komplett in der Versenkung verschwinden lässt, ist wohl ein hingenommenes Übel. Bleibt wiederum zu hoffen, dass das nicht für das Dschungelcamp auf lange Sicht geplant ist...
Denn Eklats gibt es trotz aller Skandal-Vermeidungsstrategien noch immer. So wurde Linda Nobat in diesem Jahr im Camp rassistisch beleidigt, RTL schmiss die schuldige Janina Youssefian umgehend heraus. Ob Köppen mit solchen Unvorhersehbarkeiten gut umgehen kann? Lutz van der Horst, der letzte im Bunde der ehemaligen Moderations-Kandidaten, hätte das spontane Reagieren ohne Zweifel drauf.
Für die "Heute Show" ist der Komiker seit Jahren im Einsatz, fängt Politiker ab und stellt ihnen unangenehme Fragen. Dass er im vergangenen Jahr schon des Öfteren im Dschungel-Begleitformat "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! Die Stunde danach" zu Gast war, sorgte bei vielen Zuschauern für eine angenehme Abwechslung. RTL hätte sich zudem mit van der Horst ein ZDF-Gesicht ins Boot geholt und damit auch ein wenig Seriosität.
Was am Ende gegen den erfahrenen 46-Jährigen sprach, weiß nur die Dschungelcamp-Produktion. Klar ist zumindest nach der Nachfolge-Verkündung, dass RTL mit Köppen den Weg des geringsten Übels gegangen ist und die Zuschauer in erster Linie froh sind, dass es nicht die umstrittenen Pocher und Tall geworden sind.
Auf lange Sicht bleibt aber zu bezweifeln, ob sich Jan Köppen derart positiv entwickeln kann wie Hartwich – dem 39-Jährigen kann man zumindest eine recht geringe Ausstrahlung mit wenig relevanter TV-Erfahrung attestieren.
Immerhin: So bekommt Sonja Zietlow wohl die Gelegenheit, ihren Legendenstatus innerhalb der deutschen TV-Landschaft in Ruhe weiter zu zementieren. Und das kann ja immerhin auch als eine Art feministische Entscheidung RTLs gewertet werden. Danke zumindest dafür.