Lange hatte die Band Rammstein sich nicht persönlich zu den Vorwürfen gegen ihren Sänger Till Lindemann geäußert. Eine Anwaltskanzlei, die Lindemann vertritt, teilte erst kürzlich mit, dass die Anschuldigungen ausnahmslos unwahr seien.
Doch in den letzten Tagen hatte der Druck auf Lindemann und wohl auch auf die Band noch einmal massiv zugenommen. Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte ein Ermittlungsverfahren gegen den Sänger eingeleitet, Konzertveranstalter gingen auf Distanz zu Band und auch ihr Plattenlabel Universal zog Konsequenzen. Ein Sprecher teilte mit: "Nach Bekanntwerden der Vorwürfe haben wir die Marketing- und Promotion-Aktivitäten für die Recordings der Band bis auf Weiteres ausgesetzt."
Nun hat erstmals ein Bandmitglied selbst zur aktuellen Situation Stellung bezogen. Auf Instagram wandte sich Schlagzeuger Christoph Schneider mit einer langen Nachricht an die Fans. Er wolle seine "persönlichen Emotionen und Gedanken" mit ihnen teilen, schrieb der Drummer. Das tat er anschließend ausführlich. Dabei gab er auch einen Einblick zur Situation innerhalb der Band nach den Ereignissen der vergangenen Wochen.
Am Freitagnachmittag postete Schneider das ausführliche Statement auf seinem Instagram-Account. Nachdem es dort in den letzten Tagen ruhig geworden war, veröffentlichte er nun einen Post mit insgesamt vier Screenshots eines Textes, den er zur aktuellen Situation verfasst hat. Schon gleich zu Beginn wird klar, dass die Kontroverse der letzten Wochen an der Band nicht spurlos vorbeigegangen ist. Schneider schreibt:
Er fühle sich "wie im Schock" durch "all die Dinge, die in den sozialen Medien und der Presse über unsren Sänger geteilt und gedruckt wurden." Für die Band und die Crew, erklärt Schneider weiter, sei das ein Auf und Ab gewesen.
Der Drummer stellt klar, dass er nicht glaubt, dass "etwas strafrechtlich Relevantes (wie zum Beispiel der Einsatz von K.O.-Tropfen) passiert" sei. Er habe, schreibt er in Bezug auf die Partys von Lindemann, auch nie beobachtet oder gehört, dass "etwas Verbotenes vor sich ging".
Schneider sagt über Lindemanns Partys, er habe lediglich gehört, dass dort erwachsene Menschen miteinander gefeiert hätten. Doch der Schlagzeuger sagt auch:
Es seien, schreibt er, Strukturen gewachsen, die "über die Grenzen und Wertvorstellungen der restlichen Bandmitglieder hinausgingen." Es ist das erste Mal, dass sich ein Mitglied der Band so deutlich von dem Sänger distanziert. Schneider betont auch, es sei ihm wichtig, dass die After-Show-Partys von Rammstein und die Feiern von Lindemann nicht miteinander verwechselt werden.
Über den Sänger seiner Band sagt Schneider:
Diese Entwicklung habe ihn traurig gemacht. Er glaube Lindemann, fährt Schneider fort, dass er seinen Gästen immer nur "eine schöne Zeit bereiten wollte und will." Doch er gibt zu bedenken: "Wie diese Gäste sich das genau vorgestellt hatten, unterscheidet sich jedoch anscheinend in einigen Fällen von seinen eigenen Vorstellungen."
Zu den Schilderungen von Frauen, sie hätten sich "unwohl gefühlt, am Rande einer für sie nicht mehr kontrollierbaren Situation", sagte Schneider:
Über den Ablauf der Partys schreibt Schneider, dass jeder Gast im Backstagebereich gehen könne, wann immer er wolle. Die Flaschen dort seien versiegelt, sie würden vor den Augen der Gäste geöffnet oder von den Eingeladenen selbst aufgemacht. Es gebe Wasser, Snacks, Sicherheitspersonal und medizinische Versorgung. "Wir wollen, dass sich all unsere Gäste bei uns wohl und sicher fühlen! Das ist unser Standard. Deshalb tut es mir leid zu hören, dass dies manche nicht so empfunden haben."
Auch auf Shelby Lynn, die die Vorwürfe zuerst erhoben hatte, geht er direkt ein. "Sie hätte eine tolles Konzert und einen wunderschönen Abend verdient gehabt", schreibt Schneider.
Schließlich geht er auch noch einmal auf die Diskussionen rund um die Band ein, die in den letzten Wochen aufgekommen waren. Die Diskussion solle "nicht die Extreme" füttern, schreibt Schneider. "Paternalistische Tendenzen, Frauen Mitte 20 die Fähigkeit abzusprechen, selbstbestimmt über ihre Sexualität zu entscheiden", sollten genau so wenig unterstützt werden, wie Victim Blaming. Menschen müssten sich weiterhin trauen darüber zu sprechen, was ihnen passiert ist.
Er beendet sein Posting mit der Hoffnung auf ein "ruhiges, besonnenes Reflektieren und Aufarbeiten, auch in unserer Band. Und zwar alle gemeinsam, zu sechst. Wir stehen zusammen."
Unter seinem Post bekommt der Schlagzeuger jede Menge Zuspruch von Fans, die sich für seine Worte bedanken. "Großartig, dass du dich äußerst, das freut mich extrem. Ich hoffe, ihr findet wieder etwas zueinander", kommentiert etwa ein Fan.
Nachtrag der Redaktion: Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte im Juni nach den Vorwürfen gegen Till Lindemann Ermittlungen aufgenommen. Diese wurden Ende August eingestellt. Die Auswertung der Beweise habe keinen hinreichenden Tatverdacht ergeben, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Den entsprechenden Artikel findet ihr hier.