"Die Metal-Szene versteht sich als ein Ort, an dem jeder sein kann, wie er ist. Anders als der Mainstream, ein Safe-Space." So lautet die allgemeine Auffassung der Metal-Community über ihre Festivals – und so beginnt außerdem eine neue Doku des Recherche-Kollektivs Strg_F.
"Übergriffe und Nazi-Merch: Was geht beim Metal?" lautet der konkrete Titel der halbstündigen Dokumentation. Darin gehen die Journalistinnen Isabell Beer und Kim Eckert der Frage nach, ob die Szene wirklich der Safe-Space ist, der sie verspricht.
Um dies zu überprüfen, haben die beiden im August 2023 drei große Metal-Festivals besucht: das Wacken-Festival, das Summer Breeze und das Party San Open Air. Das Ergebnis dürfte nicht allen Metal-Fans gefallen.
Auch wenn die oben beschriebene Auffassung über die friedlichen Metal-Festivals breit vertreten ist, zeigt die Dokumentation, dass gewisse Probleme keineswegs ein neues Phänomen sind. So beinhaltet die Recherche etwa Beschwerden über sexuelle Übergriffe aus dem offiziellen Wacken-Forum, die teils schon 20 Jahre zurückliegen. Bereits 2003 kommentiert dort jemand einen solchen Vorfall folgendermaßen:
Gemeint sind damit Leute, die Crowdsurferinnen – also Frauen, die bei Live-Konzerten durch die Menge getragen werden – begrapschen. Und zwar in heftigem Ausmaß und an allen intimen Zonen. Seit dem genannten Jahr konnte das Problem nicht aus der Welt geschafft werden. 2020 hieß es in einem weiteren Kommentar desselben Forums:
Nicht nur im besagten Forum finden sich Hinweise auf sexuelle Übergriffe beim Crowdsurfing: Die Journalistinnen sprechen auf den drei Festivals auch mit Fans, Bands, Betroffenen und den Veranstaltern. Ziemlich schnell zeigt sich dabei, dass das Problem in all diesen Kreisen bekannt ist. Viele Fans sprechen dabei ihr Bedauern aus und machen deutlich, dass solche Vorfälle nichts auf den eigentlich friedlichen Events zu suchen hätten.
Joacim Cans, Sänger der schwedischen Metal-Band Hammerfall, lobt in einem Interview die friedliche Art der Metal-Community. Auf die Vorfälle gegenüber Crowdsurferinnen angesprochen, verrät er jedoch:
Auch Laura Guldemond von der Band Burning Witches bestätigt dies: Sie würde in einer großen Menge nicht crowdsurfen, weil sie weiß, dass die Leute "Brüste und Muschis anfassen", sodass sie sich nicht sicher fühlen würde. Lediglich in einer kleineren Menge würde sie sich trauen.
Auch bei den Festival-Veranstaltern ist das Problem nicht neu. Während sich zwar Wacken-Veranstalter Thomas Jensen etwas nicht-wissend zeigt, will Erik Oßwald vom Party San Open Air die Sache nicht beschönigen: "Das hast du auf jeder Veranstaltung", macht er im Interview klar. "Es gibt überall nette Menschen und es gibt überall Arschlöcher." Dabei verweist er auf die Security des Events, zu denen man jederzeit Kontakt aufnehmen könne. Safe-Spaces, um sich gänzlich zurückzuziehen, seien hingegen schlichtweg nicht zu gewährleisten.
Alex Härtel vom Summerbreeze Open Air ruft indes dazu auf, jeden der Vorfälle zu melden. "Wir haben in diesem Jahr über Durchsagen noch mal darauf hingewiesen, dass der Bereich vor den Bühnen auch Kamera-überwacht wird", fügt er hinzu. Dass die Staatsanwaltschaft in den vergangenen Jahren sämtliche gemeldeten Fälle eingestellt hat, bedauert er. Tatverdächtige seien schwierig auszumachen, bessere Ideen bisher noch nicht vorhanden.
Nicht nur die sexuellen Übergriffe werden in der Dokumentation beleuchtet. Auch Merchandise von offen rechtsradikalen Bands wird teils an den Verkaufsständen angeboten. Darunter T-Shirts und Aufnäher von Burzum, einem Projekt um den rechtsradikalen Norweger Varg Vikernes, der 1994 wegen Mordes an einem bekannten Gitarristen verurteilt wurde. Auch Artikel weiterer Bands, die wegen rechtsradikaler und antisemitischer Aussagen stark umstritten sind, finden sich bei genauerem Suchen.
"Wir können nicht bei dieser Masse an jedem Stand dessen Waren-Sortiment durchgucken", erklärt dazu Wacken-Veranstalter Jensen, fügt jedoch hinzu: "Wenn es Hinweise gibt, dann gehen wir dem natürlich nach." Auch Oßwald vom Party San erklärt, dass eine genaue Kontrolle bei dieser Größe schwierig sei, zeigt sich jedoch betrübt, dass derartiges Merchandise auf seinem Festival verkauft wurde. Das Summer Breeze erklärte nach dem Hinweis der Journalistinnen, dass vier betroffene Verkaufsstände im Anschluss geschlossen wurden.
Am Schluss der Dokumentation liefern die Macherinnen eine Zusammenfassung darüber, worauf es ihnen in ihrer Recherche ankommt. Darin erklären sie:
"Viele haben uns gesagt, Metal sei für sie ein sicherer Ort, ein Zuhause, eine Familie. Doch auch dort gibt es Probleme und Ausreißer und es ist wichtig, darüber zu sprechen."
Nicht nur Metal-Festivals sind übrigens von den Vorfällen betroffen. Auch auf Pop- und Rock-Events – genannt werden in der Doku das Hurricane- sowie das Highfield-Festival – haben sich solche Fälle gehäuft. Die Doku setzt lediglich den Fokus auf Metal-Events, die sich als besonderer Safe-Space betrachten.