Fragwürdige Maskendeals, intransparenter Umgang mit Spenden: Nach einer Recherche von Böhmermanns "ZDF Magazin Royale" steht der Influencer Fynn Kliemann unter Druck. Er entschuldigte und verteidigte sich mehrmals. Er habe Fehler gemacht und werde auch weiterhin Fehler machen, sagt der Influencer, Musiker und Unternehmer in seinem neusten Instagram-Statement. Nun jedoch stehen neue Vorwürfe gegen ihn im Raum.
In seinen Entschuldigungsvideos nach Aufdeckung der Skandale argumentierte Fynn Kliemann damit, dass er seine Ideen immer schnell umsetze und dabei in der Vergangenheit zu wenig auf Genauigkeit geachtet habe.
Eine Idee von 2021 könnte nun wieder auf ihn zurückfallen. Laut "Kontraste"-Recherchen drohen ihm nun möglicherweise neue Schadensersatzforderungen – weil er sich demnach nicht an seine eigenen Auktionsbedingungen hielt. Die Recherchen zeigen, dass der Unternehmer bei den Versteigerungen alles andere als gewissenhaft vorging.
Zum Hintergrund: Im März 2021 warb Kliemann für sein jüngstes Projekt, auf das er mächtig stolz war. Das Ziel: 99 digitale Kunstwerke bei einer digitalen Auktionsplattform zu verkaufen. Dabei handelte es sich um kurze Musikstücke, die er mit seinem Produzenten aufgenommen hat.
Das Projekt war ein besonderes: Kliemann bot die Musikstücke als virtuelle Güter an, sogenannte Non-Fungible Tokens (NFTs). Die Interessenten konnten diese mit Kryptowährung kaufen. Eines der ersten Projekte dieser Art. Kliemann schrieb später in seinem Blog, er finde es cool, der erste zu sein, der Musik als NFT verkauft.
Offenbar zahlte sich das ganze für den Youtuber auch finanziell ordentlich aus. Nach "Kontraste"-Berechnungen verkaufte er seine Kollektion mit dem Namen "JingleBe" für insgesamt rund 215.000 Euro. Das entspricht dem umgerechneten Betrag des damaligen Kurses der Kryptowährung.
Das Problem: Bei der Auktion soll es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. So enthüllen die Recherchen der Journalisten: Fast ein Drittel des Geldes kam offenbar dadurch zustande, dass er die zuvor von ihm selbst aufgestellten Auktionsbedingungen mehrmals brach.
Eine zentrale Bedingung stand damals auf der "JingleBe"-Webseite, ist mittlerweile jedoch gelöscht. Darin hieß es, dass die höchst bietende Person am Sonntag, den 7. März 2021, um 20 Uhr den Zuschlag und damit das NFT erhalten werde.
Einer, der mitmachte, ist Fabian K.. Der Kryptoinvestor und Informatiker habe seine Hoffnung darauf gesetzt, durch Fynns Bekanntheit damit etwas Gewinn machen zu können. Also steigerte er an jenem Sonntag mit. Mit zunächst scheinbarem Erfolg. Denn obwohl er um Punkt 20 Uhr mit seinem Gebot von 573 Euro vorne lag und damit rechtmäßig der Höchstbieter war, durfte er sich nicht über das NFT freuen.
Statt, wie angekündigt, um 20 Uhr die Auktion zu beenden, gingen noch bis 21 Uhr weitere Gebote ein. Das End-Gebot für das Musikstück war damit fast doppelt so hoch als das des Informatikers.
Es blieb nicht bei dieser einen Ungereimtheit an jenem Tag. Wie Fabian K. erging es vielen Weiteren. Laut den Enthüllungsrecherchen habe Kliemann für mindestens weitere 84 NFTs Gebote nach Ablauf der Zeit bestätigt und so Extra-Gewinne in Höhe von 68.000 Euro eingeheimst.
"Mein erster Gedanke war: Ich wurde hereingelegt", sagt Fabian heute. Er wollte das nicht auf sich sitzen lassen und habe im März und April 2021 E-Mails an Kliemann geschrieben, in denen er beklagte, unrechtmäßig überboten worden zu sein.
Auf die erste E-Mail antwortete Kliemann und gab seinen Fehler noch zu: "Es tut mir wirklich sehr leid. Du hast vollkommen Recht." Auch auf Twitter blieben die Beschwerden nicht aus. Der Musiker veröffentlichte dort eine Rechtfertigung. Die Uhrzeit einiger Gebote sei für ihn nicht ersichtlich gewesen.
Nach "Kontraste"-Recherchen ist es jedoch durchaus möglich, den Zeitpunkt der eingegangenen Gebote sicher zu überprüfen – etwa über die Programmierschnittstelle der Auktionsplattform. Später veröffentlichte Kliemann einen Beitrag, in dem er zugab, dass es bei der Auktion zu Fehlern gekommen sei. Wie groß das Ausmaß der Fehler ist, war in diesen Stellungnahmen allerdings kein Thema.
Seither äußert sich der Influencer zum Thema nur noch über seinen Anwalt. Auf die Anfrage von "Kontraste" rechtfertigte dieser Kliemanns Verhalten damit, dass es seine erste Auktion dieser Art gewesen sei und dadurch Missverständnisse entstanden seien. So habe der Unternehmer gedacht, dass alle Auktionen um 20 Uhr gleichzeitig beendet werden können. Stattdessen habe ihm die Auktionsplattform kurzfristig mitgeteilt, dass der Verkäufer alle Gebote einzeln manuell bestätigen muss. Damit habe Kliemann nicht gerechnet, wie dessen Anwalt betont.
Ganz so einfach lässt sich die Sache so nicht vom Tisch wischen. Glaubt man dieser Aussage, muss Kliemann an jenem Abend bei der Bestätigung der einzelnen Gebote zahlreiche Fehler gemacht haben. Der Anwalt Pascal Decker, Partner der Kanzlei dtb, lässt Kliemanns Ausreden nicht gelten. "Es ist egal, ob man sich danach für etwas entschuldigt, was man davor angeblich nicht besser wusste, wenn man es leichterdings hätte wissen können: Die Haftung bleibt bestehen."
Hinzukommt, dass laut Recherche des Magazins der Höchstbietende Anspruch auf das jeweilige NFT habe. "Wenn die Auktion entsprechend angekündigt wurde, hat derjenige, der um 20 Uhr Höchstbietender war, einen zivilrechtlichen Anspruch darauf, den NFT zu bekommen", bestätigt auch die auf NFTs spezialisierte Rechtsanwältin Katharina Garbers-von Boehm von der Kanzlei Büsing Müffelmann & Theye.
Diese zurückzufordern, dürfte jetzt aber nicht mehr möglich sein. Schließlich wurden einige Musikstücke inzwischen für einen noch höheren Betrag weiterverkauft. Stattdessen hätten die Geschädigten einen Anspruch auf Schadensersatz, abhängig vom Marktwert der jeweiligen NFTs.
Um diesen geltend zu machen, müssten die Betroffenen allerdings selbst rechtlich gegen Kliemann vorgehen. Fabian K. verzichtete damals auf eine Klage, schrieb jedoch Kliemann, er möge die entstandene Mehreinnahme spenden. Eine Antwort auf diese Mail sei jedoch bis heute ausgeblieben.