Beim Reality-TV gibt es eine Krux: Wenngleich das Format eine Echtheit verspricht, sind die Darsteller:innen darin in aller Regel Medienprofis. Sie wissen sich zu inszenieren, Kamerazeit zu sichern und im Anschluss ganze Karrieren aufzubauen, etwa über weitere Fernsehauftritte und Social Media.
Einige Zuschauer:innen betrachten das aus ironischer Distanz, die schlimmste Form der Zeitverschwendung, andere mit Begeisterung. Sie fiebern mit, bauen parasoziale Beziehungen auf, verlangen, und hier kommt wieder die Krux ins Spiel, möglichst authentische Personen. Brechen Kandidat:innen mit dieser Erwartungshaltung, folgt Wut. Die Folgen sind heftig.
Kandidat:innen von "Love Island USA" kämpfen mit heftigem Cybermobbing, wie "NBC" berichtet. Die Show erreichte ordentlich Popularität und konnte viele Zuschauer:innen gewinnen. Und darunter finden sich solche, die sich tief mit den Kandidat:innen beschäftigen. So tief, dass sie ins Übergriffige driften.
Sie feuerten, heißt es in dem Bericht, so heftig mit Tiraden um sich, dass die Show selbst gegen mögliches Cybermobbing vorgehen musste. Zuschauer:innen bekamen in der aktuellen Folge den Hinweis zu sehen, doch bitte etwa nachsichtiger in den Kommentaren zu sein. Selber Hinweis tauchte auch auf den Social-Media-Kanälen auf.
"Bei 'Love Island' geht es darum, auf das Verhalten der Leute zu reagieren, aber sie verdienen es, für ihr Verhalten als Kandidaten einer Reality-TV-Show zur Rede gestellt zu werden, nicht als Mensch und Person", sagte der Komiker Iain Stirling, Erzähler der "Love Island"-Reihe, in einem Zoom-Interview mit NBC News.
Die Schikanen gingen aber weiter. So schrieben Zuschauer:innen über die Kandidatinnen Cierra Ortega, Olandria Carthen und Chelley Bissainthe seien nur die "gemeinen Mädchen" der Show, was noch die nettere Formulierung ist. Das Dauerfeuer an Beschimpfungen führte dazu, dass die Betreiber:innen die Instagram-Accounts der drei Teilnehmerinnen schlossen.
Denn Problem ist auch: die Kandidat:innen können sich kaum wehren, da sie von der Außenwelt ausgeschlossen sind. So funktioniert das Format eben. Kommen die Teilnehmer:innen zurück, droht die Hasswelle sie von den Füßen zu reißen. Psychische Belastung bis hin zur Erkrankung sind da nicht untypisch.
Die Personen hinter den Reality-Formaten organisieren zwar psychischen Beistand, doch ob das reicht, sei mal dahingestellt. Der Hinweis, bitte nett zu sein, jedenfalls dürfte einen ähnlich starken Effekt haben wie die Altersbeschränkung auf Pornoseiten.