Stärkste Partei bei der Bundestagswahl ist mit 25,7 Prozent die SPD geworden. Doch eine andere Partei verhält sich derzeit wie der absolute Wahlgewinner. Bei Markus Lanz kann man einen Eindruck bekommen, dass die Koalitionsverhandlungen wohl nicht so ganz einfach werden dürften. Der Moderator begrüßt folgende Gäste:
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erzählt, dass er den Grünen und der FDP mittlerweile ganz formell Bescheid gegeben hat, "dass wir diese Gespräche führen wollen". Klar sei aber auch, dass sie diese Verhandlungen "nicht so öffentlich" wie 2017 mit den zahlreichen Leaks und Tweets, die das interessierte Publikum quasi immer auf aktuellem Stand hielten, ablaufen dürften. Damals stieg FDP-Chef Christian Lindner aus den Verhandlungen aus und es wurde dann doch noch einmal die Große Koalition. Diesmal gelte: "Kein einziges Interview, keine öffentlichen Fotos zwischendurch." Für Klingbeil geht es darum, eine gemeinsame Basis für vier Jahre gemeinsame Arbeit zu finden. "Wenn man das macht, muss es etwas sein, was wirklich auch belastbar ist." Und das zeige sich auch in der Vertraulichkeit.
Dann geht es um die Symbolfrage, ob der unterlegene CDU-Kandidat Armin Laschet SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz denn schon zum Wahlsieg gratuliert habe. Hat er noch nicht, soweit Klingbeil weiß. "Ich kenne das eigentlich anders, dem Erstplatzierten gratuliert man schon." Alle anderen Politiker hätten das schon getan.
NRW-Innenminister und Laschet-Intimus Herbert Reul findet: "Das ist doch albern – wir haben schon im Wahlkampf die Hälfte der Zeit über Quark diskutiert. Über lächeln und abschreiben und nicht über Inhalte." Das Gratulieren sei "nicht relevant". Er wirbt um Verständnis für seinen Parteifreund und die Situation, in der er stecke. "Er leidet darunter sehr, glaube ich. Armin Laschet hat eine schwere Aufgabe. Ich finde ihn anständig und so kenne ich ihn auch.“
Für Laschet geht es um sein politisches Leben. Für Politik-Journalist Robin Alexander steht fest: "Er kann nur überleben, wenn er Kanzler wird." Aber Alexander sieht diese Chance durchaus noch gegeben. Die jeweils zehn führenden Köpfe von Grünen und FDP würden lieber mit der CDU arbeiten als mit der SPD. Zudem wäre Laschet in Zugzwang und für Grüne und FDP wären da gute Verhandlungsergebnisse zu erreichen.
Darauf hoffe Armin Laschet und versucht noch lang genug im Spiel zu bleiben, um dann abzustauben, glaubt Robin Alexander. Durchhaltevermögen hat Laschet in seinem glücklosen Wahlkampf ja schon mehrfach bewiesen.
Und doch sieht es momentan deutlich besser für eine Regierung unter Führung der SPD aus. Markus Lanz fasst zusammen in Richtung der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann: "Die sind am Start und Sie sind am Drücker." Und damit hat er das momentane Gefühl der Politikerin aus dem Bundesvorstand der FDP wohl präzise zusammengefasst. Eine Regierung ohne die mit 11,5 Prozent viertplatzierte Partei ist nicht denkbar. Ob sie denn lieber Jamaika oder die Ampel wolle, fragt Lanz. "Meine Präferenz ist, so viel wie möglich liberale Politik durchzusetzen." Aber Rotlicht möge sie eigentlich nicht so, "Ich bleibe so ungern stehen."
Strack-Zimmermann bekennt, dass sie seit 30 Jahren darauf hingearbeitet habe, mit der FDP in die Bundespolitik gewählt zu werden. Und das lässt sie nun wirklich alle spüren in der Runde. Dass sie sich anbiedern würde, kann man ihr wirklich nicht vorwerfen. Und so nutzt sie die Gelegenheit, um ein bisschen zurückzuschlagen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Kevin Kühnert, hatte noch jüngst FDP-Chef Christian Lindner wegen seiner Steuerpolitik-Ideen "Luftikus" genannt. Strack-Zimmermann ätzt zurück.
Noch viel schlimmer findet sie aber Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, der die "kleinen Parteien" in einem Interview zu mehr Folgsamkeit gemahnt hatte. "Wenn man um jemanden baggert, ist man doch eigentlich nett", sagt Strack-Zimmermann, die offenbar mehr umworben werden will. Jetzt sollten "alle auch mal abrüsten" und miteinander ins Gespräch kommen. Aber offenbar gilt das vor allem für die anderen, denn sie selbst teilt gern weiter aus: "25 Prozent ist keine große Partei mehr", stellt sie selbstbewusst klar gegenüber SPD und auch CDU. Für sie sind das "Parteien, die sich immer noch groß fühlen, aber nicht mehr groß sind".
Andersherum seien FDP und die Grünen "nicht mehr kleine Parteien, die man auf den Schoß nimmt". Zwischendurch schießt sie noch ein bisschen gegen die Grünen, wenn es um die Fahrt zu den Koalitionsverhandlungen geht. "Ach nein, wir dürfen dann ja kein Auto mehr benutzen, dann Elektroroller."
Denn schließlich gehe es um Themen wie "atomare Teilhabe" als Abschreckungspolitik und Finanzpolitik. "Mit uns wird es keine Steuererhöhungen geben", stellt sie klar. Ob das eine rote Linie sei, will Lanz wissen. "Das sind nicht alles rote Linien, aber darüber wird hart verhandelt." Das klingt nach anstrengenden und langen Koalitionsverhandlungen.