Am Morgen vor Sandra Maischbergers Sendung hat Sarah Wagenknecht abgesagt. Ihr Corona-Test war positiv. Eigentlich sollte sie bei als Ungeimpfte in der Talk-Runde über die Impfpflicht diskutieren. Nun musste die Redaktion Ersatz suchen. Neben der Impfpflicht besprach die Moderatorin auch die anderen großen Themen der Woche mit folgenden Gästen:
Sarah Wagenknecht ist ein gern gesehener Talkshowgast, weil sie meist für kontroverse Diskussionen sorgt. Zuletzt sehr oft, weil sie ungeimpft ist. Zwar spricht sich die Linken-Politikerin nicht generell gegen die Corona-Immunisierung aus, aber sie wollte selbstbestimmt erst einmal abwarten. Nun hat sie sich mit Corona infiziert, ihr Testergebnis war positiv und sie musste die Teilnahme an der Sendung morgens absagen. "Es geht ihr gut, aber sie kann nicht kommen", sagt Sandra Maischberger. Stattdessen sitzt nun ihr geimpfter und geboosterter Parteikollege Dietmar Bartsch im Studio und diskutiert mit der Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) über die Impfpflicht.
Doch bevor es losgeht, will Maischberger von Bartsch wissen, ob er mit Wagenknecht einmal über die Impfung gesprochen haben. "Ich habe versucht, sie zu überzeugen, wir haben mehrfach diskutiert und ihre Position ist differenzierter als sie manchmal dargestellt wird", entgegnet er.
Bartsch ist für die Impfung, aber gegen eine Pflicht. Ihm geht es vor allem um die Verhältnismäßigkeit, da die Impfpflicht kein Allheilmittel für die Situation sei. "Die Impflicht wird es nicht lösen, das ist eine Illusion." Er habe sich sehr für die Masernimpfung eingesetzt, weil man die Krankheit so ausrotten könne, aber diese Chance bestehe beim Corona-Virus eben nicht.
Außerdem wisse niemand, welche Virus-Varianten die Zukunft noch bringe, wie der Impfstoff dann wirke, und es liege auch noch kein detaillierter Antrag für die Impfpflicht vor, den man prüfen könne. Fest steht für ihn: Er will die Impflücke schließen, aber "bevor man eine Pflicht durchsetzt, müssen alle anderen Dinge ausgelotet werden". Und das sei bisher noch nicht geschehen. Sollte eine Impfpflicht beschlossen werden, hat er starke Befürchtungen:
Tagsüber fand im Bundestag die sehr kontroverse Orientierungsdebatte zur Impfpflicht statt. Die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, B‘90/Grüne sieht die Situation ganz anders als Bartsch. Für sie ist die Impfung der einzige Ausweg aus einer Situation, die alle Menschen quäle. "Wir haben einfach keinen Bock mehr, wir können nicht mehr." Sie glaubt, "ein freies neues Leben nach der Pandemie" gebe es nur mit Impfpflicht.
Die Impfungen würden laut Wissenschaftlern auch gegen weitere Mutationen helfen. Die von Bartsch befürchtete gesellschaftliche Spaltung sei bereits da, ihrer Meinung nach trage eine Impfpflicht zur Befriedung bei, weil sie Klarheit schafft, statt nur moralischen Druck aufzubauen: "Dann wird das Thema nicht mehr in die Familien verlagert." Wie sind die Eckdaten der möglichen Impfplicht? Wenn es nach Göring-Eckardt geht, wünscht sie sich eine dreifache Impfung für alle ab 18 Jahren.
Dass diese Regelung dann auf ewig gilt und dass die Beschränkung auf drei Impfungen sinnvoll ist, bezweifelt Bartsch sofort. Und wie schnell sich der eigene Gesundheitsstatus durch Änderung einer Festlegung ändern kann, mussten Millionen Genesene feststellen: Das RKI hat jüngst die Dauer des Genesenen-Status von sechs auf drei Monate verkürzt. Jetzt wurde bekannt, dass für die Abgeordneten im Bundestag weiterhin die alte Regel gilt. Auch wenn Göring-Eckardt das Wort Fehler nicht in den Mund nimmt, so verspricht sie doch eine baldige Anpassung.
Das zweite Duo an diesem Abend diskutiert zur Kriegsgefahr an der Grenze Russland-Ukraine. Für die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist Wladimir Putins militärische Machtdemonstration eine Reaktion auf das "Trauma", dass sich viele ehemalige Sowjetrepubliken eher gen Westen orientieren. Zudem lenke das Säbelrasseln von massiven innenpolitischen Problemen in Russland ab. "Die Situation ist ernst", sagt sie aber auch, das erkenne man auch daran, das sich klassisch neutrale Länder wie Schweden und Finnland derzeit besorgt in Richtung Nato orienterten. Außerdem würden Cyberattacken aus Russland der Ukraine zusetzen. "Putin versucht, die Ukraine von innen zu destabilisieren." Ihr Rat im politischen Umgang mit dem russischen Präsidenten:
Der zugeschaltete Putin-Biograf Hubert Seipel sieht es weniger drastisch. "Ich glaube, es kommt zu keiner geplanten kriegerischen Situation." Für ihn ist es eher eine "harte Pokersituation". Aber er könne sich vorstellen, dass diese "außer Rand und Band gerät". Nicht sehr beruhigend.
Das findet auch Tagesthemen-Moderatorion Caren Miosga, die diesmal eine von Maischbergers Kommentatoren ist. Ihre Familie hat väterlicherseits russische Wurzeln. Sie hat in Russland auch schon als Fremdenführerin gearbeitet. Der russische Blick fürchte den Zerfall des Reiches, so weiß sie nach Gesprächen mit Russen.
Biografisch begründet ist auch Miosgas besonderes Interesse an einem weiteren Thema der Woche. Es geht um die erneute Missbrauchsdiskussion in der katholischen Kirche. Miosgas Vater ist Diakon, sie kennt die Institution Kirche gut. Die Moderatorin bemerkt "ein fast schon erschütterndes Desinteresse für die Opfer", die Kirche wolle nur sich selbst schützen. Den Glauben an die Kirche habe sie "schon ein paar Mal verloren". Aber sie sei noch Mitglied, denn die Kirche sei ja mehr als die Organisation.
Ihre Kollegin Melanie Amann stimmt ihr zu. Die "Spiegel"-Journalistin ist erschüttert, dass dem ehemaligen deutschen Papst Benedikt XVI. "jegliche Empathie fehlt" für Opfer. Auch, weil er in seiner Zeit als Münchner Erzbischof nicht konsequent gehandelt hat.
Überraschend anders sieht es "Welt"-Journalist Robin Alexander. Er findet, "dass sich die katholische Kirche dem schon sehr entschlossen stellt". Zumindest im Vergleich mit anderen Institutionen mit Missbrauchsskandalen wie etwa der Odenwaldschule habe die katholische Kirche die Aufklärungsuntersuchungen selbst in Auftrag gegeben... wenn auch erst nach öffentlichem Druck.
Gewinner der Woche ist für Miosga der neue CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Zweimal war er in den vergangenen Jahren gescheitert, nun hat es geklappt. "Hartnäckigkeit zahlt sich aus." Er habe es sogar geschafft, sein Image zu wechseln. Vom "harten Knochen aus den Neunzigern" zum Integrierer. "Dem könnte der Neunanfang der CDU gelingen", glaubt Miosga. Das wird sich bald zeigen und Miosga wird dann, wieder zurück im Studio der "Tagesthemen", darüber berichten.