Es ist exakt 22:41 Uhr, als Bruce Darnell sagt: "Ich kann nicht mehr!" Die Premiere seiner ersten eigenen Show läuft seit mehr als zwei Stunden. Sänger Nico Santos ist bereits als Klopapier-Mumie durch ein Damen-WC gegeistert. Ein Lkw-Fahrer hat sich in einem Kinosaal vor seine Freundin gekniet und um ihre Hand angehalten. Und Bonnie Tyler hat mit anhören müssen, wie zwei ihrer Songs beim Pub-Karaoke beinahe zu Tode malträtiert wurden.
"Eine Show zum Wohlfühlen, mit Herz und Emotionen", hatte der 64-Jährige Choreograph und TV-Juror Darnell bei seiner Rückkehr zu ProSieben angekündigt. Er wolle das machen, was er am besten kann: "Ich bin immer für eine Überraschung gut."
ProSieben scheint sich gegen zu viele Überraschungen absichern zu wollen. Der Sender hat dem Model und Choreografen die 30-jährige "taff"-Moderatorin Viviane Geppert an die Seite gestellt. Während sie durch die Sendung und Einspieler führt, bleibt der Einsatz des Namensgebers überschaubar. "Vielleicht hätten sie das 'Die Viviane Geppert Show' nennen sollen, lästern Twitter-User. Bruce darf klassische Bruce-Sachen machen: euphorisch "Toll! Toll! Toll!" rufen, kurze Gespräche mit Gästen führen, viel umarmen und Tränchen verdrücken.
Beim Konzept von "Surprise! Die Bruce Darnell Show" haben sich die Macher ungeniert im Fundus der Fernsehgeschichte bedient: von "Verstehen Sie Spaß?" über "Die Rudi Carrell Show – Lass Dich überraschen", von "Die Traumhochzeit" über "Prism is a Dancer" bis hin zu Szenarien, die bei Joko und Klaas als zu öde abgelehnt worden wären. Überraschungseffekt? Fehlanzeige.
Eine Mutter von vier Kindern und Hobbysängerin bekommt überraschend die Chance für den ganz großen Auftritt. Ihr Bruder hat sie heimlich angemeldet, sie soll auch einmal im Mittelpunkt stehen. "Das zeigt, dass du deine Schwester unheimlich doll liebst", sagt Bruce und guckt glasig. Eine Frau, die großer Moritz Bleibtreu-Fan ist, wird – wie überraschend – von Moritz Bleibtreu überrascht. Peruanerin Eli darf mit ihren Eltern facetimen, die sie seit mehr als zwei Jahren nicht gesehen hat. Wer hätte es ahnen können? Plötzlich sitzen die Eltern im Studio.
Das ist alles für die Überraschten natürlich eine tolle Sache, als Zuschauer bleibt jedoch eine Distanz, weil die Regie sich keine Mühe macht, uns die Protagonisten näherzubringen. Nur einmal geht das Konzept auf: Hebamme Wiebke wird von Schauspielerin Nina Bott an der Haustür überrascht. Mehrere Familien wollen sich für den unermüdlichen Einsatz der Geburtshelferin bedanken. Dann zollt auch noch Schlagersänger Bernhard Brink seinen Respekt. Wiebke strahlt, den hört sie doch so gerne.
Für den lustigsten Moment sorgt ausgerechnet der mies gelaunteste Promi: Mario Basler wird von Darnell um vier Uhr morgens aus dem Hotelbett geklingelt. "Sonst geht's euch gut, oder?", schnauzt ein völlig zerknitterter Basler den ungebetenen Gast an. Erst nach einer Zigarette willigt der Ex-Profi-Fußballer ein, auf eine improvisierte Torwand zu schießen, einen halben Liter Weißbier zu trinken und Schlager, die ein betrunkener Fußballfan grölt, zu erraten. Überrascht werden sollte mit der Aktion übrigens Basler-Fan Sascha. Basler: "Wo habt ihr den denn ausgekramt?"
Fazit nach der Premiere: Eine neue Sendung, die sich allein auf Altbewährtes stützt. Ein Moderator, der in seiner eigenen Show nur eine Nebenrolle spielt. Kandidaten, zu denen man als Zuschauer kaum Bindung aufbauen kann. Es wäre eine Überraschung, wenn "Surprise! Die Bruce Darnell Show" sich als Überfliegershow bei ProSieben erweist.