Moderator Markus Lanz führte mit seinen Gästen am Mittwochabend eine Debatte über die Meinungsfreiheit, über Rassismus und Cancel Culture. Zu Gast waren neben "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und Autorin Thea Dorn auch der Blogger Sascha Lobo und die Politikwissenschaftlerin Emilia Roig.
Was eine vielversprechende Debatte hätte werden können, rutschte gleich zu Beginn in eine beispielhafte Diskussion über Klischees der Debattenkultur und über Hetze im Internet ab. Politikwissenschaftlerin Emilia Roig kritisierte dies zu Recht. Ihre Argumente jedoch fanden nicht genug Gehör.
Das waren die Gäste bei "Markus Lanz" am 30. Juni 2021:
Aufhänger der Diskussion bei "Markus Lanz" war das Ergebnis der neuesten Allensbach-Umfrage zur Meinungsfreiheit in Deutschland, das vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde. 44 Prozent der Befragten hatten bei der Umfrage Bedenken geäußert, ihre Meinung in Deutschland noch frei äußern zu dürfen, wie Markus Lanz erklärte.
Eine Unfreiheit in der Meinungsäußerung ist laut Giovanni di Lorenzo hierzulande Quatsch:
Politikwissenschaftlerin Emilia Roig sah dies anders. Laut Roig sei die Debatte nie wirklich demokratisch gewesen und nun gebe es einen Paradigmenwechsel, wie wir über gesellschaftliche Veränderungen sprechen. Menschen, die bisher unterdrückt worden seien, kämen nun zu Wort.
Sie bezeichnete es als gute Entwicklung, dass Menschen in ihrer Meinungsäußerung vorsichtiger würden, beispielsweise beim Thema Rassismus.
Statt über jedoch über das Große und Ganze zu sprechen dauerte die Diskussion bei "Markus Lanz" nicht lange an, bis sie sich in bereits Tausendfach genannten Argumenten und Individualismen verfing. Thea Dorn äußerte beispielsweise einmal mehr ihr "Unbehagen" darüber, rassistische Bezeichnungen aus Kinderliteratur verbieten.
Und sowohl Markus Lanz als auch Giovanni di Lorenzo brachten ein Beispiel nach dem anderen aufs Tableau, bei dem eine weiße, männliche Person nach einer freien Meinungsäußerung einem Shitstorm ausgesetzt war. Ein solches Beispiel war auch der Fall Jens Lehmann, der den Ex-Fußballspieler Dennis Aogo rassistisch beleidigte und trotz mehrmaliger Entschuldigung nun Jobs und Reputation verlor.
Politikwissenschaftlerin Emilia Roig bezeichnete die öffentliche Debatte über den Fall als falsch. Es würden auch viele andere Personen und Gruppen im Netz angegriffen, über die es keine öffentliche Debatte gebe, Frauen oder People of Color zum Beispiel.
In der Debatte sehe es so aus, als würden nur Menschen wie Jens Lehmann darunter leiden. Dabei fehle es gesellschaftlichen Gruppen wie Frauen, People of Color oder Schwarzen oft schlichtweg an einer Lobby.
Unterstützung bekam Emilia Roig in diesem Punkt von Blogger Sascha Lobo. Er wollte Jens Lehmann nicht als Oper der Angelegenheit bezeichnen. Außerdem sei es viel häufiger die Regel, dass Widerspruch und Diskussion im Netz mit viel weniger Konsequenzen einhergehen würden. "Das sehen wir nicht", erklärte Lobo, "weil es nicht groß gemacht wird. Wir sehen nur die Extremsituationen."
Außerdem bezeichnete der "Spiegel"-Kolumnist die Veränderung in der Haltung Jens Lehmanns als einen positiven Lernprozess für den ehemaligen Torhüter. Thea Dorn widersprach. Sie nannte den Shitstorm gegen Lehman eine "Überreaktion".
Emilia Roig brachte die Problematik der Diskussion über Jens Lehmann und ebenso der Debatte im Studio allerdings am treffendsten auf den Punkt, als sie diese als oberflächlich bezeichnete. "Wir blenden die historischen und systemischen Aspekte komplett aus." Meinungsfreiheit sei nicht nur als individuelle Recht zu betrachten, sondern auch als kollektive Freiheit mancher gesellschaftlicher Gruppen.
Gerade die Perspektive dieser gesellschaftlichen Gruppen blieb auch bei "Markus Lanz" an diesem Abend einmal mehr ungeachtet.