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RTL: Samenspender-Fall entsetzt TV-Zuschauer

Steffen Hallaschka beschäftigte sich in "Stern TV" am Mittwoch mit dem Thema Samenspende.
Steffen Hallaschka beschäftigte sich in "Stern TV" am Mittwoch mit dem Thema Samenspende.Bild: RTL / Stefan Gregorowius
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"Stern TV": Samenspender zeugte 500 Kinder – Thema sorgt für Empörung

11.05.2023, 11:51
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Unabhängig von der Beziehung zu den eigenen Eltern kann man sich wenigstens sicher sein, dass es die eigenen biologischen Eltern sind. Außer, man ist, wie Sarah Lorencic, biologisch das Kind eines Samenspenders. "Das Schlimmste, was passieren konnte, ist wahr geworden", beschreibt sie ihre Gefühlslage, als sie vor Jahrzehnten davon erfuhr. Inzwischen kennt sie ihren biologischen Vater und lebt glücklich in einer "moderne Familienkonstellation".

Lorencic sitzt am Mittwochabend bei Steffen Hallaschka im "Stern TV"-Talk. Sie erzählt ihre Geschichte und ordnet einen außergewöhnlichen Fall aus den Niederlanden aus der Betroffenenperspektive ein: Jonathan M. hat mehr als 500 Kinder gezeugt, indem er Samenbanken in mehreren Ländern angelogen hat. "Betrogen und angeekelt" fühlt sich die Mutter eines seiner Kinder.

Die "Stern TV"-Redaktion zieht, ausgehend vom aktuellen Fall, einen ganz weiten Bogen in Geschichte, Gegenwart und Ethik der Samenspende. Das Thema steht direkt am Start der Sendung und hat viel Raum, bräuchte aber noch mehr. Vieles wird nur angerissen und sorgt auch in sozialen Medien für angeregte Diskussionen und offene Fragen.

Jonathan M.: Vater von 500 Kindern

Über Jonathan M. urteilte Ende April ein niederländisches Gericht, dass er kein Sperma mehr spenden dürfe – und zwar unter Androhung einer Geldstrafe von 100.000 Euro. Erstmals aufgefallen war der 41-jährige als Vater von 102 Kindern aus niederländischen Samenbanken.

Das war 2017 und diese sperrten ihn sofort. Jonathan M. rühmt sich in einem Youtube-Video seines angeblichen Erbgutes. "Ich bin hundert Prozent Nordeuropäer", erzählt er. Daneben eingeblendet ist ein Erbgut-Testergebnis. Es sieht nach einem dieser zwielichtigen Tests mit wissenschaftlich fragwürdigem Ergebnis aus.

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Im "Stern TV"-Beitrag wird zumindest suggeriert, er würde sich damit mehr wert als Menschen anderer Herkunft fühlen. Jonathan M. zog, nachdem er in den Niederlanden gesperrt wurde, weiter, und ging zu einer global agierenden dänischen Samenbank.

Ergänzt wird dieser Fall mit einem ähnlich gelagerten aus den 1990ern, ebenfalls aus den Niederlanden. "Ich könnte nicht ohne, es ist wie jagen", sagt der damalige Verurteilte über seinen Trieb, möglichst viele Kinder zu zeugen.

Die Angst, Geschwister zu daten

"Wenn es einer geil findet, dass er ganz viele Kinder haben kann", setzt Constanze Bleichrodt, die Geschäftsführerin der Münchner Kryobank, an, "dann ist er raus". Sie spricht ein Thema an, das Moderator Steffen Hallaschka im Opener sehr holprig bereits angerissen hatte: Männer und ihre Sozialisation. Gerade, wenn es um Samenspende, Sexualität und schlussendlich Macht über Frauenkörper geht, kann es zu Problemen kommen.

Die beiden gezeigten Fälle haben etwas gemeinsam, nämlich zwei Männer, sich zum Zweck ihrer Selbstverwirklichung über Regeln zum Schutz anderer hinweg setzen dürfen. Das niederländische Gericht begründete seine Entscheidung gegen Jonathan M. mit dem schweren Eingriff in die Privatsphäre seiner Kinder, die er begangen habe. Diese könnten nicht sicher sein, ob sie mit etwaigen Sexualpartner:innen verwandt sind, da sie hunderte Halbgeschwister haben, die sie nicht kennen.

Ähnlicher Fall in Deutschland "nicht auszuschließen"

Kersten Marx, ärztlicher Leiter der Düsseldorfer Samenbank, hält einen ähnlichen Fall in Deutschland für "nicht auszuschließen". Die rechtliche Basis sei nicht ausreichend, bestätigt seine Münchner Kollegin Bleichrodt. "Der Samenspender wird nicht kontrolliert", sagt Marx im Interview.

Zwar gebe es einen Austausch zwischen den deutschen Samenbanken, "wenn wir das Gefühl haben, mit einem stimmt was nicht", sagt Bleichrodt. Geregelt ist das aber nicht. Die Samenbanken arbeiten hier mit Augenmaß und wollen laut Bleichrodt einen Samenspender nur einer Handvoll Familien zuweisen. Sarah Lorencic fordert Nachbesserungen vom Gesetzgeber ein. "Sechs Familien pro Spender wären ein guter Richtwert", sagt sie. Diesbezüglich bestehe, so Bleichrodt und Lorencic, eigentlich Einigkeit unter den im letzten Gesetzgebungsverfahren 2018 Angehörten.

Hallaschka weist auch auf eine Diskrepanz in der deutschen Rechtslage hin: Inzest ist im deutschen Strafrecht mit einer Strafandrohung von bis zu zwei Jahren Gefängnis illegal. Massenhafte Samenspende und damit die Option unwissentlichen Inzests werde hingegen nicht einmal geregelt.

Lorencic warnt vor "Identitätskrise"

Tochter eines solchen Samenspenders wie Jonathan M. zu sein, würde Lorencic "das Gefühl geben, ein Massenprodukt zu sein". Aus dieser Gefühlslage leitet sie eine klare Forderung an "die Industrie", wie sie das Geschäft mit dem Sperma nennt, ab: "Die Ärzte müssen verstehen, dass ihre Verantwortung nicht aufhört, wenn sie das Sperma verkauft haben."

Lorencic, die sich im Verein Spenderkind engagiert, fordert ein Recht ein, zu erfahren, wer der eigene Vater ist. Sie musste sich dieses Recht 2013 beim Oberlandesgericht Hamm einklagen. Seitdem kennt sie ihren biologischen Vater, und hat ein gutes Verhältnis zu ihm.

Mit der Gesetzesänderung 2018 wurde ein bundesweites Register eingerichtet, in dem Samenspender und Mütter gespeichert sind. Jede:r Betroffene kann dort Auskunft beantragen. Für die, deren Samenspender nicht registriert ist, ist das oft ein harter Weg, schildert Lorencic: "Die meisten fallen in eine Identitätskrise, denn am Ende sucht man nach sich selbst."

Herber Rückschlag für RTL: TV-Flop mit Dieter Könnes rutscht immer weiter ab

Im Februar 2023 gab es erstmals das neue RTL-Format "Achtung Verbrechen!" mit Moderator Dieter Könnes zur Primetime zu sehen. Der Sender teilte damals mit, dass "wahre Betrugsfälle mit nachgestellten Filmszenen und enthüllenden investigativen Reportagen genau unter die Lupe" genommen werden. Mit seinen Studiogästen spreche Könnes zudem ausführlich über die Betrugsdelikte und ihre Auswirkungen, hieß es.

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