Hinter den Kulissen von "DSDS" ging es in den letzten Tagen turbulent zu: Dieter Bohlen, der zur kommenden Staffel seinen Juror-Posten abgibt, sagte seine Teilnahme an den Live-Shows kurzfristig krankheitsbedingt ab. Jedoch gelang es RTL, noch rechtzeitig einen Ersatz zu verpflichten: Niemand Geringeres als Thomas Gottschalk steht nun Maite Kelly und Mike Singer zur Seite.
So feierte der 70-Jährige am Samstagabend also seinen Einstand in der Sendung. Da er nicht aus der Musikbranche kommt, bereits 2012 als Juror bei "Das Supertalent" nicht unbedingt glücklich wurde und mit den Kandidaten der jetzigen Staffel natürlich auch nicht so vertraut war sie seine beiden Kollegen Singer und Kelly, sahen einige Fans seine Verpflichtung erst einmal skeptisch. Im Halbfinale lieferte Gottschalk dann aber im Grunde genau das, was RTL wohl von ihm erwartet hatte.
Dieter Bohlen war bekannt dafür, mit den Show-Teilnehmern nicht gerade zimperlich umzugehen. Seine harten Sprüche haben das Publikum fast zwei Jahrzehnte lang bei Laune gehalten. Wie die "Bild" berichtete, soll allerdings gerade sein Auftreten auch ein Grund dafür sein, dass RTL den Vertrag des Poptitan nicht verlängert – seine Umgangsformen werden angeblich als "nicht zeitgemäß" betrachtet.
Insoweit setzte der Sender mit der Hinzuziehung Gottschalk ein kleines Zeichen, was die künftige tonale Ausrichtung von "DSDS" betrifft: Der einstige "Wetten, dass..?"-Moderator war überaus höflich und verteilte großzügig Komplimente. Zu Jan-Marten meinte er: "Als ich hier reinkam, dachte ich: Der Referendar ist auch schon da", und das war auch bereits der Gipfel der Fiesheit – relativiert durch ein anschließendes dickes Lob für die Performance des Sängers. Der gebürtige Franke betonte zudem, sein Ziel sei es generell vor allem, den Kandidaten Mut zu machen.
Was Gottschalk in der Casting- und Recall-Phase verpasst hatte, wollte er nun offenbar schnell in wenigen Stunden aufholen: Die Stellen, an denen eigentlich sein Feedback gefragt war, nutzte er mitunter, um die potentiellen Stars von morgen ein wenig auszufragen. Teils hatte das sogar etwas von einem Bewerbungsgespräch, was nicht bei allen Zuschauern gut ankam.
Der erfahrene Entertainer machte keinen Hehl daraus, in einigen Musik-Genres alles andere als ein Experte zu sein. "Musikalisch bin ich raus, da seid ihr die Fachleute", hieß es von seiner Seite gleich mehrmals in Richtung seiner Jury-Kollegen. Wann immer er die Gelegenheit bekam, in frühere Jahrzehnte einzutauchen, nutzte er diese hingegen konsequent für Geschichten und Anekdoten. Gottschalk sollte aber natürlich auch gar nicht Bohlens Fachkompetenz ersetzen, sondern das Format mit seinem Charisma beflügeln. Das stand wohl nie zur Diskussion.
Gefühlt redete er etwa doppelt so viel wie Maite Kelly und Mike Singer, die beiden gingen neben ihm phasenweise regelrecht unter. Das war ein weiterer starker Gegensatz zu Bohlen, der kaum zum Schwafeln neigt, sondern bekanntlich vielmehr klare Ansagen vorzieht. Selbstdarsteller und dabei trotzdem sympathisch sein – das war an diesem Abend einmal mehr Gottschalks großer Trumpf.
Genau wie Bohlen muss aber auch er sich zusehends mit Vorwürfen auseinandersetzen, wonach er nicht einfach nur zur alten Garde, sondern mittlerweile auch zum alten Eisen zählt. Vereinzelte Momente wie beispielsweise der, als Gottschalk bekräftigte, man könne heute ja auch mit Brille ein Superstar werden, provozierten im Halbfinale tatsächlich ein Stirnrunzeln.
Insgesamt dürfte RTL jedoch mit seinem kurzfristigen Bohlen-Ersatz zufrieden sein. Der Sender möchte "DSDS" ab 2022 freundlicher gestalten und Gottschalk war der erste Schritt dahin. Zugleich besteht kein Zweifel: Auch er ist nicht die Zukunft der Show.
(ju)