Gleich um zwei wichtige Themen ging es am Donnerstagabend bei "Markus Lanz" - eine mögliche Impflicht und die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine. Dabei übte sich einer in seiner neuen Oppositionsrolle. Noch-Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, ließ keine Chance aus, die neue Bundesregierung anzugehen. Dabei schimpfte er insbesondere über Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der "drei Mal die Woche bei Lanz sitzt", aber keine Antworten zur Impfpflicht liefern könne.
Ralph Brinkhaus, der Vorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion, verzichtet zugunsten des CDU-Chefs Friedrich Merz auf sein Amt. Dieser soll zukünftig beides machen. Eine Nachricht, die am vergangenen Donnerstag bekannt wurde. Einer soll es vorher nicht gewusst haben: Paul Ziemiak. Er wusste nicht, dass Brinkhaus einen Brief verfassen würde, in dem er seine Entscheidung kundtut. "Wie dicht sind Sie denn noch am Zentrum der Macht?", möchte Markus Lanz von ihm wissen. Ziemiak, der am Montag seinen Posten als CDU-Generalsekretär abgibt, meint dazu nur, dass die Entscheidung zwischen Merz und Brinkhaus getroffen wurde.
Die "Zeit"-Journalistin Mariam Lau spricht von einer "Zentralisierung der Macht" – ein Zustand, nach dem sich die CDU gesehnt habe. Sie geht davon aus, Merz wisse, dass er beide Posten eher übergangsweise machen wird, bevor die jüngere Generation der Partei das Ruder übernimmt. "Ich glaube nicht, dass Merz denkt, er wird der nächste Kanzlerkandidat", macht Lau deutlich. Dann kommt die Journalistin noch auf Ex-Kanzlerin Angela Merkel zu sprechen. Dass sie den Ehrenvorsitz der CDU ablehnt, ebenso wie ein Abendessen, zu dem sie von Merz eingeladen wurde, würde zeigen, wie "verkümmert die Partei innerlich" ist. Mit dem neuen Vorsitzenden sei nun jemand da, der das anpacken wolle.
Nun lobt die Journalistin jedoch die CDU auch einmal – in Bezug auf ihre Kritik an der Bundesregierung. Es geht um die Impfpflicht. Anstatt einen eigenen Antrag zu formulieren und einen Gesetzesvorschlag zu machen, hat sich die Regierung dazu entschieden, aus der Impfpflicht eine Gewissensfrage zu machen und diese von den Abgeordneten des Bundestages debattieren zu lassen. Die CDU kritisiert dabei die fehlende Führung.
Nach der sogenannten Orientierungsdebatte im Bundestag, wo unterschiedliche Positionen präsentiert wurden, ist sich FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff "nicht sicher, wo er hingeht". Für ihn stellt sich die Frage der Umsetzung. Wie genau könnte eine solche Pflicht überhaupt realisiert und kontrolliert werden? "Sie legen sich also nicht fest?", fragt Lanz nach. "Nein, wir orientieren uns noch."
Während sich Graf Lambsdorff und Lau noch austauschen, kochen bei Ziemiak bereits die Emotionen hoch. In Oppositionsmanier verliert er kein gutes Wort über die Bundesregierung.
Der CDU-Generalsekretär redet sich in Rage und spricht von einem "völligen Kuddelmuddel", das in Bezug auf die Impfpflicht entstanden sei. Zum Hintergrund: Während sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch Karl Lauterbach sich als Abgeordnete für eine Impfpflicht ausgesprochen haben, wollen sie als Minister und Kanzler keine Stellung dazu beziehen, sondern den Bundestag entscheiden lassen. Für Ziemiak ein unmöglicher Zustand. Seine Partei habe bereits einen Fragenkatalog entworfen und an die Regierung geschickt – und bisher keine Antworten darauf erhalten.
Für ihn ist klar, dass die Regierung selbst einen Vorschlag machen muss. "Warum stellt denn Ihre Partei keinen Antrag?", möchte Lanz schließlich von ihm wissen. "Wir haben die Regierung gefragt, wie sie vorgehen will", weicht er der Frage aus. "Hat denn die CDU eine gemeinsame Position zur Impfpflicht?" "Ja, die CDU hat eine mehrheitliche Meinung zur Impfpflicht." "Warum stellen Sie dann den Antrag nicht?", fragt Lanz erneut nach. Doch auch dieses Mal gibt es keine befriedigende Antwort: "Es ist die Aufgabe der Regierung."
Auch die FDP möchte sich nicht geschlossen positionieren. So haben manche Abgeordnete bereits Vorschläge zur Impfpflicht eingebracht, andere, wie Wolfgang Kubicki, lehnen die Pflicht ab. Für Graf Lambsdorff ist das ein "ehrenhaftes Aufeinanderprallen" von unterschiedlichen Meinungen. Während seine Partei vor der Bundestagswahl eine solche Pflicht noch vehement abgelehnt hat, ist mittlerweile sogar FDP-Chef Christian Lindner bereit für Gespräche.
Ein zweiter Riss würde durch die FDP gehen, behauptet der Moderator und spricht das Thema Ukraine an. An der Grenze zu dem osteuropäischen Land stationiert Russland seit geraumer Zeit seine Truppen. Was mit der Annexion der Krim 2014 begann, dauert bis heute an. Doch Lau sieht die härtere Grenzen zwischen der SPD und den Grünen verlaufen. Außenministerin Annalena Baerbock machte ihre Position schon allein dadurch deutlich, dass sie zuerst nach Kiew reiste und nicht nach Russland. Die SPD verkläre Russland hingegen und die FDP habe Probleme, sich "da rauszubewegen".
Die Politologin Margarete Klein sieht in dem Konflikt etwas, das bereits seit 20 Jahren andauert. Die Ukraine sei nur ein Katalysator für einen größeren Konflikt. Denn die große unbeantwortete Frage sei für Präsident Putin die europäische Sicherheitsfrage. Russland möchte die bisherige Ordnung revidieren und eine Rücknahme der Nato-Osterweiterung. Doch nicht nur das: Putin wolle auch, dass sich die USA aus Europa zurückziehen.
Graf Lambsdorff spricht von einer "realen Bedrohung", die dort an der Grenzen zur Ukraine aufgefahren werde. Auch er ist der Meinung, dass Putin die Allianz der Nato spalten möchte. Er möchte eine Änderung der grundsätzlichen sicherheitspolitischen Ordnung zu Gunsten Russlands erstreben. Laut Ziemiak möchte Putin noch mehr: von innenpolitischen Probleme ablenken. Mit öffentlichen Auftragsmorden und dem Einsperren von Oppositionellen würde Putin schauen, wie weit er gehen könne. Erneut fordert er ein klares Bekenntnis der Regierung. Diese schickt jetzt erst einmal 5000 Helme in die Ukraine. Ziemiak macht erneut klar, was er davon hält:
Klein beginnt aufzuzählen, wie stark das russische Militär verglichen zum ukrainischen ist, während Graf Lambsdorff ein weiteres Problem anspricht. So würde Russland bereits Cyberangriffe starten und habe es geschafft, dass in Kiew kein Ministerium erreichbar war. Während einige Länder, darunter die USA, die Ukraine schon längst mit Waffen versorgen, will die Regierung in Deutschland es noch mit Diplomatie versuchen.
Klein findet diesen Ansatz erst einmal wichtig, da Deutschland sich nicht nur auf die Verhandlungen konzentriere, sondern auch wirtschaftlich helfe. Für Lau hingegen ist klar, dass man die Ukraine, die sie als Nachbarn bezeichnet, nicht allein lassen dürfe. Die Deutschen hätten ausgerechnet dort acht Millionen Menschen während des Zweiten Weltkrieges getötet und tragen somit Verantwortung. Sie vergleicht die jetzige Situation damit, dass ein Ganove dem Nachbarn einen Revolver an die Schläfe halte, während wir die Telefonnummer eines Seelsorgers über den Zaun werfen. Klein ist jedoch der Meinung, dass kurzfristige Waffenlieferungen nicht helfen würden, da die Ukraine gar nicht über die Expertise und die Stärke verfüge, diese zu nutzen.
Für Graf Lambsdorff ist klar, dass mit Russland gesprochen werden muss. Zur Not müsse das Thema vor dem UN-Sicherheitsrat diskutiert werden, dessen ständiges Mitglied Russland ist. So lange noch gesprochen wird, unterstütze er keine Waffenlieferungen, macht der FDP-Politiker deutlich. Jedoch wolle sich die Regierung alle Optionen offenhalten, falls Russland gegen Völkerrecht verstoßen sollte. Ziemiak würde auch am Ende gerne wieder wissen, wie die Position des Kanzlers zu dem Thema aussieht. Graf Lambsdorff macht deutlich, dass genau seine geschilderte Position die Regierungshaltung sei.