Alt-Bundespräsident Joachim Gauck bei "Maischberger".bild: screenshot ard
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Die Corona-Lage ist ernst. Darum haben der Bund und die Ministerpräsidenten ihre Besprechung um eine Woche auf heute vorgezogen. Am Abend zuvor bespricht Sandra Maischberger die Situation des Landes mit ihren Gästen und sie versucht schon einmal, erste Beschlüsse aus einem der Teilnehmer herauszukitzeln.
Zu Gast im Studio sind:
- Joachim Gauck (Bundespräsident a.D.)
- Hendrik Wüst, CDU (NRW-Ministerpräsident)
- Anna Planken (ARD-Moderatorin)
- Christina Berndt (Wissenschaftsjournalistin, "Süddeutsche Zeitung")
- Wolfram Weimer (Publizist)
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst will das Publikum in Fußballstadien ausdünnen. bild: screenshot ard
Wüst: Impfpflicht wird kommen
Impfpflicht, bundesweite 2G-Regelung und weitere Kontaktbeschränkungen: Bei der Ministerpräsidentenkonferenz soll es um wichtige Grundsatzentscheidungen in der Corona-Krise gehen. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ist der aktuelle Vorsitzende der MPK und er hat auch die Beschlussvorlage geschrieben. Für ihn steht fest: "Wir haben es hier mit einer Pandemie der Ungeimpften zu tun." Deshalb sehe er die Impfpflicht als nötig an. "Ich bin ziemlich sicher, sie kommt."
Beim Treffen der Ministerpräsidenten rechnet er mit "insbesondere Einschränkungen für die Nichtgeimpften". Also weitgehende 2G-Regelungen, aber auch 2G+. So könne man einen Lockdown und Geschäftsschließungen vermeiden. Besonders wichtig sei die Abstimmung der Maßnahmen unter den Ländern, damit nicht überall etwas anderes gelte. Ab welchem Schwellenwert die Maßnahmen denn gelten werden, will Maischberger wissen und Wüst windet sich, bis er eine Inzidenz von 300 bis 350 nennt.
Zuletzt sorgten in Wüsts Bundesland Bilder vom Rheinderby aus dem vollbesetzten Stadion in Köln für Aufregung. Dazu sagt er jetzt:
"Es ist klar: Sowas darf es nicht wieder geben. Aus heutiger Sicht war es falsch, weil nicht umgesetzt wurde, was verabredet worden war."
Hendrik Wüst
Denn trotz Maskenpflicht trug kaum einer auf den TV-Bildern eine. Und so könnte bei der MPK beschlossen werden, dass bereits ab dem Wochenende die Stadien nur noch zu einem Drittel besetzt werden dürfen. Und das ausschließlich auf Sitzplätzen. Ob das nicht sehr kurzfristig sei, die Karten seien ja auch schon verkauft, wirft Maischberger ein. "Wenn wir das morgen beschließen, wird das schon reichen." Ganz verbannen will Wüst das Publikum nicht aus den Stadien. Die seien immerhin luftig. "Ich glaube nicht, das wir damit besser fahren. Die Leute werden ihre Spiele gucken, dann gehen sie in die Kellerbars."
Joachim Gauck im Gespräch mit Sandra Maischberger. bild: screenshot ard
Ex-Bundespräsident Joachim Gauck hat sich zu seinem Zapfenstreich als Bundespräsident "Über sieben Brücken musst du gehen" von Karat gewünscht, Bundeskanzlerin Angela Merkel wünscht sich nun einen anderen großen DDR-Hit: "Du hast den Farbfilm vergessen" von Nina Hagen. "Sie wollte nochmal zeigen: Das ist die Ecke, aus der ich komme – das ist auch ok", sagt er, "nicht so aufgeladen ist ja etwas Fröhliches". Maischberger hat den 81-jährigen eingeladen, um mit etwas Abstand von der Tagespolitik über die Situation in Deutschland zu sprechen.
Ob die Corona-Krise nun wirklich die schwerste der Bundesrepublik ist, wie viele behaupten? "Die Menschen glauben oft, dass die Krise, die sie erleben, die schwerste ist. Ich bin da nicht so sicher." Er erinnert an die Zeit, als im Land Notstandsgesetze beschlossen wurden und sich die Gesellschaft extrem spaltete.
Freiheit ist eines seiner Lebensthemen. Und so fragt ihn Maischberger, was er über die Impfpflicht denkt. Auch die Impfpflicht würde zwar spalten, aber sie wäre ja sinnvoll, auch für die Gegner und damit die bessere Variante. Er würde eine abgestufte Impfpflicht vorziehen. "Ich würde nicht gleich mit dem großen Hammer kommen."
Gauck korrigiert frühere Aussage
So versöhnlich war der ehemalige Pfarrer jedoch nicht immer. Im September nannte Gauck Impfgegner noch "Bekloppte". Heute gibt er zu: "Das war nun nicht meine beste Tagesform." Wenn man mit Leuten streite, könne man immer sagen "Du befindest Dich im Irrtum", man dürfe ihnen aber nicht absprechen, ein "richtiger Bürger" zu sein. "Sie haben das Recht, geschmacklos zu sein und falsche Thesen in die Welt zu setzen. Solange wir mit Regeln streiten, schädigen wir uns nicht.“ Die Grenze ist für ihn jedoch erreicht, wenn sich Impfgegner einen gelben Judenstern anheften. Das sei "unwürdig und unmöglich und eigentlich unmenschlich".
Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gibt es besonders viele Impfgegner und Gauck geht mit seinen Landsleuten ebenso hart wie verständnisvoll ins Gericht: Im Osten sei flächendeckend geimpft worden, insofern gebe es dort erst einmal keine generelle Impfskepsis. Die Corona-Skepsis sei eher eine Politik-Skepsis. Er sieht die Gründe in der unterschiedlichen Geschichte von DDR und Bundesrepublik.
"Das hängt damit zusammen, dass man einfach nicht 70 Jahre freie Zivilgesellschaft trainiert hat."
Joachim Gauck
Es gebe viele, "die mit dem System noch nicht vertraut genug sind" und eine Skepsis den herrschenden Politikern gegenüber hätten, darum hätten Populisten aller Art einfaches Spiel. Und das sei gefährlich. "Vertrauensverlust ist die Krankheit, vor der wir uns wirklich fürchten müssen."
Maischberger stellt ihm dann noch einige kurze Ergänzungsfragen: Dass Autokraten wie Erdogan Annalena Baerbock als Außenministerin ernst nehmen... "Das wollen wir doch hoffen." Der Boykott der Olympischen Winterspiele in China ist… "eine ernsthafte Überlegung". Eine Frau als Bundespräsidentin… "Hatten wir über lange Jahre und das hat dem Land gut getan." Maischberger guckt ihn entgeistert an und fragt nochmal nach "Als Bundespräsidentin?" Und Gauck bemerkt, dass er sich verhört hat und Bundeskanzlerin und Bundespräsidentin verwechselt hat und korrigiert sich.
Weihnachten feiert Gauck, der vier Kinder, 12 Enkel und "viel mehr" als sechs Urenkel hat, übrigens nicht mit der ganzen Familie, sondern wohl nur nur zu zweit. Die Familie sei an zu vielen Orten "dissoziiert". Mit der Angst vor Corona habe das aber nichts zu tun. "Nö, ich bin dreifach geimpft. Das mit der Angst ist mir nicht so gegeben." Er wolle damit nicht angeben, das sei einfach Veranlagungssache.
Sandra Maischberger (re.) und ihre Kommentatoren Christina Berndt, Wolfram Weimer und Anna Planken (v. li.). bild: screenshot ard
Kritik an der Corona-Politik
Maischbergers drei Kommentatoren üben sich in dieser Woche vor allem in Politikschelte. ARD-Moderatorin Anna Planken beklagt, dass es "gar kein Schuldbewusstsein" bei den Politikern gebe angesichts der vermeidbaren Corona-Lage gebe. "Man hat viel zu spät reagiert." Viel zu langsam geht es der "SZ"-Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt noch immer. "Wenn man bedenkt wie wie schnell das Virus ist, finde ich es wirklich unerträglich." Allerdings glaubt sie auch, dass ein Lockdown für Ungeimpfte noch ausreichen könne, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Der Publizist Wolfram Weimer wertet es als "Offenbarungseid der Politik", dass die Ampel Bundeswehr-General General Carsten Breuer als Leiter des neuen Corona-Krisenstabs benannt hat. Das Schließen von Weihnachtsmärkten und Beschränkungen in Fußballstadien empfindet er als "Symbolpolitik". Stattdessen helfe nur Impfen. Die Impfpflicht sieht er jedoch kritisch, nachdem sie von der Politik über Monate ausgeschlossen worden war. "Dann verliert auch der Staat Integrität. Keine westliche Demokratie hat diese Impfpflicht – nicht einmal China hat sie." Auf Maischbergers Einwurf, dass Österreich sie zumindest für Februar beschlossen hat, kontert er, dass es ja vielleicht nur eine Drohung sei. "Ein politisches Kommunikationsinstrument, was vielleicht gar nicht so unklug ist."
Bald starten wieder die wöchentlichen Folgen von "Wer weiß denn sowas?". Als Startschuss durften sich Zuschauer am Samstagabend über eine XXL-Folge des beliebten Quiz-Formats freuen. Kai Pflaume hieß wie immer Bernhard Hoëcker und Elton im Studio willkommen, die in gleich drei Quiz-Runden Teams mit Promis bildeten. Hinter Bernhard saßen an diesem Abend 75 und hinter Elton 48 Zuschauer, die sie während Publikumsfragen zu Rate ziehen konnten.