Modellierungen hätten schon viel früher den dramatischen Verlauf der Pandemie gezeigt, heißt es bei "Markus Lanz". Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sieht das nicht ganz so und hält in der Sendung plötzlich einen Zettel in die Kamera – darauf scheinbar lauter Zitate von beratenden Experten, die in der Vergangenheit anderes besagt hätten. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gibt dagegen bekannt, dass er mit einer Impfpflicht Anfang 2022 rechne – ob Karl Lauterbach aber wirklich Gesundheitsminister wird, steht weiter in den Sternen.
Das waren die Gäste von Markus Lanz am Dienstagabend:
Es wird eine Novelle des Infektionsschutzgesetzes geben, freut sich Reiner Haseloff nach der Telefonschalte von Bund und Ländern am Dienstagabend. Es seien Punkte aufgegriffen worden, die schon abgehakt waren, aber in der aktuellen Lage notwendig seien. "Da macht Herr Haseloff natürlich Parteipolitik an dieser Stelle", sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Das würde zeigen, dass die Union in der Opposition angekommen sei. Haseloff kontert direkt: "Die Union ist schneller in der Opposition angekommen als die SPD in der Regierung."
Klingbeil schiebt die Schuld von sich: Das Infektionsschutzgesetz hatte genug Maßnahmen, die die Länder umsetzen könnten. "Umfangreich hätten die Länder handeln können und haben es nicht getan."
Journalistin Kristina Dunz vom "Redaktionsnetzwerk Deutschland" vermisst die Führungsqualität von Olaf Scholz – er sei nicht sehr präsent gewesen. Derzeit sei die Bevölkerung verwirrt, was noch komme: "Viele Menschen haben sich darauf eingestellt, dass das alles noch ganz schlimm wird, und die Politik hinkt da hinterher."
Virologin Helga Rübsamen-Schaeff betont, wie früh diese Entwicklung bereits abzusehen war. Haseloff grätscht dazwischen: Er habe sich noch einmal die Chronologie der Beratungen während der Pandemie ganz genau angesehen und berichtet, wie spät die Politik erst von Fachgremien darüber informiert wurde, wie notwendig das Boostern sei. Mediziner hätten ihm im Sommer gesagt, dass man sich frei impfen werden.
Darauf habe man sich verlassen, deswegen sitze die Regierung nun da und hätte Probleme in der Logistik, weil man mit dieser Menge an Booster-Impfungen erst im nächsten Jahr gerechnet habe. Mediziner hätten doch gesagt, dass man mit zwei Impfungen den kompletten Immunisierungsgrad erreiche. Rübsamen-Schaeff und Dunz schütteln sofort den Kopf. "Ich habe das genau gesehen", sagt Haseloff.
Dann rechtfertigt er sich weiter: "Ich habe alles aufgeschrieben, von denen, die uns beraten haben", sagt Haseloff und zeigt einen Notizzettel in die Kamera. Laut ihm seien darauf Zitate von Experten, die ihn scheinbar "falsch" beraten hätten. Lanz hakt nach: "Sie haben ja alles aufgeschrieben, Herr Haseloff", was denn genau? Lanz stichelt, Dunz grinst. Haseloff redet sich weiter um Kopf und Kragen: Spezifische Aussagen nennt er nicht.
Rübsamen-Schaeff geht nicht davon aus, dass eine dritte Impfung reichen werde – sie rechne mit einer vielfachen Booster-Impfung gegen das Coronavirus.
Dann gerät Haseloff in einen ausgiebigen Redefluss, warum der Konsens der Ministerpräsidenten zu einer möglichen Impfpflicht nach der heutige Runde richtig sei. "Ich bin kein Parteipolitiker", setzt Haseloff an. Klingbeil grinst: "Da können Sie ruhig lachen, Herr Klingbeil", reagiert Haseloff direkt. Wenn er schon so lange Jahre in der Politik tätig wäre wie Haseloff, würde er wissen, dass es in einer Krise auf gemeinsames Handeln ankomme. Man brauche sich jetzt auch nicht mehr gegenseitig belehren, fügt er an.
"Vielen Dank für die Tipps, die ich offenbar als junger Politiker noch brauche", sagt Klingbeil süffisant. Ihn störe es aber, dass Länderchefs die Verantwortung auf Berlin abwälzen, wenn sie doch selbst noch mehr Maßnahmen einsetzen könnten. Dann gibt er doch zu: "Das Kommunikationsverhalten der letzten Wochen hat zur Verunsicherung beigetragen."
Eine Impfpflicht ist wichtig und richtig, sagt Rübsamen-Schaeff. Sie könne nicht verstehen, warum dieser Solidaritätsgedanke nicht weiter verbreitet sei. Der Fehler sei, dass die Politik auf genau das gesetzt habe, sagt Dunst. Die Debatte sei nun gekippt, ganz anders werde derzeit über die potentielle Impfpflicht gesprochen, auch in seinem privaten Umfeld, sagt Klingbeil. "Ich bin mir sicher, dass die Impfpflicht Anfang 2022 kommen wird", stellt er klar. Wann genau, dem möchte er nicht vorgreifen.
Bei zwei Fragen lässt Lanz nicht locker: Wer wird Gesundheitsminister? Und warum steht das in diesem Stadium der Pandemie noch immer in den Sternen?
Am Montag werde man bekannt gegeben, wer das Gesundheitsministerium leiten wird, sagt Klingbeil. Die Notwendigkeit, das weit vorher zu wissen, sieht er nicht. Corona-Ansprechpartner sei derzeit Olaf Scholz, dieser beschäftige sich derzeit 24 Stunden damit, wirbt Klingbeil – dazu gehören auch tägliche Telefonate mit Jens Spahn.
Wird es Karl Lauterbach? "Wir sind sehr froh, dass Karl Lauterbach in unseren Reihen ist", sagt Klingbeil diplomatisch. Alle in der SPD-Spitze würden sich derzeit täglich von ihm beraten lassen. "Was würden Sie denn hier in der Sendung machen ohne Karl Lauterbach?", fragt er Lanz. "Lauterbach gehört doch zu Ihnen", scherzt Klingbeil und bringt Lanz zum Lachen.
Der Posten des Gesundheitsministers wird noch vor der Öffentlichkeit verheimlicht, auch bei den Koalitionsverhandlungen der Ampel ist kaum etwas nach außen gedrungen. Wie? Klingbeil trocken: "Die Union war nicht dabei". Sogar ein positiver Corona-Fall während der Verhandlungen sei nicht an die Öffentlichkeit gedrungen, das habe die Vertrauensbasis gezeigt. "Das war der ganz harte Wille zur Macht", meint Journalistin Dunz.