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Böhmermann wettert gegen Innenstadtplanung: "Schon Krankheitsursache?"

Jan Böhmermann im Studio.
Jan Böhmermann nimmt die Stadtplanung in Innenstädten unter die Lupe.Bild: ZDF / Jens Koch
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Böhmermann wettert gegen Innenstadtplanung – viel Inhalt, wenig Tiefe

15.04.2023, 07:2515.04.2023, 07:31
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Nach der platten Tischnummer zu Männerglatzen scheint Jan Böhmermann seinen Wunsch nach informativer Satire wiederentdeckt zu haben: Am Freitag macht das "ZDF Magazin Royale" einen Ausflug in die deutsche Innenstadt. Lange totgesagte leben bekanntlich länger, und Böhmermann meint auch zu wissen, wie es sich mit der Innenstadt verhält: "Damit die Innenstadt leben kann, muss der Mensch sterben, oder sich wenigstens verpissen."

Auf den Take führt ein gut zwanzigminütiger Durchritt durch die Konsequenzen der Stadtplanung: "Angsträume" für Frauen*, Hitzetote, drangsalierte Obdachlose in würdelosen Bedingungen und ein How-to-Jugendliche, die nichts kaufen wollen, aus der Innenstadt verscheuchen. Böhmermann holt zum Rundumschlag gegen die deutsche Innenstadtplanung- und Verwaltung aus. Zwischendurch lässt er doch einiges an interessanten beziehungsweise erschreckenden Ansätzen liegen.

"Ist das noch Stadtplanung oder schon Krankheitsursache?"

Begonnen wird in der Sendung nach der guten alten journalistischen Regel, die Leute da abzuholen "wo sie sind". Also bei einem deutschen Schlagzeilen-Evergreen, dem langsam in den Stadtkernen dahinsiechenden Einzelhandel. Hier vermisst man angesichts der Karstadt-Galeria-Kaufhof-Pleite, etwas Böhmermanns Schärfe und Spleen für die Auswüchse des österreichischen Kapitalismus – Wo ist die Spitze gegen René Benko, dem Mehrheitseigner der Warenhauskette?

Benko taucht immer mal wieder in Korruptionsermittlungen in Österreich auf, wenigstens ein kurzes Gastspiel von Böhmermanns Imitation des "Kurz, Sebastians" hätte es da schon sein dürfen. "Ist das noch Stadtplanung oder schon Krankheitsursache?", leitet Böhmermann über zu Hitzetoten und psychischen Belastungen, die von der Betonwüste Innenstadt verursacht werden, über zur eher mauen Gastfreundlichkeit von Einkaufsstraßen.

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Jugendlichen-Verscheuchmaschine für 500 Euro

"Herumlungernde Jugendliche", macht er als Problem, mit dem sich Stadtplanende gerne beschäftigen, aus. Er zieht ein graues Kästchen hervor. "Hören Sie das?", fragt er ins Publikum. Anscheinend hört niemand den hochfrequenten Ton, der daraus ertönen soll. "Mosquito", heißt das Gerät, das einen hochfrequenten Ton erzeugt, den nur unter 25-Jährige hören könnten. Dieser sei so unangenehm, dass sie wieder verschwinden würden.

Mosquito ist übrigens ein geschützter Markenname einer britischen Firma mit hochinteressanter Webseite. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz bescheinigte der Gerätschaft eine potentielle Gesundheitsgefährdung. Trotzdem hat das "ZDF Magazin Royale"-Team anscheinend mehrere deutsche Städte recherchiert, die das Gerät einsetzten – unter anderen Gießen und Reutlingen. Es werde "auf dem Schulhof, im Park und an der Universität" eingesetzt, um besagte "herumlungernden Jugendliche" zu vertreiben.

Wer auch immer so etwas bestellen möchte, dem wird es mit dem Claim "Sound out the Problem, before it starts" auf der Webseite des britischen Herstellers angeboten. Die Basisversion ist für gut 500 Euro ein echtes Schnäppchen für besagte Kommunen. Infos, die uns das "ZDF Magazin Royale"-Team leider vorenthält, und in denen sicher noch die ein oder andere Pointe steckt.

Was journalistisch deutlich schwerer wiegt: Die Bundesanstalt für Arbeitssicherheit hat Geräte dieser Art, laut eigener Website, erstmals 2007 geprüft, und für nicht ungefährlich befunden. Eine Info, für die sich das ZMR-Team die Zeit hätte nehmen sollen.

Feministische Analyse eingezwängt zwischen Phallus-Witzen

Mit der patriarchalen Prägung in der Stadtplanung – also Städten, die von meist älteren Männern für Männer geplant wurden – reißt Böhmermann den nächsten wichtigen Aspekt an. Übergriffe auf Frauen* und "Angsträume" festgemacht an einer Studie zur Sicherheit in der Kölner Innenstadt.

Eine Frau aus Köln kommt zu Wort, und erklärt am Kölner Ebertplatz, warum allein die Architektur dafür sorgt, dass sie sich unsicher fühlt. Sie habe "keine Chance" zu sehen, ob jemand hinter einer der vielen 60er-Jahre-brutalesken Betonsäulen sei und ihr gefährlich werden könne.

Warum Frauen* in der Stadtplanung anders berücksichtigt werden müssen, und was das mit den Machtstrukturen, in denen wir leben, zu tun hat, weiß die Berliner Humangeographin Mary Dellenbaugh-Losse. Sie führt aus, dass aus mehr Care-Arbeit, die von Frauen geleistet wird, andere Mobilitätsmuster entstehen.

Diese Fakten spickt Böhmermann mit ein paar flachen Witzen über hegemoniale Männlichkeitsbilder an. Es wirkt alles etwas mit heißer Nadel gestrickt, hier hätte Böhmermann inhaltlich tiefer einsteigen können und müssen – wenn man dafür den ein oder anderen phalluszentrierten Gag streicht. Dafür hätte Expertin Dellenbaugh-Losse noch einen zweiten Satz sagen, und dicker unterstreichen können, wie gefährlich solche "Angsträume" werden können.

"Form follows fuck you"-Architektur gegen Menschen

Bloß um die zwei Minuten beschäftigt sich die Sendung mit Barrierefreiheit und nennt erschreckende Zahlen, teils brauchen Metropolen wie Berlin noch bis 2053, bis alle Bushaltestellen barrierefrei sind. Und statt zumindest einem kurzen Eindruck, wie der Alltag in deutschen ÖPNV für Betroffene aussieht, zeigt Böhmermann ein cringendes Tanzvideo. Aber ein "schlechtes Gewissen" hat Böhmermann ja, wenn er Shoppen geht, wegen Obdachloser, die ihn anbettelten.

Eine Überleitung in der Sendung so holprig, wie an dieser Stelle. Hier zeigt, das Team um Böhmermann wieder, was Recherche kann: "In den letzten Jahren ist die Verelendung heftig. Wir verteilen immer öfter auch Windeln in der Innenstadt, zitiert Böhmermann eine:n anonyme Sozialarbeiter:in, der:die nicht erkannt werden möchte, weil der Sozialträger Angst habe, dass die Stadt Hamburg ihm die Gelder kürze. "Die Leute sind einfach krank und pflegebedürftig, aber sie liegen auf der Straße, wenn sie nicht von der Polizei aus dem Sichtfeld vertrieben werden", führt die Quelle weiter aus.

Wie Kommunen häufig mit Obdachlosen umgehen, zeigt sich stadtplanerisch besonders an der Architektur, die Böhmermann unter "form follows fuck you" zusammenfasst. Und die Bank auf, die man sich nicht legen kann, hätte so ein guter alternativer Einstieg in die Sendung sein können. Trotz aller Schwachpunkte macht Böhmermann eines klar: Die Verhältnisse, in denen wir leben, schlagen sich in unserer Art zu bauen und zu planen nieder und das zu ändern, kann ein Weg sein, die Verhältnisse zu ändern. Wären die Pointen doch nur präziser gesetzt gewesen.

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