Während Russland am mittlerweile achten Tag seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, vollzieht sich aus der Sicht des Bundeskanzlers Olaf Scholz auch aus deutscher Sicht eine "Zeitenwende". So nannte es Scholz am Sonntag im Bundestag und meinte damit auch die Kehrtwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.
Am Donnerstagabend stellte sich der Bundeskanzler diesbezüglich den Fragen der Moderatorin Maybrit Illner. In einem Zwiegespräch sprach er nicht nur über die Verhandlungen mit Wladimir Putin, sondern fand auch klare Worte zu Gerhard Schröder.
Die deutsche Bevölkerung stimmte er auf hohe Energiepreise ein – und hielt gleichzeitig an den Regierungsplänen der Ampelkoalition fest.
Direkt zu Beginn des Interviews wies Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zunächst darauf hin, welche Befürchtungen er mit Blick auf den Ukraine-Krieg hegt. Er sagte: "Je länger der Krieg dauert, umso mehr Zerstörung wird er anrichten. Es wird mehr Menschenleben kosten, es werden Zivilisten sterben, aber auch viele Soldatinnen und Soldaten."
Die Bilder des Krieges ließen sich nur kaum bis gar nicht ertragen und mit ihnen dürfe man sich auch nicht abfinden.
Der Bundeskanzler stand auch bei "Maybrit Illner" zu der Entscheidung, Waffen an die Ukraine zu liefern. Der 63-Jährige betonte: "Wenn Verträge nichts mehr gelten, geltendes Recht keine Bedeutung hat, sondern Gewalt und Stärke Grund genug sind, ein anderes Land anzugreifen, dann müssen wir in der Nato stark genug sein zu sagen, dass das nicht funktionieren wird."
Dennoch sei das Konzept "Wandel durch Annährung" nicht gescheitert und Diplomatie und der Wille zu Gesprächen stets die bevorzugte Möglichkeit im Umgang mit Russland.
Er betonte außerdem, dass er Gerhard Schröders Nähe zu Putin nicht richtig fände und sich wünsche, er würde seine Ämter niederlegen. Er glaube zwar nicht, dass die Beteilung des ehemaligen Bundeskanzlers der SPD schaden würde, doch sie sei auch nicht seine "Privatsache". Scholz erklärte: "Ich hoffe, dass all die vielen Freunde, die er unverändert hat, ihn überzeugen können, dass er seine Entscheidungen aus der Vergangenheit überdenkt."
Olaf Scholz schloss in der ZDF-Sendung eine militärische Beteiligung der Nato-Staaten im Ukraine-Krieg explizit aus. "Das würde eine dramatische Eskalation und große Gefahren mit sich bringen", ließ er verlauten. Ein Nato-Beitritt der Ukraine stehe derzeit nicht auf der Tagesordnung – und habe dies auch vor Kriegsausbruch in der Ukraine nicht getan.
Auch ein schneller EU-Beitritt, wie von der Ukraine und ebenso von Georgien und Moldau in diesen Tagen gewünscht, stehe derzeit nicht auf dem Tableau. Dies sei laut Scholz derzeit nicht die Frage, um die es gehe. Außerdem gebe es einige andere Länder, etwa des Westbalkans, die bereits viel länger auf das Ende eines geordneten Verfahrens des EU-Beitritts warten würden.
In der Frage, wer in den Verhandlungen mit Russland eine Vermittlerrolle einnehmen könnte, wollte Olaf Scholz sich nicht festlegen. Er machte aber klar:
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit könne man nicht von außen in andere Länder importieren. Die Ausgangspositionen in den Verhandlungen seien sehr unterschiedlich.
Der Bundeskanzler verwies jedoch auch auf die Geschlossenheit der EU-Länder in der Sache, mit der Russland vermutlich nicht gerechnet habe. Im Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine sprach sich Scholz für "schnelle, unbürokratische Verfahren" aus.
Kurzfristig hat Olaf Scholz gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Ampel-Regierung ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr beschlossen. "Muss sich die deutsche Bevölkerung auf ein Leben mit weniger Wohlstand einrichten?", fragte Maybrit Illner.
Bundeskanzler Scholz gab zu, dass die Sanktionen gegen Russland auch hierzulande Folgen haben würden. Die Reformversprechen der Ampel-Regierung – bessere Renten, Bildung, ökologische Transformation etc. – werde dies jedoch nicht angreifen. "Alles das werden wir mit gleicher Intensität vorantreiben", versprach Scholz. Das Sondervermögen biete die Möglichkeit, das eine zu tun – und das andere nicht zu lassen.
Abschließend kam Olaf Scholz darauf zu sprechen, was für Auswirkungen der Konflikt auf die deutsche Wirtschaft und die Energiepreise hat. "Es macht überhaupt keinen Sinn, dass wir uns irgendwas vormachen", begann der SPD-Politiker. "Wenn es eine ökonomische Konfrontation gibt durch die Sanktionen, dann hat das Folgen für Russland, aber es hat immer auch Folgen für uns." Er erklärte, dass die weltweit steigenden Energiepreise für Gas und Kohle auch "unmittelbare Auswirkungen" auf uns haben würden.