
Die Lage am deutschen Himmel ist kompliziert – das trifft auch die Passagiere. getty
Urlaub & Freizeit
08.04.2019, 06:2708.04.2019, 08:54
Koffer gepackt? Ist ein starkes Nervenkostüm auch dabei? Denn in den kommenden Tagen wird es an den
deutschen Flughäfen ernst.
- Wenn zum Wochenende (13./14. April) die Osterferien in allen größeren Bundesländern beginnen, drängen schon ab Donnerstag Hunderttausende Passagiere gleichzeitig an die Gates.
- Weil der große Andrang im vergangenen Sommer zum beträchtlichen Chaos in Europas Luftraum beigetragen hat, soll in dieser Saison alles besser werden, haben Airlines, Behörden und Flughäfen versprochen.
- Doch weiter bestehende Personalengpässe bei der Flugsicherung und neue Probleme beim Fluggerät lassen keine Euphorie aufkommen.
Wie die Luftfahrtbranche um eine Lösung kämpft
Auf einem Luftfahrtgipfel hatten die Beteiligten Ende März in Hamburg
konkrete Maßnahmen angekündigt, zugleich aber Erwartungen gedämpft.
"In diesem Sommer können wir noch nicht alle glücklich machen",
erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hinterher und
sprach von unvermeidbaren "Ruckeleien". Nach Einschätzung der
Deutschen Flugsicherung (DFS) wird der Flugverkehr im deutschen
Luftraum auch in diesem Jahr wachsen, und zwar um rund vier Prozent nach
dem Rekordwert von 3,4 Millionen Flugbewegungen im Chaosjahr 2018.
Der Flughafenverband ADV sieht seine Mitglieder gut vorbereitet:
Überall werde das Personal aufgestockt, Prozesse würden optimiert.
Auch werde den bislang beengten Passagier- und Handgepäckkontrollen
mehr Platz eingeräumt. Die Bundespolizei hat in den vergangenen
Monaten erfolgreich neue Kontrollspuren getestet, die mit einfachen
Konstruktionen die Zahl der stündlich zu kontrollierenden Passagiere
mehr als verdoppeln kann.
Doch es gibt ein Problem...
Diese neuen Kontrollspuren stehen mit wenigen
Ausnahmen in München, Hamburg und Frankfurt noch nirgendwo zur
Verfügung. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt wird für
sieben neue Spuren ein eigener Anbau errichtet, der aber frühestens
im Sommer bereit ist. Bis dahin setzen die Beteiligten auf
Verbesserungen im Detail.
Der Frankfurter Flughafenchef Stefan Schulte hält ohnehin an der
Forderung fest, die bislang von der Bundespolizei angeleiteten
privaten Kontrolleure künftig selbst zu steuern. Beim Gipfel hatte es
für einigen Unmut gesorgt, dass in Berlin die beiden bestellten
Gutachten zu diesem sicherheitsrechtlich heiklen Thema immer noch
nicht vorliegen.
Welche Rolle der Streit um das Air Berlin-Erbe spielt:
Die Airlines hatten mit ihren engen Flugplänen im vergangenen Jahr kräftig zu Verspätungen und Flugausfällen beigetragen, weil sie nach der Pleite von Air Berlin möglichst große Marktsegmente besetzen wollten. Lufthansa, ihre Tochter Eurowings, Condor und Co. haben sich im laufenden Jahr beschränkt und stellen deutlich mehr Reserveflugzeuge und Crews bereit. Allein der Lufthansa-Konzern wendet nach Angaben von Vorstand Detlef Kayser eine Viertel-Milliarde Euro für einen stabileren Betrieb auf.
Und auch Boeing macht Probleme...
Wegen der Probleme um Boeings Pannenflieger 737 Max sind
Mittelstreckenflugzeuge in Europa allerdings schon jetzt ein knappes
Gut. Nach dem Absturz einer Boeing in Äthiopien hatten zahlreiche
Länder rund um den Globus, darunter Deutschland, Flugverbote für
diesen Typ erlassen. Neben der Billig-Airline Norwegian ist
insbesondere der Reisekonzern Tui getroffen, dem 23 fest eingeplante
Jets auf ungewisse Zeit bis zur Wiederfreigabe des Flugzeugtyps
fehlen.
Auf 200 Millionen Euro hat Tui-Chef Friedrich Joussen die
Mehrkosten bis Mitte Juli beziffert, wenn auslaufende Leasingverträge
verlängert und neue Mietverträge abgeschlossen werden. Bleiben die
Boeings noch länger am Boden, wird es schnell noch teurer.
Die mit Abstand größte Baustelle bleibt derweil vorerst die
bundeseigene Deutsche Flugsicherung GmbH, bei der rund 2000 Lotsen
arbeiten. Wie viele zur Bewältigung der kommenden Verkehrsspitzen
insbesondere im oberen Luftraum fehlen, ist umstritten: DFS-Chef
Klaus-Dieter Scheurle beziffert die Lücke auf 90 Leute, während die
Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) mindestens 200 neue Kollegen
will.
Ihr Vorsitzender Matthias Maas wirft Scheurle vor, die Ausbildung
seit seinem Amtsantritt 2013 kaputt gespart zu haben und auch seit
der Sommer-Krise nicht entschlossen genug umzusteuern. Der DFS-Chef
verweist hingegen auf eine Reihe von bereits eingeleiteten Maßnahmen,
die Flüge zu bündeln und effizienter zu ordnen. Auch wurden fertig
ausgebildete Lotsen aus dem Ausland angeworben und die Kapazität der
eigenen Ausbildungsakademie hochgefahren. Kurzfristig benötigt die
DFS aber die Mehrarbeit ihrer Bestandslotsen und dafür wiederum die
Kooperation der GdF. Eine Einigung dazu steht noch aus.
(pb/dpa)