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Wirtschaft
01.11.2018, 19:3201.11.2018, 20:51
Die Digitalwährung Bitcoin ist zu einem der großen
wirtschaftlichen Phänomene unserer Zeit geworden. Ihr sagenhafter
Kursanstieg in den vergangenen Jahren befeuerte Träume von schnellem
Reichtum, die massiven Wertschwankungen und ein Absturz in diesem
Jahr weckten die Angst vor dem Platzen einer gewaltigen
Spekulationsblase. Experten sehen aber in der Technologie hinter dem
Bitcoin die Lösung für viele Sicherheitsprobleme.
Der Grundstein für den Bitcoin wurde vor zehn Jahren gelegt. Jemand
veröffentlichte unter dem Namen "Satoshi Nakamoto" ein Papier, das
die Prinzipien für autonomes digitales Geld beschrieb. Es war eine
revolutionäre Idee: Keine Kontrolle durch eine Zentralbank, keine
nationalen Grenzen.
Wie funktionieren Bitcoin?
Für Vertrauenswürdigkeit und Absicherung soll stattdessen ein
Mechanismus mit dem Namen Blockchain sorgen. Grob beschrieben werden
alle Transaktionen nacheinander registriert – versucht jemand, diese
Kette von Datenblöcken zu manipulieren, fällt das sofort auf, weil es
viele Kopien gibt.
Bitcoin-Einheiten werden von den Nutzern selbst
generiert, indem ein Computer komplexe mathematische Berechnungen
durchführt. Ihre mögliche Menge ist beschränkt, und je mehr Bitcoin
es gibt, desto aufwendiger wird der "Schürf"-Prozess.
Wie sind Bitcoin entstanden?
Der Link zum "Satoshi"-Manifest wurde am 1. November 2008 angeblicher
oder tatsächlicher Ortszeit in einer Mailing-Liste veröffentlicht, in
den USA war es noch der 31. Oktober. "Satoshis" E-Mail-Adresse
stammte vom deutschen Anbieter GMX. Rund zwei Monate später stand die
Software dazu.
Der Vorstoß fiel in eine wirtschaftlich turbulente
Zeit: Der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers unter der
Last fauler Immobilienkredite in den USA hatte das globale
Finanzsystem in die Krise gestürzt. Der Bitcoin tauchte aus dem
Nichts als eine Alternative auf.
"Satoshi Nakamoto" wird rund eine Million Bitcoin zugerechnet. Dieser
Schatz – nach aktuellem Kurs wäre dieses Bitcoin-Paket rund 5.6
Milliarden Euro wert – blieb aber bisher unangetastet. Die Frage, wer
hinter dem Namen steckt, wurde zu einem großen Rätsel, das viele
lösen wollten. "Satoshi" kommunizierte mit seinen frühen Mitstreitern
stets nur elektronisch, bevor er sich nach einigen Jahren zurückzog.
Wer ist "Satoshi Nakamoto"?
Diverse Krypto-Experten wurden einzeln oder gemeinsam als
Bitcoin-Urheber vermutet. Das Magazin "Newsweek" glaubte 2014, einen
pensionierten kalifornischen Ingenieur, der früher tatsächlich
Satoshi Nakamoto hieß, als Strippenzieher ausgemacht zu haben. Er
stritt alles ab.
Dann schien das Geheimnis im Mai 2016 gelüftet zu
sein: Der in der Bitcoin-Szene gut bekannte australische Unternehmer
Craig Wright erklärte, er sei "Satoshi" und wollte die Behauptung
unter anderem mit dem Krypto-Schlüssel des Erfinders untermauern.
Doch ziemlich schnell meldeten Experten Zweifel an der Demonstration
an. Wright kündigte erst an, als ultimativen Beweis Bitcoin aus dem "Satoshi"-Paket zu bewegen – und machte dann einen Rückzieher. So
bleibt die Frage, wer "Satoshi Nakamoto" ist, weiter offen.
Wie entwickelte sich das Bitcoin-Geschäft?
Der Bitcoin-Einsatz kam nur langsam in Gang. Erst war es eine
Spielwiese für Computer-Experten: Legendär ist die Geschichte vom
Programmierer, der 2010 für zwei gelieferte Pizzen mit 10.000 Bitcoin
bezahlt haben soll. Auf dem Höhepunkt der Bitcoin-Euphorie Ende 2017
wäre das Paket bis zu 170 Millionen Euro wert gewesen – und nach dem
jüngsten Kurs-Verfall jetzt immer noch rund 56 Millionen Euro.
Zu den ersten, die von den Vorzügen einer weitgehend anonymen
Digitalwährung profitieren wollten, gehörten Online-Kriminelle. Auf
Untergrund-Marktplätzen wie Silk Road konnten mit Bitcoin unter
anderem Drogen oder Waffen bezahlt werden.
Zugleich zeichnete sich
der Bitcoin schon in den ersten Jahren durch extreme Kursschwankungen
aus, die Spekulanten anlockten. Anfangs konnte der Bitcoin-Preis von
wenigen Euro auf mehrere Dutzend springen – und zurück. Später wurden
daraus Schwankungen von mehreren hundert oder sogar tausend Euro.
Wieviel Bitcoin kann es geben?
Die öffentliche Aufmerksamkeit und die Endlichkeit der Ressource
Bitcoin, von denen nur 21 Millionen Einheiten generiert werden
können, lösten in den vergangenen Jahren einen regelrechten
Goldrausch aus. Der Kurs schnellte immer weiter in die Höhe. Zu den
Konsequenzen gehörte auch, dass der Grafikkarten-Spezialst Nvidia
plötzlich mit Engpässen bei einigen Top-Modellen zu kämpfen hatte,
die besonders effizient beim "Schürfen" der Bitcoin-Einheiten sind.
Kriminelle Hacker, die heimlich Rechenleistung auf fremden Computern
abzweigen, nutzen sie jetzt bevorzugt nicht mehr für den
Massenversand zweifelhafter E-Mails, sondern zur Bitcoin-Produktion.
Die ahnungslosen Nutzer können dafür mit höheren Stromrechnungen
bezahlen.
Riesenproblem: Stromverbrauch !
Die Bitcoin-Produktion erfordert inzwischen nach dem von "Satoshi Nakamoto" vorgesehenen Verknappungs-System die
Rechenleistung von Server-Farmen. Zum Beispiel in Island mit seinem
billigem Geothermie-Strom entstand daraus eine ganze Industrie. Der
Strombedarf des Bitcoin-Systems ist enorm. Die Rechen-Prozesse
verbrauchten nach seriösen Kalkulationen bereits pro Tag so viel
Strom, wie gut 12.000 Vier-Personen-Haushalte in Deutschland im
ganzen Jahr benötigten.
Forscher der Universität von Hawaii kamen in
einer diese Woche veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass die
Bitcoin-Erzeugung ungefähr so viel Treibhaus-Gase freisetze wie zum
Beispiel ganz Österreich. Obwohl ihre Berechnungsmethoden zum Teil
angezweifelt wurden, ist das ein Weckruf: Denn das Bitcoin-System ist
ja so konzipiert, dass mit der Zeit zum "Schürfen" immer mehr
Rechenleistung verbraucht wird.
Boomt der Bitcoin-Markt immer noch?
Obwohl der Bitcoin in diesem Jahr rund zwei Drittel seines Werts
verlor, ist die Goldrausch-Stimmung noch nicht verflogen: Schließlich
könnten nach Einschätzung von Experten erst in rund 20 Jahren alle
erstellbaren Bitcoin generiert sein. Zugleich warnen Regulierer
regelmäßig vor Risiken für Verbraucher, die sich in den wechselhaften
Bitcoin-Markt trauen.
Was bringt die Blockchain-Idee?
Das technische Fundament des Bitcoin, die Blockchain-Idee, wird
inzwischen auch von Banken sowie in vielen anderen Industrien von der
Musik- bis zu Autobranche geprüft, um Prozesse abzusichern. Die
Blockchain könnte auch Einzug in Behörden halten, um beispielsweise
in einem Grundbuchamt die Übertragung von Grundstücken einzutragen.
Erst kürzlich testeten die Deutsche Bundesbank und die Deutsche Börse
die Abwicklung von Wertpapiergeschäften über Blockchain-Technologie.
Die Bundesbank erklärte danach, die zwei ausprobierten Verfahren
seien für den Betrieb einer Finanzmarktinfrastruktur geeignet.
Dass System der Daten-Ketten sei allerdings zu aufwendig und langsam,
warnen Kritiker. Befürworter entgegnen, dass die Probleme lösbar,
aber die Sicherheitsvorteile groß seien. "Die Technologie steckt noch
in den Kinderschuhen und muss zunächst ausreifen, indem sie für
zusätzliche Anwendungszwecke weiterentwickelt wird", sagt Prof.
Christoph Meinel, Direktor des Hasso Plattner Instituts der
Universität Potsdam.
Das wird auch in der Branche so gesehen: "Blockchain kann
revolutionieren, wie alle – Unternehmen, Regierungen, Organisationen,
Menschen – zusammenarbeiten", schrieb die Investmentbank Goldman
Sachs in einem Bericht. Denn sie biete einen einfachen und sicheren
Weg, praktisch jede Art von Transaktion zu verifizieren. Das bedeutet
auch: Durch die Speicherung der Kette an vielen Orten kann der Bedarf
an zentralisierten Abwicklungsstellen entfallen, was das bisherige
Geschäftsmodell vieler Firmen in Frage stellt.
(pbl/dpa)