
Eine Maske schützt nicht vor Ansteckung – aber das Gegenüber vor (allzu) feuchter Aussprache.Bild: imago images / Manngold / Manngold
Gesundheit & Psyche
09.05.2020, 19:5309.05.2020, 19:53
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Da liegt etwas in der Luft: In kleinen
Partikeln kann sich das Coronavirus verbreiten. Schwungvoll und gut
sichtbar beim Niesen oder Husten, aber auch eher zaghaft und fürs
menschliche Auge kaum sichtbar beim einfachen Sprechen.
US-Forscher haben das jüngst per Laserlicht eindrucksvoll
dargestellt: Während ein Mann "stay healthy" ("Bleib gesund") sagt,
funkeln grüne Sprenkel vor einem schwarzen Hintergrund. Trägt der
Sprecher eine Maske, ist davon nichts mehr zu sehen.
Wie feucht die Aussprache ist, hänge unter anderem von der Lautstärke
und den Lauten ab, erklärt Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann
vom Helmholtz-Zentrum München und dem Institut für Umweltmedizin an
der Technischen Universität München. Das "th" aus dem Englischen wie in
"thunderstorm" (Gewitter) oder Zischlaute eigneten sich wunderbar für
Demonstrationen. Anders ausgedrückt: "Wenn ein Infizierter vor mir
steht und 'thunderstorm' sagt, ist die Gefahr groß, mich anzustecken."
Untersuchungen nur bedingt aussagekräftig
Wie andere saisonale Corona-, Grippe- oder Rhinoviren wird auch
Sars-CoV-2 klassischerweise per Tröpfcheninfektion übertragen.
Deswegen heißt es: Abstand halten. Und: Mund-Nase-Schutz.
Doch wie weit fliegen diese Tröpfchen? Wie groß ist die Gefahr einer
Ansteckung? Und macht es dabei einen Unterschied, ob sich die
Menschen in einem geschlossenen Raum befinden oder an der frischen
Luft – und in welchem Tempo sind sie da unterwegs sind?
So neu das neuartige Coronavirus ist, so frisch, teils ungeprüft und
auf kleine Stichproben bezogen sind Untersuchungen und Modelle, die
in den vergangenen Tagen veröffentlicht wurden. "Zum heutigen
Zeitpunkt sind das oft noch Spekulationen", betont Traidl-Hoffmann.
Eine Studie aus China legt aber nahe, dass die Corona-Konzentration
innerhalb von Gebäuden meist höher ist als an öffentlichen Plätzen.
Kann man sich hinter einem Jogger anstecken?
Forscher aus den Niederlanden und Belgien haben jüngst Berechnungen
aus dem Windkanal publiziert, wonach der empfohlene 1,5-Meter-Abstand
bei schnellerer Fortbewegung nicht ausreicht, um allen Tröpfchen zu
entgehen. Wer mit etwa fünf Kilometern pro Stunde hintereinander hergeht, sollte demnach fünf Meter Abstand wahren, Jogger mit Tempo 14,4
sogar rund zehn Meter.
Wissenschaftler der finnischen Aalto
Universität wiederum visualisierten die Ausbreitung einer Atemwolke,
wenn jemand beispielsweise zwischen Supermarktregalen ungeschützt
hustet.
Allerdings sind solche Modellierungen oft recht theoretischer Natur.
Die Macher der Jogging-Studie räumen etwa ein, dass Rücken- und
Seitenwind berücksichtigt werden müssten. Und auch Umweltmedizinerin
Traidl-Hoffmann rät, vor allzu überhasteten Reaktionen zu überlegen,
was der Einzelne daraus für sich ableiten kann.
Oder verdunsten die Tröpfchen auch hinter Joggern gleich?
Auch Bernhard Weigand, der am Institut für Thermodynamik der Luft-
und Raumfahrt an der Uni Stuttgart unter anderem zur Tropfendynamik
forscht, sagt: "Direkt hinter einem Läufer oder Radfahrer reißt die
Strömung ab, da halten sich Partikel in der Luft. Aber wenn Sie nicht
gerade Tour de France fahren, kommen Sie sich gar nicht so nah."
Zudem berücksichtigten Modelle oft nicht das Verhalten von Tropfen,
wie der Professor deutlich macht. "Ganz kleine Tröpfchen verdunsten
in einem Bruchteil einer Sekunde. Große sinken ganz schnell ab und
folgen dem Luftstrom nicht." Mit Blick auf mögliche Infektionen seien
30 bis 40 Mikrometer große Tropfen interessant – das ist etwa halb so
dick wie ein menschliches Haar. Bei einer Temperatur von 20 Grad
überdauerten die 20 bis 30 Sekunden. Modelle, die von einer
Verbreitung über mehrere Minuten ausgingen, seien realitätsfern.
Für die Verdunstung entscheidend ist neben der Temperatur die
Luftfeuchtigkeit. Je höher diese ist, umso schlechter verdunsten
Tropfen. Allgemein kann man sagen: Je heißer und trockener, desto
rascher die Verdunstung, desto geringer das Infektionsrisiko. Luftzug
wiederum pustet die Tropfen weg und kurbelt die Verdunstung an.
Entscheidend sei auch, wo die Tropfen samt Viren ankommen und wie
infektiös sie noch sind, so Traidl-Hoffmann. Auf der Nasenschleimhaut
schnäuze man sie schnell wieder aus. "Wenn man sie direkt tief in die
Lunge einatmet, richten sie den größten Schaden an."
"Wie viele von diesen Viren-Partikeln notwendig sind, um sich zu infizieren, ist unklar"
Die Professorin bemüht auch eine altbekannte Weisheit der Pharmazie:
Die Dosis macht das Gift. In einem Kubikmeter Luft könnten sich zum
Beispiel 1600 Pollen befinden, was dieser Tage wieder Allergiker zu
spüren bekommen.
"Wie hoch die Konzentration an Viren-Partikel um
einen Corona-Patienten herum ist, ist bislang unklar", sagt die
Umweltmedizinerin. Fest steht, dass das Sars-CoV-2-Virus
160 Nanometer groß sei – in kleineren Partikeln in der Luft fänden
sich also vielleicht 100 Viren. "Wie viele von diesen Viren-Partikeln
notwendig sind, um sich zu infizieren, ist unklar und auch ganz
entscheidend vom Empfänger und seiner Empfänglichkeit abhängig."
Mithilfe eines Kaskadenimpaktors wollen Traidl-Hoffmann und ihr Team
nun untersuchen, auf welcher Partikelgröße in der Luft sich das Virus
verbreitet. In dem Gerät sind Siebe mit verschiedenen Porengrößen
angebracht, die sogenannte Bioaerosole nach Größe filtern.
So wollen
die Wissenschaftler herausfinden, wie hoch die Virenkonzentration in
der Luft ist, wenn ein Infizierter beispielsweise ruhig im Bett liegt
oder wenn er intubiert wird. Gerade medizinisches Personal infiziere
sich, weil es den Viren besonders ausgesetzt sei, so Traidl-Hoffmann.
Doch auch dieses Forschungsprojekt steht noch ganz am Anfang.
(pcl/dpa)