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Bundesliga: Wieso durch die Dominanz des FC Bayern ein Werteverlust droht

Fussball 1. Bundesliga Saison 2021/2022 31. Spieltag FC Bayern Muenchen - Borussia Dortmund 23.04.2022 MEISTERJUBEL FC Bayern Muenchen: Robert Lewandowski feiert die zehnte Meisterschaft in Folge mit  ...
Robert Lewandowski wurde mit dem FC Bayern bereits achtmal Deutscher Meister. Bild: www.imago-images.de / imago images
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Keine Spannung, keine Dramatik: Warum der Bundesliga durch die Dominanz des FC Bayern ein Wertverlust droht

In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
29.04.2022, 17:3629.04.2022, 17:47
harald lange
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Die Bundesliga bewegt sich hinsichtlich ihres Spannungs- und Unterhaltungswertes in eine unsichere Zukunft. Die Liga benötigt deshalb tragfähige Visionen und sinnvolle Reformen. Wer glaubt, dass wirklich guter, unterhaltsamer und dramatischer Fußball nur mit einem international konkurrenzfähigen Verein möglich sei, dem sei geraten, sich in die Leidenschaft und Dramatik von Klubs wie Eintracht Frankfurt oder Union Berlin, zu vertiefen.

"Werte wie Chancengleichheit oder Solidarität bleiben ebenso auf der Strecke wie die Grundlagen, die den Fußball ausmachen."

Welchen Fußball wollen wir? Wie muss die Bundesliga aufgestellt sein? Als Ligasystem, dessen Sinn letztlich auf den Erfolg der Bayern in der Champions League hinausläuft? Oder eine Fußballkultur, die ihre Spannungsmomente aus der bewegenden Vielfalt aller Profiklubs zieht?

Wenn der FC Bayern in den letzten drei Spieltagen noch gegen Mainz, Stuttgart und Wolfsburg spielt, dann geht es für den Verein um nichts mehr. Vielleicht schaffen sie noch den Rekord im Toreschießen. Bislang haben sie 92 Treffer erzielt und die 101 Tore aus der Saison 1971/72 wären noch drin. Aber wen interessiert das? Schließlich zählen im Sport andere Werte: Leistung, Dramatik, Spannung, Fairplay, Solidarität, Teamgeist, Gewinnen, Verlieren, Respekt, Chancengleichheit.

Fanforscher Harald Lange.
Fanforscher Harald Langenull / Uni Würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 53-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"

Fans des FC Bayern brauchen ein anderes Spielfeld als die Bundesliga

Der zehnte Meistertitel in Serie ist sowohl für die Bayern, wie auch für alle anderen Fans etwas ganz Besonderes.

Entweder: Eine erdrückende Demonstration fußballerischer Überlegenheit. Oder: Ein beängstigendes Indiz aufkommender Langeweile im Ligabetrieb der Bundesliga. Die erste These verlangt danach, dass sich Bayernfans wohl oder übel ein anderes Spielfeld suchen müssen, wenn Sie Spannung und Drama erleben möchten.

"Romantiker und Traditionalisten sind immer auch kritisch mit den Veränderungen."

Neben dem Pokal bietet sich da vor allem die Champions League an. Nur dort finden die Bayern Gegner, die über ähnliche Finanzkraft verfügen und den besten Spielern der Welt ebenbürtige Gehälter zahlen können. Zudem sichert die im vergangenen Jahr beschlossene Reform der Champions League mit einem neu geschaffenen Punktesystem den ohnehin schon überlegenen Vereinen so etwas wie zwei Wildcard Startplätze zu. Für den Fall, dass sie sich im nationalen Titelkampf einmal nicht qualifizieren sollten, steht also ein doppelter Boden bereit.

Spannung, Dramatik und Chancengleichheit könnten beerdigt werden

Sehen wir in solchen Strukturen die Zukunft des professionellen Fußballs? Oder handelt es sich hier bereits um die ersten Sargnägel von Spannung, Dramatik und Chancengleichheit? Wollen wir uns mit dieser Entwicklung abfinden? Sind wir bereit, den Fußball in dieser Einseitigkeit zu akzeptieren?

Was bringt es den erfolgsverwöhnten Bayern-Fans, wenn ihr Team die Bundesliga beherrscht und sie auf nationaler Ebene keine ebenbürtigen Gegner mehr findet. Wie gehen die Fans der konkurrierenden 17 Mannschaften damit um, dass ihre Top-Talente immer in Gefahr stehen, von den Bayern weggekauft zu werden? Sollte die Liga nochmal ernsthaft über die Verteilung ihrer Einnahmen (auch aus den internationalen Wettbewerben) verhandeln und eine Gleichverteilung der Einnahmen anstreben?

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Borussia Dortmund um Kapitän Marco Reus wurde vor der Dominanz des FC Bayern 2012 zum letzten Mal Deutscher Meister. Bild: www.imago-images.de / IMAGO/Frank Hoermann

Oder warten wir einfach mal ab und hoffen darauf, dass sich auch diese Entwicklung irgendwann von selbst lösen wird. Ist die Entwicklung, die wir seit mindestens 10 Jahren beobachten, vielleicht doch einfach nur "gut"?

Bundesliga und DFL müssen Reformvorschlag liefern

Seit ihrer Einführung in der Saison 1963/64 spielten bislang 56 verschiedene Vereine in der Fußball-Bundesliga. Nur 12 von denen konnten in dieser knapp 60 Jahre andauernden Geschichte Meister werden. In den zurückliegenden 10 Jahren nur der FC Bayern. Und die scheinen derart viele Vorteile gegenüber der Konkurrenz zu haben, sodass wir hoffen oder fürchten müssen, dass auch die Meistertitel der kommenden Jahre eine halbwegs sichere Bank für die Münchner sein werden.

Eines ist sicher: Der Fußball verändert sich. Das hat er übrigens auch seit seiner Erfindung immer wieder getan. Gleichzeitig sind Romantiker und Traditionalisten immer auch kritisch mit den Veränderungen und wollen Facetten der "guten alten Zeit" und die Ursprünglichkeit der Spielidee bewahren.

So gesehen fällt es schwer, die nun anstehende Zukunftsperspektive einfach so hinzunehmen. Wenn die Liga und DFL keinen ernstzunehmenden Reformvorschlag entwickeln kann, dann wird die Dominanz des FC Bayern zu einem Werteverlust führen.

Nicht in allen Wertedimensionen. Möglicherweise wird weiterhin viel Geld verdient. Aber Werte wie Chancengleichheit oder Solidarität bleiben ebenso auf der Strecke wie die Grundlagen, die den Unterhaltungswert des Fußballs ausmachen: Spannung und Dramatik. Eine Vision, in der diese beiden Elemente keinen Platz haben, ist für mich jedenfalls nichts wert!

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