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Erasmus oder Highschool-Jahr: Wie die Corona-Krise Auslandsaufenthalte verändert

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Der Traum vom Auslandsjahr war durch Corona empfindlich gestört worden. (Symbolbild)Bild: iStockphoto / Yelizaveta Tomashevska
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Nach einem Tief aufgrund der Pandemie sind Auslandsjahre wieder beliebt: Junge Leute wollen "nicht ein weiteres Jahr vor dem Rechner sitzen"

22.06.2021, 19:5223.06.2021, 12:24
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Ob Äpfel-Pflücken in Neusseeland, ein Highschool-Austausch in den USA oder ein Erasmus-Semester in Spanien – für viele junge Deutsche ist ein Auslandsaufenthalt ein großer Wunschtraum, der sich auch im Lebenslauf gut macht. Die globale Corona-Pandemie samt Reisebeschränkungen war diesbezüglich allerdings ein echter Dämpfer...

Ist es also eine blöde Idee, mitten in der Pandemie einen Auslandsaufenthalt zu planen? Oder ist gerade jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um eine Auszeit in der Ferne einzulegen? Wie hat Corona Auslandsaufenthalte verändert? Für watson fragten wir bei einschlägigen Organisatoren nach.

Die Hälfte der Studenten reiste 2020 nicht wie geplant ins Ausland ab

"2020 war ein sehr unvorhersehbares Jahr", berichtet Simon Dominitz. Er ist Country Manager von "Education First" (EF), einem Anbieter internationaler Bildungsprogramme. "Unsere Highschool-Programme in den USA, die eigentlich im August starten, wurden damals ganz ausgesetzt, weil auch dort an den öffentlichen Schulen vorwiegend Homeschooling stattfand, das hätte für die Austauschschüler keinen Sinn ergeben. Einige andere Länder, wie beispielsweise Australien, hatten zudem komplette Einreisesperren."

Viele Interessenten verschoben ihre Auslandsaufenthalte daher oder wichen auf europäische Länder aus. Andere buchten Sprachreiseprogramme, berichtet Dominitz, die zum Beispiel auch im Topseller-Land USA problemlos stattfinden konnten. "Unsere eigenen Klassen waren aufgrund von Corona-Bestimmungen oft kleiner als sonst, aber davon abgesehen war der Unterricht für viele Schüler eher normaler als hier in Deutschland. Die Rückkehrer sagen oft, das sei das Beste, was sie in dieser Zeit hätten machen können, weil zu Hause ja sowieso nicht viel ging."

Für die Auslandsaufenthalte von Studierenden war die Pandemie "ein massiver Einschnitt", erzählt der Sprecher vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), Michael Flacke. Nur etwa "die Hälfte unserer neuen Stipendiatinnen und Stipendiaten sind im letzten Jahr in ihr Zielland ausgereist", berichtet er.

"Die Hälfte unserer neuen Stipendiatinnen und Stipendiaten sind im letzten Jahr in ihr Zielland ausgereist."
DAAD-Sprecher Michael Flacke

Insgesamt hätten zwei Drittel aller geplanten Auslandsaufenthalte mit DAAD-Förderung stattgefunden – knapp 40 Prozent davon digital. In Anbetracht der Krise sei das aber gar nicht so schlecht. "Mit Blick auf die schwerste Pandemie seit rund 100 Jahren sind das erfreuliche Zahlen", so Flacke.

Der Arbeiterwohlfahrt (AWO) standen sogar "genauso viele Freiwillige wie immer" für den Europäischen Solidaritätskorp (ESK) zur Verfügung, gibt ihre Sprecherin aus der Arbeitsgruppe weiter. Die AWO vermutet sogar einen kleinen Zuwachs unter Corona, weil das interkontinentale Hilfsprogramm "Weltwärts" schlechter umsetzbar war. Es habe für den Freiwilligendienst in Europa "keine Einschränkung aufgrund der Pandemie" gegeben.

Die Nachfrage ist jetzt groß, besonders bei Abiturienten

Obwohl sich also einige junge Menschen auch 2020 ins Ausland wagten, stauen sich die Anfragen für 2021 nun trotzdem: "Viele Studierende haben beispielsweise im Erasmus-Programm die Möglichkeit genutzt, den Aufenthalt einige Monate zu verschieben. Auch bei den DAAD-Stipendien hat rund ein Viertel aller Studierenden davon Gebrauch gemacht", so Flacke. "Wir gehen also davon aus, dass die Aufenthalte eher verschoben als ganz abgesagt wurden."

Das Interesse an Auslandsaufenthalten sei groß, seit Januar 2021 hätten immerhin 9.000 deutsche Studierende einen Auslandsaufenthalt begonnen, auch wenn Vor-Corona-Zahlen noch nicht erreicht würden. "Bis Ende April konnten rund 75 Prozent der Erasmus-Auslandsaufenthalte im Vergleich zu 2019 verwirklicht werden." Er geht davon aus, dass sich diese Zahlen, sofern weitere Corona-Wellen ausbleiben, "in 2022 wieder normalisieren", so der DAAD-Sprecher.

Bei EF erlebt man sogar "eher mehr Anfragen als sonst", berichtet Dominitz, viele Programme seien schon jetzt für dieses Jahr ausgebucht. "Unter den Interessenten sind natürlich einige, die ihre Pläne aus 2020 verschoben haben, aber auch viele, die das Gefühl haben, dass sie in Deutschland derzeit nicht viel verpassen."

"Gerade Schüler, die unter Corona ihr Abi gemacht haben und anderthalb Jahre nur im Homeschooling saßen, möchten jetzt etwas erleben und nicht ein weiteres Jahr vor dem Rechner sitzen."
EF-Country Manager Simon Dominitz

Besonders eine Gruppe würde sich momentan für das Ausland interessieren: Abiturienten, die durch das Distanzlernen einen ausgebremsten Start ins Studium erlebten und deshalb jetzt eine Auslandspause einlegen wollen. "Wir konnten diese Entwicklung an unseren Programmen erkennen, die im Januar starten: Die sind klassischerweise nicht so beliebt, wie die im August und September, aber dieses Jahr haben wir plötzlich bis zu zehnmal so viele Anfragen für den Januar gehabt wie sonst", so Dominitz. "Etwa die Hälfte dieser Interessenten waren Studenten, deren Unistart frustrierend lief."

Der Tenor? Wenn Hörsaal und Erstsemester-Partys eh ausfallen, könne man auch jetzt das Auslandsjahr zwischenschieben. Dominitz dazu: "Das ist auch verständlich. Gerade Schüler, die unter Corona ihr Abi gemacht haben und anderthalb Jahre nur im Homeschooling saßen, möchten jetzt etwas erleben und nicht ein weiteres Jahr vor dem Rechner sitzen."

Eine Sprachreise oder auch ein Freiwilligendienst kommt vielen in der Corona-Ödnis gerade recht. Angst, dabei am Ende noch im Ausland festzusitzen oder sich eine Mutante einzufangen, haben die meisten nicht. Im Gegenteil: "Bei den Anfragen ist Corona kein sehr großes Thema", so die AWO dazu.

Für Auslands-Willige gilt nun mehr denn je: Zeit einplanen

Abenteuerlustige müssen dennoch auch 2021 mit ein, zwei Wermutstropfen rechnen, denn in einigen Ländern gelten immer noch Einreiseverbote, zum Beispiel in Australien, Neuseeland, Japan und Korea. Dominitz rät außerdem "auf dem Schirm haben, dass sich die Corona-Lage weiterhin von einem Tag auf den anderen ändern kann und Einschränkungen im Zielland jederzeit möglich sind. Das muss man derzeit einfach einkalkulieren."

Das sieht man auch beim DAAD so: "Corona spielt weiterhin eine Rolle, es ist also wichtig, frühzeitig zu schauen, wie Lage und Regeln im gewünschten Zielland sind", so ihr Sprecher. "Aktuell findet in vielen Ländern die Lehre noch digital statt und Studierende müssen bei möglichen Treffen und Freizeitaktivitäten auf Hygieneregeln achten – ähnlich wie in Deutschland."

Derzeit verbessere sich die Infektionslage in der EU zwar, "gleichzeitig wird es auch im Wintersemester noch digitale Vorlesungen geben", sagt Flacke. "Leider bleibt auch die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie nicht wirklich absehbar, daher lohnt es sich, sehr früh mit der gewünschten Partnerhochschule Kontakt aufzunehmen."

Immer gilt laut den Experten: Ein Auslandsaufenthalt sollte von langer Hand geplant werden, damit erforderliche Visa und andere Anmeldungen auch rechtzeitig da seien. Das gelte jetzt unter Corona umso mehr, da die Pandemie die Welt zu einem bürokratischeren Ort gemacht hat.

Wer sich durch den Wust an Bestimmungen gewühlt hat, dürfe sich aber freuen, sind die Organisatoren sicher. Dominitz: "Die Corona-Bestimmungen sind im Ausland oft weniger streng als hier und so haben viele junge Leute gerade jetzt, trotz der Pandemie, die Zeit ihres Lebens – außerhalb von Deutschland."

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