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EM-Finale: Warum Italien den Titel verdient hat

Fußball: EM, Italien - England, Finalrunde, Finale im Wembley-Stadion. Italiens Spieler jubeln nach dem Spiel mit dem Pokal.
Die italienische Mannschaft feiertn den EM-Triumph.Bild: dpa / Christian Charisius
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"It's coming to Rome": Warum Italien den EM-Titel nach dem Sieg über England verdient hat

12.07.2021, 01:2212.07.2021, 08:59
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"It's coming to Rome!" 70 Minuten lang sah es nicht so aus, als würde Italien um kurz vor Mitternacht am Sonntagabend das Londoner Wembley Stadion als Europameister verlassen. Eine taktische Umstellung von Trainer Roberto Mancini und drei Elfmeterparaden von Torhüter Gianluigi Donnaruma später lagen sich die Italiener nach dem 3:2-Sieg im Elfmeterschießen über England aber mit Tränen in den Augen in den Armen und feierten den EM-Titel.

Kaum eine Mannschaft hat die Fußballwelt in den vergangenen vier Wochen wohl mehr verzaubert als die Italiener. Defensiver Langeweile-Fußball war einmal – das Team rund um Trainer Mancini steht jetzt für Offensivspektakel. Und nach dem sich bereits Portugal 2016 zum EM-Sieger mauerte, wurde nun auch wieder schöner Fußball belohnt.

Und wenn man sah, wie leidenschaftlich das Team nach dem Sieg mit seinen Fans feierte, freute man sich auch für die Routiniers Chiellini und Torschütze Bonucci, die im Herbst ihrer Karriere ihre ersten internationalen Titel gewinnen konnten. Selbst die über 59 000 Fans im Londoner Wembley-Stadion, die das Finale für die Italiener zu einem Auswärtsspiel machten, verunsicherten sie nicht.

Zudem hatte der Triumph für einen Spieler noch eine ganz besonders emotionale Bedeutung: Leonardo Spinazzola. Der 28-Jährige war einer der heimlichen Stars der Italiener, riss sich im Viertelfinale gegen Belgien aber die Achillessehne und fällt nun wohl ein halbes Jahr aus. Nach dem Finalsieg durfte er sich auf Krücken nun als erster die Siegermedaille abholen.

Fußball: EM, Italien - England, Finalrunde, Finale im Wembley-Stadion. Italiens verletzter Leonardo Spinazzola feiert nach dem Gewinn der Europameisterschaft.
Leonardo Spinazzola war in Krücken im Stadion.Bild: dpa / Christian Charisius

Italien-Trainer Mancini trifft richtige Entscheidungen

Natürlich spielten auch die Engländer keinen destruktiven Fußball, aber wenn man sich nur mal das Offensivpotenzial der Mannschaft anschaut, dann war das Angriffsspiel der "Three Lions" doch erschreckend schwach. Das war auch im Finale trotz des frühen Tors von Luke Shaw nach bereits zwei Minuten nicht anders. In 120 Minuten schossen sie nur fünf Mal auf das Tor.

Dabei hatte Italien mit der englischen Umstellung auf eine Fünferkette gerade in den ersten 45 Minuten enorme Probleme. Die "Three Lions" ließen nach dem frühen Führungstor jedoch weitere Offensivpower vermissen. Italien fand gegen die gut organisierte englische Defensive überhaupt keine Lösungen und kam lediglich durch Einzelaktionen von Federico Chiesa zu ungefährlichen Abschlüssen.

Doch im zweiten Durchgang zeigten die Italiener, was sie während des Turniers so stark gemacht hat. Sie blieben ruhig, zogen ihr Spiel durch und konnten sich trotz aller Offensivpower immer auf ihre eigentliche Lieblingsdisziplin verlassen: die Defensive.

Und sie hatten mit Trainer Roberto Mancini einen Trumpf auf der Bank. Lief es mal nicht rund, traf der Trainer stets die richtige Entscheidung.

So auch im Finale: Nach 55 Minuten wechselte er Berardi und Christante für die unauffälligen Immobile und Barella ein und plötzlich entwickelte sich ein komplett anderes Spiel. Der Ausgleich von Leonardo Bonucci lag zwar nicht unbedingt in der Luft, doch zeigte auch die italienische Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor. So sieht aktives und gutes Coaching aus.

Auch Englands Coach Southgate traf während des Turniers gute Personalentscheidungen, vercoachte sich aber ausgerechnet kurz vor dem Elfmeterschießen. Marcus Rashford und Jadon Sancho wechselte er in der 119. Minute allein für das Duell vom Punkt ein und ausgerechnet die beiden Spieler von Manchester United verschossen.

Fußball: EM, Italien - England, Finalrunde, Finale im Wembley-Stadion. Italiens Trainer Roberto Mancini winkt nach dem gewonnenen Spiel.
Italiens Trainer Roberto ManciniBild: dpa / Christian Charisius

Und schon aufgrund des Verhaltens der englischen Fans hatten die "Three Lions" es nicht verdient, dass sich ihre Anhänger am Ende des Turniers auch noch über den Titel freuen dürfen. Während der italienischen Hymne gab es zwar nur kurze Buhrufe, doch die gab es schon während der Nationalhymne Dänemarks, ebenso wie "It's coming Home"-Gesänge während des Halbfinals zwischen Spanien gegen Italien oder Jubelstürme während ein weinendes deutsches Mädchen nach dem EM-Aus des DFB-Teams gezeigt wird. Zudem versuchten einige Anhänger vor dem Spiel das Stadion zu stürmen. Fair ist anders.

Finalduell in Zukunft öfter möglich

Umso bitterer ist es da natürlich auch für die Engländer, dass ausgerechnet die Jungstars Rashford (23 Jahre), Sancho (21 Jahre) und Buyako Sako (19) die entscheidenden Elfmeter verschossen. Doch es wird nicht das letzte Turnier des Trios gewesen sein. Dafür ist die Mannschaft einfach zu talentiert.

Ein italienischer Fan hatte es aber bereits während des Halbfinals gegen Spanien geahnt und mit einem Schild "It's coming to Rome" angekündigt, dass Italien die EM gewinnen wird. Zuvor feierten die englischen Fans ihr Weiterkommen im Turnier stets mit dem Song "It's coming home".

Doch dazu wird es auch in Zukunft noch öfter die Möglichkeit geben. Und die italienischen Fans können die Engländer auch noch weiter mit ihrem Spruch: "It's coming to Rome" aufziehen. Beide Teams werden sich in den kommenden Jahren noch in so einigen K.O.-Duellen begegnen. Denn sie sind gespickt mit jungen, talentierten Spielern, die noch lange nicht am Ende ihrer Entwicklung sind. Und wer weiß, vielleicht heißt das WM-Finale im kommenden Jahr wieder England gegen Italien. Dann stünde erneut die große Frage im Raum: "Home" oder "Rome"?

Nach Nagelsmann-Absage: Tuchel reagiert auf möglichen Bayern-Verbleib

Noch am Donnerstag erklärte Julian Nagelsmanns Berater Volker Struth, dass eine Entscheidung um die Zukunft des Bundestrainers "in den nächsten fünf, sechs, sieben" Tagen fallen werde. Gleichzeitig bestätigte er, dass er sich auch in Gesprächen mit Bayern München befinde.

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