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Hebamme warnt vor Corona-Folgen im Kreißsaal: "Kann es Frauen nicht garantieren"

Auch im Kreißsaal ist die Corona-Pandemie präsent. Werdende Mütter müssen mit erheblichen Einschränkungen leben.
Auch im Kreißsaal ist die Corona-Pandemie präsent. Werdende Mütter müssen mit erheblichen Einschränkungen leben.Bild: getty images
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Hebammenverband warnt vor Corona-Folgen im Kreißsaal

08.05.2020, 08:5108.05.2020, 15:45
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Aufgrund der aktuellen Corona-Krise wurden neben wirtschaftlichen auch medizinische Maßnahmen getroffen, die sich auf das Leben von jedem Einzelnen auswirken. Besonders für schwangere Frauen sind die Zeiten ungewiss. Viele werdende Mütter wissen nicht, ob sie bei der Geburt von ihren Liebsten begleitet werden dürfen.

Auch Laura Bräutigam, die 2016 an "Germany's Next Topmodel" teilnahm, erwartet in Kürze ihr erstes Kind. Gerade erst hat sie ihrem Partner René überraschend das Jawort gegeben. Der Grund für die Hochzeit noch vor der Geburt sei auch die Hoffnung gewesen, der Ehemann dürfe womöglich eher im Kreißsaal dabei sein, als nur der Freund. Laura sagt dazu watson:

"Zur Geburt darf in unserem ausgewählten Kreißsaal eine Begleitperson mitkommen. Aber erst, wenn es wirklich losgeht. Wenn also die Fruchtblase platzt und sie merken, es dauert noch ein paar Stunden, dann muss er wieder gehen. Er darf erst dazu kommen, wenn es kein Zurück mehr gibt. Er muss auch danach direkt wieder gehen, aber zur Entbindung darf er wenigstens dabei sein."

Der Deutsche Hebammenverband schlägt genau wegen solchen Fällen Alarm und fordert, dass die Frauen nicht alleine gelassen werden dürfen. Im Interview mit watson erklärt Andrea Ramsell, Präsidiumsmitglied des Verbands, was gerade im Gesundheitssystem schiefläuft, welche Forderungen sie an die Bundesregierung hat und was die Schwangeren zu beachten haben.

Andrea Ramsell: Im Gespräch mit watson klärt sie über die derzeitige Situation im Kreißsaal auf.
Andrea Ramsell: Im Gespräch mit watson klärt sie über die derzeitige Situation im Kreißsaal auf.Bild: Deutscher Hebammenverband/ Hans-Christian Plambeck

watson: Derzeit ist ungewiss, ob werdende Mütter während der Geburt von einer nahestehenden Person begleitet werden dürfen. Was sagen Sie dazu?

Andrea Ramsell: Wir finden es immens wichtig, dass Frauen durch eine nahestehende Person begleitet werden. Eine Geburt ist eine Ausnahmesituation. Sie brauchen Ruhe, viel vom Liebeshormon Oxytocin, Entspannung, Rückversicherung und Sicherheit. Das ist nicht ersetzbar. Wir sprechen uns dafür aus, das wirklich mit Augenmaß zu entscheiden. Es ist wegen Corona verständlich, dass sich die werdenden Mütter auf eine Person beschränken sollen. Vorher sollte jedoch eine individuelle Anamnese der Begleitperson erfolgen.

Was muss dabei beachtet werden?

In der Regel lebt diese mit der werdenden Mutter ohnehin zusammen und sie bilden eine immunologische Einheit. Aus diesem Grund bietet sich so eine scharfe Trennung nicht an – es sei denn, es treten beim Partner Symptome auf. Die Eigenverantwortung sollte jedem Menschen bewusst sein.

In vielen Bundesländern und von Krankenhaus zu Krankenhaus gibt es eine unterschiedliche Praxis.

Die Krankenhäuser machen von ihrem Hausrecht Gebrauch. Die Länder haben dazu unterschiedliche Empfehlungen rausgegeben. Wenn die Kliniken drei infizierte Hebammen haben und ein ausgedünntes Team, dann ist es klar, dass sie anders entscheiden müssen, als wenn es eine komfortable Personaldecke gibt.

"Die Frauen weichen auf die nächstliegende Klinik aus und verursachen so Versorgungsengpässe."

Wie bewerten Sie die Maßnahmen in den Kliniken?

Das Personal muss natürlich geschützt werden. Deswegen kann man die Entscheidung nur individuell treffen. Ich halte ein grundsätzliches Verbot nicht für sinnvoll. Die Frauen weichen auf die nächstliegende Klinik aus und verursachen so Versorgungsengpässe. Es ist alles nicht ideal. Die beste Voraussetzung wäre, dass es ausreichend Schutzkleidung gibt und das Personal so versorgt wird, dass die Begleitperson erstmal keine Gefährdung darstellt.

Eingang zum Kreißsaal im Oskar-Ziethen-Krankenhaus in Berlin

Entrance to District room in Oskar Ziethen Hospital in Berlin
Ein Kreißsaal in Berlin: Die Kliniken haben bei ihren Entscheidungen immer noch das Hausrecht. Bild: imago images/ Sabine Gudath

Haben sich bereits viele besorgte zukünftige Eltern bei Ihnen gemeldet?

Wir kriegen die Problematik natürlich von den Eltern sowie den Elternverbänden mit. Es ist ein großes Thema. Wir hören von den Kollegen, dass Krankenhäuser zu sind oder die Nachbarklinik keine Begleitpersonen mehr zulässt. Wo es möglich ist, eine Begleitperson mitzunehmen, werden die Kliniken von Menschen überrannt und können den Ansturm nicht auffangen.

Was raten Sie den werdenden Müttern?

Die Frauen suchen oft die Klinik auf, wenn sie Fragen haben. Ich rate den Schwangeren, dass sie möglichst Kontakt vermeiden sollen. Dazu gehört auch abzuklären, ob es wirklich ein Notfall ist. Vor der Geburt sollten sich die werdenden Mütter erkundigen, ob die Begleitperson mit in die Klinik kann. Sie sollen ihre Hebammen informieren, wenn sie ambulant nach Hause gehen möchten.

"Es wird den Frauen empfohlen zu stillen, auch wenn sie infiziert sind."

Wäre das eine Alternative?

Wir empfehlen den Frauen, sich die Dauer ihres stationären Aufenthalts zu überlegen. Für viele bietet sich an, den Aufenthalt zu verkürzen. Es gibt auch eine zunehmende Nachfrage nach ambulanten Geburten. Natürlich müssen sie danach eine Hebammenbetreuung haben. Wir können keiner Frau ohne eine adäquate Betreuung raten, frühzeitig aus der Klinik zu gehen.

Haben die werdenden Eltern große Angst, sich mit dem Virus in den Kliniken zu infizieren?

Die Unsicherheit ist überall da. Mittlerweile wissen wir auch ohne valide Fallzahlen, dass die Schwangeren nicht zur Risikogruppe gehören. Man kann einen typischen Verlauf von Symptomen erwarten, die nicht besonders schwerwiegend sind. Es wird den Frauen empfohlen zu stillen, auch wenn sie infiziert sind. Sie sollen Hygienemaßnahmen einhalten und Mundschutz tragen. Bei den ersten Coronafällen gab es die Empfehlung, Mutter und Kind zu trennen, aber das wurde ganz schnell zurückgenommen. Es bleibt dabei: Mutter und Kind bleiben zusammen.

Die Helios Klinik in München: Hier wurde sogar wegen zu vieler Corona-Infektionen der normale Krankenhausbetrieb vorübergehend aufgehoben.
Die Helios Klinik in München: Hier wurde sogar wegen zu vieler Corona-Infektionen der normale Krankenhausbetrieb vorübergehend aufgehoben.Bild: imago images/ Sven Simon
"Ich wünsche mir, dass auch an die Hebammen gedacht wird und wir ausreichend Schutzkleidung zur Verfügung gestellt bekommen."

Nehmen Haus- und Alleingeburten zu?

Es hat zugenommen, dass sich die Frauen mit Hausgeburten beschäftigen. Wir wissen, dass es in den sozialen Medien vielmehr ein Thema ist als sonst. Die Kapazitäten von Kolleginnen, Hausgeburten anzunehmen, sind leider nicht angestiegen. Die sind ohnehin gut nachgefragt. Selbst bei Frauen, die für eine Hausgeburt infrage kommen, kann keine außerklinische Betreuung garantiert werden. Einen Anstieg von Hausgeburten werden wir somit statistisch wenig merken.

Was wünschen Sie sich von der Bundesregierung?

Die Hebammen sollen in Entscheidungen miteinbezogen werden. Wir merken jetzt, dass als erstes an die Ärztinnen und Ärzte gedacht wird – als ob unser Gesundheitssystem nur aus ihnen besteht. Bei vielen systemrelevanten Berufen wird zurzeit das Gefühl vermittelt, dass sie bei den Versorgungsstrukturen keine Rolle spielen. Es klingt so banal, aber systemrelevante Berufsgruppen werden einfach vergessen, und dazu gehören auch Hebammen.

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Wie soll sich das ändern?

Wir arbeiten auf politischer Ebene daran, dass wir in relevanten Entscheidungsgremien miteinbezogen werden. Da zeigt sich, wie die Hierarchie im Gesundheitssystem aufgestellt ist. Für die ambulante Versorgung von Wochenbetten brauchen wir Schutzkleidung. Das ist ein großes Problem. Die für Hebammen zuständigen Behörden sehen sich nicht in der Verantwortung.

"Ich kann nicht garantieren, dass die Frauen, die ohne Begleitperson in die Klinik kommen, eine wirklich gute Geburtsbegleitung bekommen."

Wie sieht es bei den Geburten in den Kliniken aus?

Durch die Corona-Krise wird der Personalmangel aufseiten der Ärzte und der Hebammen sichtbar. Sie können deswegen nicht dazu raten, ohne Begleitperson zu kommen, weil die Frauen dann zum großen Teil lange Phasen der Geburt allein sind. Wir haben viel zu wenig Personal. Über die letzten zehn Jahre wurde zu viel gespart. Jetzt sind die Arbeitsbedingungen für Hebammen in Kliniken zum Teil so schwierig, sodass weitere aufhören. Die Personaldecke wird noch dünner.

Das sind erschwerte Bedingungen, die noch dazu kommen.

Das ist wirklich dramatisch. Ich kann nicht garantieren, dass die Frauen, die ohne Begleitperson in die Klinik kommen, eine wirklich gute Geburtsbegleitung bekommen. Wir wissen, dass wir viel zu wenig Hebammen in den Kliniken haben. Die Hebammen betreuen zu viele Frauen gleichzeitig. Meine große Hoffnung ist, dass gute Lehren aus der Krise gezogen werden.

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