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WM 2022

Bier-Diskussion um Katar-WM: "Angemessener, über Menschenrechte zu debattieren"

Bei der Meisterfeier der Bayern ist das Bier des Sponsors bereits Tradition.
Bei der Meisterfeier der Bayern ist das Bier des Sponsors bereits Tradition.Bild: www.imago-images.de / IMAGO/Frank Hoermann
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Bier-Diskussion um WM in Katar: "Es wäre weitaus angemessener, über Menschenrechte und die toten Bauarbeiter zu debattieren"

In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
17.06.2022, 16:0528.01.2023, 09:35
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Die Fifa ist bereit, sich mit den Machthabern in Katar anzulegen. Nicht wegen der vielen Toten auf den WM Baustellen, nicht zum Thema Wahrung der Menschenrechte und auch nicht wegen der homophoben Gesetzgebung im Wüstenstaat. Der Grund ist ein anderer. Es geht ums Bier. Konkret: Die Herrscherfamilie lässt sich offensichtlich nicht dazu bewegen, den Bierausschank in den WM-Stadien zu gestatten. Den Fifa-Bossen wird klar, dass sie auch in dieser Hinsicht die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben.

Im Grunde ist es eine weitere unsägliche Stilblüte im Umfeld der unbeliebten Katar-WM. Fünf Monate vor dem Anpfiff des Eröffnungsspiels wird versucht, eine Ausnahme für den Bierausschank zu erwirken. In einem Land, in dem Alkohol in der Öffentlichkeit traditionell und aus religiösen Gründen verboten ist.

Kolumnist Harald Lange
watson-Kolumnist Harald Lange lehrt an der Universität Würzburg. Bild: uni würzburg / uni würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 53-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"

Das wusste man vorher und das wäre mit Blick auf die übrigen Missstände im Umfeld dieser WM sicherlich verschmerzbar gewesen. Vor allem aus Fansicht. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die bereit sind, diese WM zu besuchen, auch den Kompromiss hinnehmen werden, dass sie während ihres Aufenthalts auf Alkohol verzichten.

Bei den Sponsoren schaut das freilich anders aus. Budweiser ist seit 1986 FIFA-Sponsor und gehört zum weltweit größten Bierproduzenten Anheuser Busch. Als solcher war Budweiser eine weltweit sichtbare Marke bzw. ein Gesicht der zurückliegenden WM-Endrundenturniere.

Großbrauereien üben Druck auf Fifa aus

Die Manager der amerikanischen Großbrauerei möchten natürlich weiter und kontinuierlich im Spiel bleiben. Deshalb wird vermutet, dass entsprechender Druck auf die Fifa ausgeübt wird. Da es diesmal – anders als bei den toten Bauarbeitern – um Dollar der Großsponsoren geht, wird dieser weltfremd anmutende Druck an den WM-Ausrichter weitergegeben.

Inzwischen stehen auch etwaige Kompromissvorschläge im Raum. Alle laufen darauf hinaus, dass der Bierausschank formal möglich sein wird, aber in der Praxis so gar nichts mit der historischen Verbundenheit zwischen Bier und Fußball gemeinsam hat.

Mit Blick auf die folgenden Beispiele könnte man deshalb hier auch von Schnapsideen sprechen: Bier soll es nur im VIP Bereich oder anderen Sonderzonen des Stadions geben. Es soll nur alkoholreduziertes Bier ausgeschenkt werden. Räumlich begrenzt: wahrscheinlich nur auf einem in der Wüste liegenden Golfplatz. Aber sicher nicht im Rahmen der geplanten Fanfeste. Na, dann mal Prost: All diese Kompromisse muten nicht nur bei fußballaffinen Bierkennern als skurril an.

"Nicht nur Spieler, sondern auch Fans werden am Spieltag ausreichend mit Bier versorgt, jedes Stadion hat seinen stolzen Versorgervertrag"
Harald Lange, watson-Kolumnist über Bier im modernen Fußball

Schließlich haben Fußball und Bier eine gemeinsame Geschichte. Zumindest im sogenannten Mutterland dieses Spiels (England), aber auch in Deutschland. Viele Fußballvereine haben seit ihrer Gründerzeit Stammlokale, die für die Bewirtung der Spieler und Fans zuständig sind. Dieses im wahrsten Sinne des Wortes „Lokal“ geprägte Vereinsleben hat in den letzten 100 Jahren ganz maßgeblich dazu beigetragen, dass die Verbindung zwischen Bier und Fußball eine selbstverständliche ist.

Nicht nur Spieler, sondern auch Fans werden am Spieltag ausreichend mit Bier versorgt, jedes Stadion hat seinen stolzen Versorgervertrag mit einer Biermarke und zum Saisonabschluss gibt es genau damit eine Bierdusche. Im Durchschnitt trinkt der statistische Stadionbesucher in der Bundesliga ein Glas Bier (0,2 bis 0,3 Liter). Zuweilen auch etwas mehr, so dass wir auf einen Konsum von bis zu 20.000 Liter Bier pro Spiel kommen. Wenn wir aus diesem rechnerischen Mittelwert die Antialkoholiker und Autofahrer herausnehmen, dann wird die (Liter-)Zahl für die Biertrinker entsprechend höher.

Diskussion wegen Menschenrechte angemessener

Und da viele Fans bereits vor und vor allem auch ausgiebig nach dem Stadionbesuch trinken, liegt es auf der Hand: Der Bierdurst im Fußball ist beachtlich. Würde die FIFA diesen Durst verstehen und für Ernst nehmen, dann würden die Bosse wahrscheinlich selbst darüber lachen, dass jemand auf die Idee kommt, irgendwo in der Wüste eine Golfplatz-Bier-Region einrichten zu wollen. Der Gerstensaft gehört entweder direkt zum Liveerlebnis im Stadion und/oder auf dem Fanfest dazu, oder man kann getrost darauf verzichten.

Auf den Verzicht hatten sich ohnehin längst alle eingestellt, die wussten, dass die WM in einem streng muslimischen Land ausgerichtet wird. So gesehen wirkt die aktuelle WM-Bierdebatte weltfremd. Es wäre also weitaus angemessener, über Menschenrechte und die toten Bauarbeiter zu debattieren, anstatt über das Bier. Das trinken wir eh lieber im Rahmen authentischer Fußballspiele und -feste.

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